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Inzwischen ein Weltstar

Über Bücher, Bilder und Ausstellungen Von Peter Truschner
15.02.2023. Wenn im Salzburger Land gerade nicht genug Schnee zum Skilaufen liegt, empfiehlt sich ein Besuch im Museum der Moderne: Hier wird die erste Einzelausstellung des afrikanischen Fotokünstlers Samuel Fosso in einem deutschsprachigen Museum gezeigt. Sie zeichnet sehenswert den Weg Fossos vom gewitzten Selbstdarsteller afrikanischer Identitäten zum Vogue-kompatiblen Großformatkünstler nach.
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Winterurlaub in Salzburg bedeutet immer: Glück mit dem Schnee haben. Liegt überhaupt Schnee? Oder schneit es dermaßen, dass an Schifahren nicht zu denken ist, und man schon wieder nach Hause fährt, bevor schließlich die Sonne durchbricht und nachts die große Kälte kommt, deren Zusammenspiel die lockeren Neuschneemengen griffig macht?

Ist Letzteres der Fall, so sollte das Alternativprogramm aktuell unter anderem einen Besuch des Museums der Moderne in der Landeshauptstadt vorsehen, von dessen Terrasse man einen wunderbaren Blick über Altstadt und Salzach hinweg auf den gegenüber liegenden Gaisberg hat, dessen verschneite Konturen an den Fujiyama denken lassen.

Im Inneren gibt es noch bis zum 10. April die erste Einzelausstellung des afrikanischen Fotokünstlers Samuel Fosso in einem Museum im deutschsprachigen Raum zu sehen. Die Eröffnung der Ausstellung überschnitt sich zeitlich mit der anderen Fosso-Retrospektive "Der Mann mit den tausend Gesichtern" in der Walther Collection in Neu-Ulm, der ersten Adresse für afrikanische Fotografie in Deutschland.
Die Walther Collection hat auch eine Niederlassung in New York, wo es bereits 2014 eine umfangreiche Präsentation von Fossos Werk zu sehen gab.

Sechs Jahre zuvor zeigte das New Yorker "International Center of Photography" die von Okwui Enwezor kuratierte Ausstellung "Snap Judgements - New Positions in Contemporary African Photography", Enwezors 35 Seiten langer, historischer Abriss ist auch heute mit die besten Einführung, die es dazu gibt. Er konnte es sich dabei leisten, diejenigen wegzulassen, die sich schon auf der Erfolgsspur befanden oder bereits etabliert waren wie David Goldblatt, Pieter Hugo oder die beiden Altmeister der (westafrikanischen) Studiofotografie, Seydou Keita und Malick Sidibé.

Wiederum elf Jahre zuvor, 1997, zeichnete Enwezor mitverantwortlich für die Ausstellung "In/Sight: African Photographers, 1940 to the Present" im Guggenheim Museum, in der Arbeiten von Keita, Sidibé und Fosso zu sehen waren.
 
Ich führe das deshalb aus, weil es naive Naturen gibt, die glauben, der aktuelle Boom der afrikanischen Kunst sei eine Reaktion auf #blacklivesmatter und die Ermordung von George Floyd. In Wahrheit stand die afrikanische Kunst längst auf der Agenda, sondierten KunsthändlerInnen und KuratorInnen spätestens seit Anfang der Zehnerjahre den Markt - #blacklivesmatter entfaltete da lediglich die Wirkung eines Brandbeschleunigers, verursachte eine Eruption, die nicht nur ein gutes Geschäft, sondern nebenbei auch das Image versprach, zu den Guten zu gehören.

© Samuel Fosso, Museum der Moderne  Salzburg, Walther Collection


Im Jahr der Guggenheim Ausstellung hatte Larry Gagosian bereits die bemerkenswerte Weitsicht, Seydou Keita eine Einzelpräsentation in seiner Galerie zu geben. Es war also im Grunde angerichtet - warum blieben die Gäste dem afrikanischen Festschmaus dennoch überwiegend fern? Die Gründe dafür sind auch in einer unausweichlich verkürzenden Darstellung klar zu benennen.

Der Kunstmarkt war noch nicht global durchgetaktet, die Gleichzeitigkeit von Ausstellung im Guggenheim Museum und bei Gagosian konnte außer bei Insidern noch keine Signalwirkung entfalten. Zudem waren die Europäer nach dem Fall der Mauer mit sich selbst beschäftigt. Berlin war ab Mitte der neunziger Jahre "The Place to Be", Künstler wie Ai Weiwei und Olafur Eliasson ließen sich in weiterer Folge hier nieder.

Der Trendsetter dieser Zeit war außerdem noch nicht Gagosian, sondern Saatchi in London. Die Ausstellung "Sensations - Young British Artists from The Saatchi Collection" ging durch die Decke. Ich kenne keine damaligen "emerging artists", die nicht in die von der Royal Academy of Arts übernommene Ausstellung im Hamburger Bahnhof gingen, den bei Cantz (damals noch ohne "Hatje") erschienen Katalog kauften und eifrig darüber diskutierten.

In der Fotografie setzen sich im weiteren Verlauf Künstler wie Wolfgang Tillmans oder Adam Broomberg nach London ab, wo zu dieser Zeit das globale Kapital unreguliert in den Kunstmarkt zu fließen begann und Karrieren gemacht wurden. Jürgen Teller und Terry Richardson bedienten den angesagten "Heroin-Chic" (Motto: auf den ersten Blick grindig, aber doch von Dior).

Im gediegenen Segment regierte (im Grunde leider bis heute) die Becher-Schule: In den USA freute man sich, bei Thomas Struth Einflüsse von Shore, Eggleston und Co. zu erkennen., während Gurskys Formate gewinnbringend die Größe der Egos von Oligarchen und anderen Besitzbürgern spiegelten.

©Samuel Fosso, Walther Collection, Museum der Moderne Salzburg


Der erste konzertierte Heuschreckenflug der Sorte "Kunst als Investmentfonds" führte danach wieder nicht nach Afrika, sondern nach China während dessen nach außen hin ungehemmt turbokapitalistischer Phase. Die Gier war so groß, dass am Höhepunkt dieser kulturellen Wühltisch-Stampede in Peking leer stehende Fabrikgebäude instand gesetzt und Leute von der Straße weg angestellt wurden, um die Nachfrage nach chinesischer Gegenwartskunst welcher Art auch immer zu bedienen.

Im 2010 eröffneten Zollfreilager Singapur wurden von den vorhandenen 25.000 Quadratmetern Lagerfläche damals allein 40 Prozent von "Christie's Fine Art Storage Services" genutzt.

Heute, da die Stunde der afrikanischen Kunst geschlagen hat, geht es nicht mehr so hektisch und raubtierhaft zu. Logistik und Infrastruktur haben sich verzweigt und ausdifferenziert, die PR-Maschinerie läuft wie geschmiert, und die meisten Medien begleiten die Ereignisse im üblich gewordenen Escort-Modus.

Der 1962 in Kamerun geborene Samuel Fosso, der lange in der Zentralafrikanischen Republik lebte und arbeitete, braucht keine Medienmaschine mehr, es kann ihm auch egal sein, ob er eine Einzelausstellung in einem deutschsprachigen Museum hat oder nicht. Er ist mit seinen akribisch vorbereiteten und in Szene gesetzten Selbstporträts inzwischen ein Weltstar geworden, vor allem mit den Bildern der letzten Jahre, wo er in die Rolle von Mao schlüpft oder einen schwarzen Papst verkörpert.

Davor hat er sich in der Serie "African Spirits" die Ikonen der afrikanischen Unabhängigkeitsbewegungen und der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung gewidmet ist, als Muhammad Ali, Martin Luther King oder Patrice Lumumba in Szene gesetzt.

Alles in allem eine vordergründige Angelegenheit, die der Wichtigkeit und Relevanz der Dargestellten und ihrer Anliegen nichts Neues hinzufügt - auch wenn findige KuratorInnen gerne darauf hinweisen, dass Fosso Kleinigkeiten verändert und Verschiebungen vornimmt - so sieht man etwa im Hintergrund auf einem Mao Bild auf rotem Stoff nicht fünf Sterne, sondern den afrikanischen Kontinent. Naja.

Ungleich gewitzter und vielschichtiger sind ältere Arbeiten, etwa die Serie "Tati" (1997), in der er Typen der globalisierten afrikanischen Diaspora einfängt und ihnen vorführt, was sie geblieben oder aber geworden oder aber doch nicht geworden sind: "der Rocker", "der Golfer", "die befreite (schwarze) amerikanische Frau der siebziger Jahre"; "der Stammesführer, der Afrika an die Kolonialisten verkauft hat".

Schon die frühen Selbstporträts der siebziger Jahre zeigen dieses kritisch-pointierte Potenzial, wo es neben unzähligen Fotos, in denen es Fosso darum geht, ebenso cool rüberzukommen wie der von ihm verehrte James Brown, auch solche gibt wie das, auf dem er einfach ein hübscher, lächelnder Junge ist, der jedoch dieselbe Brille wie Malcolm X und ein buntes, ärmelloses T-Shirt trägt, auf dem der große Kopf des Diktators Bokassa zu sehen ist, der von 1966 bis 1977 die Zentralafrikanische Republik blutig regierte.

© Samuel Fosso, Walther Collection






















Obwohl für mich persönlich "Le Rêve de mon Grand-Pére / Der Traum meines Großvaters" aus dem Jahr 2003 die letzte wirklich interessante Arbeit von Fosso darstellt (die meisten Arbeiten danach taugen gut als Fotostrecke in der Vogue oder für eine Werbekampagne von Yves Saint Laurent): wer die Arbeiten noch nie gesehen hat oder mal in Ruhe Fossos Entwicklung nachvollziehen möchte - ab nach Salzburg!

Peter Truschner
truschner.fotolot@perlentaucher.de