Essay

Historikerstreit 2.0 - eine Chronologie

Von Thierry Chervel
20.06.2021. Von der Mbembe-Debatte über das Papier der "Initiative GG 5.3 Weltoffenheit" bis zur "Jerusalem Declaration" und A. Dirk Moses' Spott über den "Katechismus der Deutschen": Die Saison 20/21 wird nicht nur als die der Coronakrise in die Geschichte eingehen, sondern auch als Moment eines (zumindest eifrig betriebenen) Paradigmenwechsels in der Debatte über den Holocaust. Im ersten Historikerstreit hatte Ernst Nolte den Holocaust als "asiatische Tat" relativiert. Die Protagonisten des zweiten Historikerstreits stellen die Bedeutung des Holocaust von links, aus der Warte des Postkolonialismus, in Frage. Ein Überblick über die wichtigsten Texte der Debatte.
Wirklich wichtige Debatten werden im Lauf der Zeit unübersichtlich. Die "Mbembe-Debatte" fing unauffällig an. Sie wurde überdies in diesem vermaledeiten Internet, durch die Ruhrbarone, lanciert, was in den Leitmedien nicht unbedingt gern erwähnt wird. Und sie hatte Phasen: Die Kritik an Achille Mbembe wegen seiner antiisraelischen Äußerungen zeigte, dass es offenbar einen Widerspruch zwischen Teilen der Medien und der Politik einerseits und den Institutionen und Universitäten andererseits gab. Einige Medien hielten noch an der Idee fest, dass es einen israelbezogenen Antisemitismus gibt. Die Chefs und Chefinnen großer Kulturinstitutionen fürchten dagegen, den Anschluss zu verlieren, denn in vielen Leitmedien und Universitäten Großbritanniens und der USA gilt es längst als ausgemachte Sache, dass Israel ein kolonialistischer und Apartheidsstaat sei. Die deutschen Institutionen forderten als "Initiative gg 5.3. Weltoffenheit" ihren Souverän darum auf, seine Meinung über israelbezogenen Antisemitismus zu revidieren, die er in der BDS-Resolution verkündet hatte. Es folgte eine "Jerusalem Declaration on Antisemitism", diesmal wesentlich internationaler aufgestellt, die Israelboykott nun als "nicht per se" antisemitisch entlastete. Die Jerusalem Declaration präsentiert sich mit einigem Aplomb als Alternative zur Definition der "International Holocaust Remembrance Alliance" (IHRA), auf die sich die BDS-Resolution des Bundestags bezieht. Den finalen Coup versetzte der australische Genozidhistoriker A. Dirk Moses der deutschen Debatte, indem er das schon seit Monaten herumgeisternde Argument, die Deutschen betrieben so etwas wie einen "Schuldkult" - ursprünglich ein Argument der extremen Rechten - für postkoloniale Zwecke recyclete und zum "Katechismus der Deutschen" erklärte, der nunmehr abzuschaffen sei. Die "Katechismus-Debatte" resümieren wir im zweiten Teil der Chronologie.

Wie auch immer man zu der Debatte steht - wir versuchen hier einen nützlichen Überblick zu geben. Sollten wir schwerwiegende Interventionen übersehen haben, sind wir für Hinweise dankbar. Den zweiten Teil der Chronologie werden wir aktualisieren.

Thierry Chervel


Chronologie der Mbembe-Debatte


19. März 2020

Stefan Laurin macht bei den Ruhrbaronen darauf aufmerksam, dass Achille Mbembe, der bei der Ruhrtriennale 2020 die Eröffnungsrede halten sollte, ein aktiver Unterstützer der Israelboykottkampagne BDS ist: "Mbembe gehörte 2010 zu den Unterzeichnern des 'Academic boycott of Israel', der ein Teil der BDS-Kampagne ist und Israel durch wirtschaftliche, finanzielle und wissenschaftliche Isolation zerstören will. Der Bundestag hat die BDS-Kampagne als antisemitisch verurteilt."


23. März


Lorenz Deutsch, FDP-Abgeordneter im Landtag NRW protestiert in einem offenen Brief an die damalige Leiterin der Ruhrtriennale, Stefanie Carp, gegen diesen prominenten Auftritt Mbembes. Deutsch kritisiert das BDS-Engagement Mbembes aber auch seinen Vergleich israelischer Politik mit der südafrikanischen Apartheid. "Für antisemitische 'Israelkritik', Holocaustrelativierungen und extremistische Desinformation darf eine Veranstaltung des Landes NRW keine Bühne bieten. Ich bitte Sie daher dringend, die ausgesprochene Einladung zu überdenken." Die Jüdische Allgemeine greift Deutschs Vorwürfe am 26. März auf.


6. April


Christiane Hoffmans und Stefan Laurin erneuern die Vorwürfe gegen Mbembe in der Welt und erinnern an die Einladung der BDS-Band Young Fathers zur Ruhrtriennale, die bereits im Jahr 2018 für Ärger gesorgt hatte. Die Band sagte letztlich ab.


14. April

Erste Erwähnung der Diskussion in der Perlentaucher-Presseschau.


15. April

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung Felix Klein übt in der WAZ (nicht online) scharfe Kritik an der Einladung Mbembes bei der Ruhrtriennale. Seine Äußerung ist es, die der Debatte eine wesentlich breitere Bühne schafft. Sein Statement  gegenüber der Funke Mediengruppe im Wortlaut: "Die Ruhrtriennale ist eines der wichtigsten Kulturfestivals in Deutschland. Die Eröffnungsrede für eine solch bedeutende Veranstaltung zu halten ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass das Festival mit öffentlichen Geldern finanziert wird. Es sollte daher eine Person dafür ausgewählt werden, die dieser Verantwortung gerecht wird - und nicht in der Vergangenheit bereits durch die Relativierung des Holocaust aufgefallen ist. Genau das trifft aber auf den Geisteswissenschaftler Achille Mbembe, der  für die Eröffnungsrede vorgesehen ist, zu. Achille Mbembe hat in seinen wissenschaftlichen Schriften nicht nur den Staat Israel mit dem Apartheidssystem Südafrikas gleichgesetzt, was einem bekannten antisemitischen Muster entspricht. Er hat in seinen Schriften das Existenzrecht Israels in Frage gestellt und überdies auch das Apartheidssystem Südafrikas mit dem Holocaust verglichen - was sich angesichts der beispiellosen Verbrechen in der NS-Zeit und insbesondere angesichts der historischen Verantwortung Deutschlands dafür, verbietet. Aus diesem Grund ist Herr Mbembe aus meiner Sicht nicht geeignet, um die Eröffnungsrede der Ruhrtriennale zu halten. Sein Auftritt bei diesem wichtigen Kulturfestival würde unserem Land politischen Schaden zufügen."


17. April

Patrick Bahners greift die Diskussion in der FAZ auf, schildert die vielen Auszeichnungen und ehrenvollen Gastprofessuren Mbembes und zitiert vor allem Stimmen, die Mbembe verteidigen: "Achille Mbembe, ein notorischer Relativierer des deutschen Völkermords an den Juden? Den akademischen und kulturellen Institutionen, die Mbembe nach Deutschland einluden, ist der aus Kamerun gebürtige Autor von 'De la postcolonie', der seit 2001 eine Professur an der Witwatersrand-Universität in Johannesburg bekleidet, nicht wegen entsprechender Äußerungen aufgefallen."


20. April

Die Debatte hat Fahrt aufgenommen, Schwerpunkt in der Perlentaucher-Presseschau. In der SZ verteidigt Jörg Häntzschel den kamerunischen Autor. Alan Posener in der Welt und Jürgen Kaube in der FAZ sind sehr kritisch. (Alle Links, sofern möglich, finden sich dort.)


21. April

Mbembes Aussagen zu Israel sind noch drastischer als bisher bekannt. Stefan Laurin von den Ruhrbaronen hat in dem Buch "Apartheid Israel - The Politics of an Analogy", zu dem Mbembe das Vorwort verfasst hat, nachgelesen. Dort schreibt Mbembe: "Die Besetzung Palästinas ist der größte moralische Skandal unserer Zeit, eine der entmenschlichendsten Torturen des Jahrhunderts, in das wir gerade eingetreten sind, und der größte Akt der Feigheit des letzten halben Jahrhunderts." (Unser Resümee.)


23. April

Die Ruhrtriennale ist inzwischen wegen Corona abgesagt, aber die Diskussion geht weiter. Die Zeit bringt eine Erwiderung Mbembes auf seine Kritiker, namentlich den FDP-Politiker Lorenz Deutsch und den Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung Felix Klein. Mbembe legt ausführlich dar, dass er den Holocaust als eine Art Verlängerung zuvor verübter kolonialer Verbrechen sieht. (Unser Resümee)


25. April



Mbembe ist nur ein Symptom für jene "postcolonial studies", die die Welt einzig auf das Gut-Böse-Schema des Antirassismus reduzieren und den Antisemiismus überhaupt nicht denken können. Allenfalls reihen sie ihn als Unterform in ihre Theorie des Rassismus ein, schreiben Meron Mendel und Saba-Nur Cheema vom Frankfurter Anne-Frank-Zentrum in der taz. (Unser Resümee.)


2. Mai

In der taz antworten Amos Goldberg und Alon Confino in der Debatte auf den Text von Meron Mendel und Saba-Nur Cheema (unser Resümee).


4. Mai

Zweiter Schwerpunkt (alle Links dort) zur Debatte in der Perlentaucher-Presseschau. Unter anderem zirkulieren zwei Petitionen von Universitätsleuten gegen Felix Klein. Israelische Akademiker fordern seine Absetzung. Im zweiten Schreiben verteidigen prominente Wissenschaftler, darunter die Assmanns, Micha Brumlik, Wolfgang Benz, wieder Eva Illouz, Andreas Eckert und Susan Neiman Mbembes Apartheid-Vergleiche. Aleida Assmann warnt in der Berliner Zeitung vor einem falschen Antisemitismusbegriff.


6. Mai

Mbembe hat nicht nur für BDS-nahe Publikationen geschrieben, etwa im Jahr 2015, er hat im Jahr 2018 auch aktiv an der Ausschließung einer israelischen Forscherin von einer Konferenz mitgewirkt, indem er sein eigenes Fernbleiben androhte, schreibt Ben Cohen im Blog Mena-Watch (unser Resümee).


7. Mai

Eva Illouz und Stefanie Carp verteidigen Mbembe gegen Klein (unser Resümee).


8. Mai

Carp veröffentlicht eine Verteidigung Mbembes auf Nachtkritik (unser Resümee).


9. Mai

Der Historiker Thomas Weber macht in der FAZ auf einen Text Mbembes über "Israel, die Juden und wir" aus einer Kameruner Zeitung von 1992 aufmerksam. Mbembe wirft Israel "Wiederholung des Verbrechens" vor. (unser Resümee.)


11. Mai

Mbembe hatte in einer kamerunischen Zeitschrift eine Entschuldigung von seinen Kritikern gefordert. Jürgen Kaube macht in der FAZ auf diesen Text aufmerksam und kritisiert Mbembes universitäre Unterstützer (unser Resümee).


12. Mai


Mbembe schickt der taz einen sehr milden, versöhnenden "Brief an die Deutschen", in dem er zwar auf das Thema Israel eingeht, aber nicht direkt auf die Kritik an seinen Äußerungen (eine Entschuldigung verlangt er aber nach wie vor). (Unser Resümee.)


13. Mai

Eine weitere Mbembe-Verteidigung in der taz durch Charlotte Wiedemann. Und in geschichtedergegenwart.ch problematisiert Caspar Battegay Mbembes Begriff der Versöhnung (unser Resümee).


15. Mai

In der Welt äußert sich die israelische Psychologin Shifra Sagy, die von Mbembe einst im Rahmen einer BDS-Aktion ausgeladen wurde. Sonja Zekri konstatiert in der SZ: Deutschland ist in seiner Betrachtungsweise des Holocaust in einer Zeit vor den Postkolonialismusstudien stecken geblieben. Claus Leggewie kritisiert Mbembe.(Unser Resümee.)


19. Mai

700 afrikanische Intellektuelle sprechen sich für Mbembe aus. Spiegel-Autor Tobias Rapp wendet sich gegen die Behauptung, die idee der Einzigartigkeit des Holocaust sei so etwas wie eine deutsche Marotte der Vergangenheitsbewältigung (unser Resümee).


20. Mai

Felix Klein will sich nicht bei Mbembe entschuldigen, sagt er in der Zeit (unser Resümee).


23. Mai

Nochmals Claus Leggewie im Freitag (unser Resümee.)


24. Mai

Essay von Perlentaucher Thierry Chervel: "Die Mbembe-Debatte ist ein Historikerstreit mit umgekehrten Vorzeichen: Heute sind es Linke, die den Blick auf den Holocaust abschwächen wollen. Achille Mbembe findet für die Neuformulierung der Geschichte viele Bündnispartner und -partnerinnen in den Universitäten."

Wenn die Bundesrepublik an ihrer Position zum Holocaust festhält, macht sie sich einer intellektuellen Abschottung Deutschlands schuldig, sagt Stephan Detjen, Chefkorrespondent im Hauptstadtstudio des Dlf. Darauf antwortet Alan Posener auf starke-meinungen.de (unser Resümee).


2. Juni

Aleida und Jan Assmann veröffentlichen im Perlentaucher Repliken auf Thierry Chervels Essay. Aleida Assmann nennt den Streit um Mbembe eine "gefährliche Nebelbombe", die von der Aufgabe der Antisemitismusbekämpfung ablenke. Jan Assmann wendet sich gegen die "Einflussnahme staatlicher und interessierter Kreise auf das kulturelle Leben unseres Landes". (unser Resümee.)


8. Juni

Der Fehler in der Mbembe-Debatte liegt für den in der FAZ schreibenden Rechtsprofessor und Dekolonialisierungsforscher Ralf Michaels darin, dass die Deutschen ihre Sicht auf den Holocaust angeblich universalisieren wollen (unser Resümee).
 

11. Juni

"Die heutige Sicht auf den Holocaust ist keineswegs eine deutsche Errungenschaft, im Gegenteil: die Deutschen mussten mit der Nase in das Unheil gesteckt werden, das sie angerichtet hatten", antwortet Thierry Chervel im Perlentaucher auf Ralf Michaels (unser Resümee).


16. Juni

Thomas Schmid geht in der Welt nun auch auf die Mbembe-Debatte ein und attackiert vor allem Aleida Assmann (unser Resümee).


19. Juni

In der SZ plädiert Migrationsforscher Mark Terkessidis ähnlich wie Mbembe dafür, Rassismus und Holocaust in eine große Generalerzählung von Kolonialismus einzubetten. (Unser Resümee.)


25. Juni

Andreas Kilb unterhält sich mit dem Historiker Wolfgang Reinhard, Autor von "Die Unterwerfung der Welt - Globalgeschichte der europäischen Expansion 1415-2015", über die Mbembe- und Postkolonialismus-Debatte. Israel kritisiert er als koloniale Gründung. Aber auch die Idyllen des Postkolonialismus bleiben bei Reinhard nicht unangekratzt (unser Resümee).


27. Juni

Aleida Assmann antwortet in der Welt auf Thomas Schmid, der ihr Relativierung des Holocaust vorgeworfen hatte (unser Resümee).


13. Juli

Die Mbembe-Debatte ist immer noch nicht zu Ende. Nun melden sich die Germanistin Irit Dekel und die Anthropologin Esra Özyürek in Zeit online zu Wort, die im Antisemitismusvorwurf gegen Mbembe ein "perfides Ablenkungsmanöver" sehen. Stefan Laurin antwortet in den Ruhrbaronen. (Unser Resümee)


14. Juli

Für das Blog starke-meinungen.de liest Alan Posener Achille Mbembes Aufsatz "Nekropolitik" (hier auf Englisch als pdf-Dokument) und entdeckt, dass Mbembes Antisemitismus der Tat (Verhindern des Auftritts einer israelischen Forscherin im Namen von BDS) auf einem Antisemitismus des Denkens beruht - Israel sei für Mbembe der ultimative Ausdruck jener Nekropolitik, die man zur Not auch mit Selbstmordattentaten bekämpft. Dahinter dämmert für Posener ein Geschichtsbild, das bestreitet, "dass der NS-Staat einmalig sei. Vielmehr sei das Zusammenfallen von Krieg und Politik, Rassismus, Mord und Selbstmord, die Sicht auf den Anderen als tödliche Bedrohung, die 'biophysisch eliminiert' werden muss, 'charakteristisch für die frühe und späte Moderne selbst'." (Unser Resümee).


5. August


Die SZ druckt die Rede, die Mbembe auf der Ruhrtriennale gehalten hätte, wenn die nicht abgesagt worden wäre. (unser Resümee).


24. August

Die Ruhrbarone transkribieren ein Dlf Kultur-Interview mit Stefanie Carp, die Mbembe verteidigt: "Die Beschuldigung, er sei antisemitisch oder BDS-Unterstützer und was auch immer, war absolut infam und gelogen. Eine ganz infame Intrige auch seitens des Antisemitismus-Beauftragten." (Unser Resümee).


23. September

Michael Rothberg, dessen Buch "Multidirektionale Erinnerung" großen Einfluss auf die postkoloniale Sicht auf den Holocaust hat, vergleicht in geschichtedergegenwart.ch die Mbembe-Debatte mit dem Historikerstreit von 1986 (unser Resümee).


11. Dezember

Beraten unter anderem von Aleida Assmann, Andreas Görgen vom Auswärtigen Amt und und dem Dlf-Journalisten Stephan Detjen wendet sich eine große Zahl höchster Kulturfunktionäre unter dem Titel "Plädoyer der 'Initiative GG 5.3 Weltoffenheit" gegen den BDS-Beschluss des Bundestags. Der Text ist ausgerechnet auf der Website des Humboldt-Forums veröffentlicht. (Hier auch als pdf-Dokument.) Der Perlentaucher setzt einen Schwerpunkt in seiner Presseschau. Die Initiative bezieht sich explizit auf die Mbembe-Debatte, fordert den Bundestag auf, seinen BDS-Beschluss zu revidieren und befürwortet die Einladung von Künstlern, die für die Israelboykottbewegung BDS eintreten. Die SZ begrüßt die Initiative: ein "kulturpolitisches Erdbeben".


16. Dezember

Hunderte von Künstlern und Autorinnen, darunter sehr prominente Namen, treten dem Plädoyer der "Initiative Weltoffenheit" in einem weiteren Aufruf zur Seite. Die Künstler verurteilen "die ungeheure Nachlässigkeit des deutschen Staates, wenn es darum geht, die deutsche Täterschaft für vergangene koloniale Gewalt anzuerkennen. Der Kampf gegen Antisemitismus kann nicht nach Belieben von parallelen Kämpfen gegen Islamophobie, Rassismus und Faschismus entkoppelt werden. Nachdrücklich lehnen wir die Monopolisierung von Unterdrückungserzählungen durch Staaten wie Deutschland ab, die historisch Unterdrücker waren." (Unser Resümee.)


18. Dezember

Die Debatte weitet sich durch die Aufrufe zu einer Debatte über das Existenzrecht Israels aus.

In der Debatte muss eine grundsätzliche Frage gestellt werden, schreibt der israelische Philosoph Omri Boehm in einem langen Gastbeitrag für Zeit Online: "Ist es antisemitisch, Israels Existenzrecht als jüdischer Staat zu bestreiten?" Nein, meint er: "Verlangt 'Weltoffenheit' effektiv das Recht, Antisemitismus durch öffentliche Institutionen zu fördern? Die Antwort ist ein klares Nein." (Unser Resümee).


19. Dezember

In der Welt (und seinem Blog) ist Thomas Schmid empört über die Dreistigkeit, mit der sich die "Initiative GG 5.3 Weltoffenheit" - "ein Who's Who der staatlich nicht schlecht subventionierten Kultur- und geisteswissenschaftlichen Institutionen" Deutschlands - als verfemte Samisdatgruppe gebärdet, nur weil der Bundestag "keine Staatsknete für BDS-Aktivitäten" rausrücken will, unser Resümee.


20. Dezember

Perlentaucher Thierry Chervel interviewt Felix Klein, den Antisemitismusbeauftragen der Bundesregierung, zum "Weltoffen"-Aufruf "Es ist schon ein Widerspruch, dass Leute, die 'Weltoffenheit' fordern, ausgerechnet eine Gruppe unterstützen, die Weltoffenheit verhindert".


28. Dezember

Der Perlentaucher bringt in seiner Presseschau einen weiteren Schwerpunkt zum "Weltoffen"-Aufruf: Zitiert wird unter anderem ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags, das bestätigt, dass von dem BDS-Beschluss des Bundestags keinerlei bindende Wirkung ausgeht. Verschiedene Stimmen kommentieren den "Weltoffen"-Aufruf. (Alle Links und unser Resümee.)


4. Januar 2021

Alan Posener geht bei starke-meinungen.de die Positionen des Papiers der IntendantInnen nochmal durch und findet sie in vieler Hinsicht problematisch (unser Resümee).


5. Januar

Aleida Assmann resümiert im Merkur die Mbembe-Debatte und fordert, dass nur der richtige Antisemitismus bekämpft wird. "Insgesamt hat die Verlagerung des Schwerpunkts der Antisemitismus-Bekämpfung durch BDS und IHRA dazu geführt, dass das Bedrohungspotenzial inzwischen weniger im rechtsradikalen Spektrum als im Milieu von linken und liberalen Intellektuellen gesucht wird." (Unser Resümee.)


1. März

Claudius Seidl setzt sich in der FAS mit Theorien auseinander, die den Holocaust irgendwie in eine größere Kolonialgeschichte ein- und vor allem unterordnen wollen. Unter anderem kommt er auf die Mbembe-Debatte zurück und zitiert Michael Rothbergs Buch über "Multidirektionale Erinnerung", das nun auf deutsch übersetzt wurde.

4. März

Perlentaucher Thierry Chervel antwortet auf Aleida Assmanns Merkur-Artikel zur Mbembe-Debatte. Sie wendet sich dort gegen "Meinungspolizisten", die einen falschen Antisemitismusbegriff durchsetzen wollten, um "rechte Allianzen" zu schmieden, und sucht ein "Sowohl als auch" gemeinsamen Gedenkens im postkolonialen Zeichen. Chervel sieht das kritisch: "Assmann möchte sowohl die 'Singularität' des Holocaust anerkennen als auch Positionen zulassen, die sie negieren oder für sich reklamieren."


6. März

Sehr kritisch setzt sich Tania Martini in der taz mit Michael Rothbergs Begriff der "multidirektionalen Erinnerung" auseinander (unser Resümee)


17. März

Als einen neuen Historikerstreit will Charlotte Wiedermann in der taz die aktuelle Debatte um Achille Mbembe und co. nicht bezeichnen, und die Singularität des Holocaust will sie persönlich gar nicht in Zweifel stellen, es sei denn doch: "Problematisch ist der Begriff Singularität .., wenn daraus eine Exklusivität jüdischer Opfer resultiert." (Unser Resümee.)


27. März


In einer "Jerusalem Declaration" haben zweihundert Wissenschaftler eine neue Definition des Antisemitismus vorgelegt, berichtete Christiane Habermalz im Deutschlandfunk. Vor allem in Bezug auf den israelbezogenen Antisemitismus unterscheidet sie sich deutlich von der Definition, die 2016 von der International Holocaust Remembrance Alliance verfasst wurde. Israelboykott und ähnliche Positionen gelten der Definition als "nicht per se" antisemitisch.


8. April

Thomas Schmid zerpflückt in der Zeit (online in seinem Blog) ein weiteres Mal die von Jürgen Zimmerer und Michael Rothberg vorgebrachte These, der Holocaust stehe in einer Linie mit den Kolonialverbrechen (unser Resümee).


31. Mai

Die "Jerusalem Declaration on Antisemitismus" dient nach dem Eindruck des Politologen Lars Rensmann geradezu dazu, aktuelle Formen des Antisemitismus von eben diesem Vorwurf freizusprechen. Selbst extreme Formen der "Israelkritik" gelten ihr als "nicht per se" antisemitisch, schreibt Rensmann in belltower.de, dem Magazin der Amadeu-Antonio-Stiftung. (Unser Resümee).


Zweiter Teil: Die Debatte um A. Dirk Moses "Der Katechismus der Deutschen".