Im Kino

Auf der Plantage

Die Filmkolumne. Von Fabian Tietke
29.06.2023. Kamila Andinis Film "Before, Now & Then" führt uns ins Indonesien der 50er und 60er Jahre. Während rings um sie Menschen von Aufständischen entführt und der Regierung verhaftet werden, durchläuft eine junge Frau einen Prozess der Emanzipation.


Nana (Happy Salma) ist seit fünfzehn Jahren mit dem Plantagenbesitzer Herrn Darga verheiratet, als mit einem Male verdächtige Dinge auftauchen: Ein Schal im Zimmer ihres Mannes, von einer Frau hinterlegtes Fleisch, von einem Boten überbrachte Einladungen zum Essen, deren Duft einen weiblichen Absender nahelegen. Mit den Dingen kommt die Angst, das Leben zu verlieren, das ihr Mann ihr ermöglicht; mit der Angst kommen die Erinnerungen an die Vergangenheit. Kamila Andinis "Before, Now and Then" rückt, zurückgenommen und elegisch, eine Protagonistin ins Zentrum, der die Zeit mitgespielt hat. Indonesien wurde in den 1950er und 1960er Jahren von einer Reihe von Konflikten durchbebt, die im Leben Nanas Spuren hinterlassen haben. Ihr Mann wurde von Guerrillas in den Wald verschleppt, ihr Vater ermordet und sie selbst konnte sich nur durch Flucht davor retten, von einem der Anführer in eine Ehe gezwungen zu werden. Das Leben auf der Plantage auf Java, umgeben von ihrem Mann, ihren Kindern und der Haushälterin, bietet eine fragile Stabilität.

Die Dinge entwickeln sich langsam in "Before, Now and Then". Elegante Lieder indonesischer Musiker erklingen auf der Tonspur. Wie sie gleiten die Bilder, aus denen der Film seine Geschichte montiert, dahin. Die Szenen sind angefüllt mit alltäglichen Verrichtungen. Haare werden geschnitten und gekämmt, Blumen drapiert und Essen serviert. Daneben werden Sätze gewechselt, die jeden Konflikt weiträumig umgehen. Die Mitarbeiter der Plantage sprechen abends mit gesenkter Stimme von den Verhaftungen von Menschen, die als Kommunisten verleumdet wurden. Die Dialoge zeugen von den Konfliktlinien: Das Wispern über die Verfolgung von den Dramen der großen Politik, Nanas zaghafte Anregungen an ihren Mann und dessen knappe Reaktionen von der alltäglichen Politik der Geschlechter.



Bei einer Fahrt in die Stadt erkundigt sich Nana nach der Betreiberin der Fleischerei, Frau Ino. Wortlos beobachtet sie die Frau, deren Namen immer häufiger in ihrem Haushalt fällt, um dann zu Hause deren Fleischgeschenk zuzubereiten. Als sich die Wege der beiden Frauen schließlich kreuzen, erweist sich die Verlustangst bald als unbegründet. Zwischen Nana und Ino (Laura Basuki) entsteht eine Freundschaft, die Nana eine ungeahnte Freiheit aufzeigt.

Kamila Andinis fünfter Langfilm setzt derzeit seinen Siegeszug durch die internationalen Filmfestivals fort. "Before, Now and Then" wurde im Februar im Rahmen des Wettbewerbs der Berlinale uraufgeführt, Laura Basuki, die Ino spielt, wurde mit dem Silbernen Bären für die beste Nebendarstellerin ausgezeichnet. Die Ausstattung ist opulent, doch die Bilder von Kameramann Batara Goempar schwelgen nicht in dieser Opulenz, sondern nutzen sie als schlichten Hintergrund, nehmen sie nicht selten aus dem Fokus. Die Ausstattung bleibt trotz ihrer Fülle Umgebung für die Figuren. Es geht nicht darum, die historische Fiktion einer vergangenen Welt zu rekreieren, sondern einen Eindruck von den Daseinsbedingungen der Figuren des Films zu geben.

Andini hat einen empathisch-elegischen Film gedreht, der sich vollständig auf seine Protagonistin konzentriert und zeigt, wie diese im Prozess einer Emanzipation durch alle familiären und politischen Konfliktlinien hindurch Sicherheit und Freiheit ausbalanciert. "Before, Now and Then" war einer der stärkeren Filme in einem durchwachsenen Berlinalewettbewerb und es ist ein Glück, dass er nun regulär in den Kinos zu sehen ist.

Fabian Tietke

Before, Now & Then - Indonesien 2023 - OT: Nana - Regie: Kamila Andini - Darsteller: Happy Salma, Laura Basuki, Arswendy Bening Swara, Ibnu Jami, Rieke Diah Pitaloka - Laufzeit: 103 Minuten.