An den
Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages
Platz der Republik 1
11011 Berlin

Betr.: Deutsches Patent- und Markenamt als Aufsichtsbehörde über Verwertungsgesellschaften nach Urheberrechtswahrnehmungsgesetz (UrhWG)


Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,

vorab darf ich mich vorstellen: seit mehr als 20 Jahren engagiere ich mich wissenschaftlich und politisch auf dem Gebiet des Urheberrechts mit dem Ziel einer sozialen Besserstellung der kreativen Berufe. Ich bin Mitautor des führenden, von Prof. Dr. Gerhard Schricker in 3. Auflage herausgegebenen Kommentars zum Urheberrechtsgesetz und habe für verschiedene Regierungen zwischen 1994 und 2002, mitunter in Kooperation mit anderen, mehrere Gesetzentwürfe, Stellungnahmen, Berichte unter anderem ehrenamtlich und zum Teil neben meinem Beruf als Mitglied der Beschwerdekammern und der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts erarbeitet.


I.

In dieser Petition geht es um Verwertungsgesellschaften und ihre staatliche Aufsicht nach dem Urheberrechtswahrnehmungsgesetz. Auf der Grundlage dieses Gesetzes verwalten Verwertungsgesellschaften als Treuhänder solche Rechte und Ansprüche von Urheber- und Leistungsschutzberechtigten nach dem Urheberrechtsgesetz, die faktisch oder rechtlich nur kollektiv wahrgenommen werden können. Dabei lassen sie sich von den Berechtigten die einschlägigen Rechte und Ansprüche einräumen beziehungsweise übertragen. Als Verwalter dieser Rechte und Ansprüche erteilen Verwertungsgesellschaften interessierten Werknutzern Lizenzen, kassieren die von diesen geschuldeten Vergütungen und schütten die Erträge nach Abzug der Verwaltungskosten und unter Berücksichtigung kultureller und sozialer Belange an die Berechtigten aus. Dabei ist es eine Selbstverständlichkeit treuhänderischer Tätigkeit, dass dem Grund und der Höhe nach nur diejenigen an der Ausschüttung einer Verwertungsgesellschaft beteiligt werden können, die ihr auch Rechte oder Ansprüche zur Wahrnehmung übertragen haben. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, darf sie keine Ausschüttungen vornehmen. Damit diese Regeln eingehalten werden und die Berechtigten möglichst uneingeschränkt zu ihrem Geld kommen, hat der Gesetzgeber Verwertungsgesellschaften einer staatlichen Aufsicht unterstellt, die darauf zu achten hat, daß diese nicht gegen ihre vornehmlich treuhänderischen Pflichten nach dem UrhWG verstoßen. Um solche Pflichtverstöße geht es im Folgenden ebenso wie um mangelnde Aufsicht.


II.

Nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern von 2002, an dessen Vorentwurf (sogenannter Professorenentwurf) ich maßgeblich mitgearbeitet habe, unterließen es die Verwertungsgesellschaften VG Bild-Kunst, GEMA und VG Wort (beschränkt) zum Schaden der bei ihnen organisierten Urheber, den neu in das Gesetz aufgenommenen § 63a UrhG in die Praxis umzusetzen. Diese inzwischen wieder geänderte Vorschrift (dazu näher unten III.) bestimmte, dass der Urheber seine gesetzlichen Vergütungsansprüche im voraus nur an eine Verwertungsgesellschaft abtreten kann. Die Abtretung an Dritte, wie etwa seinen Verleger, war damit ausgeschlossen. Ziel der Vorschrift war zu verhindern, dass die Urheber als originäre Rechteinhaber diese Ansprüche ihren wirtschaftlich regelmäßig überlegenen Verlegern, die diese Ansprüche zur Ausübung ihres Verlagsgeschäfts nicht benötigen, in meist vorformulierten Verträgen ohne Gegenleistung abtreten müssen. Da nach § 63a UrhG in der Fassung von 2002 nur noch Urheber Vergütungsansprüche ihrer Verwertungsgesellschaft zur Wahrnehmung übertragen konnten, mussten dort zwangsläufig die Verteilungsquoten für die Urheber drastisch zulasten der Verlegerquoten angehoben werden.

Trotz der sowohl nach ihrem Wortlaut als auch nach ihrem Sinn und Zweck eindeutigen Vorschrift machten die genannten Verwertungsgesellschaften keine beziehungsweise nur symbolische Anstalten, ihre Verteilungspläne den Erfordernissen des § 63a UrhG idF. v. 2002 anzupassen. Die VG Wort, die bis dahin bei wissenschaftlichen Werken 50 Prozent, bei Belletristik 30 Prozent des Aufkommens an Verleger ausschüttete, beschloss wenigstens eine geringfügige Anhebung der Urheberquoten maximal um 12 Prozent (das heißt auf 62 Prozent), blieb jedoch auch damit weit hinter dem zurück, was in manchen Bereichen (etwa Zeitschriften) unmittelbar nach der veränderten Rechtslage geboten war, nämlich 100 Prozent der Ausschüttung an die Urheber. Dies alles geschah ganz offensichtlich mit Billigung der staatlichen Aufsichtsbehörde (Deutsches Patent- und Markenamt) und des Bundesministeriums der Justiz.


III.

Seit dem 1. Januar 2008 gilt ein gegenüber dem von 2002 geänderter § 63a UrhG. Nach der Gesetzesbegründung soll er eine Rechtsgrundlage dafür bieten, die die bis 2002 praktizierte - tatsächlich auch danach fortgesetzte - Beteiligung der Verleger an den Vergütungsansprüchen der Urheber wieder gestattet. Gemäß der Neufassung des § 63a UrhG kann der Urheber zwar auch weiterhin seine Vergütungsansprüche im voraus nur an eine Verwertungsgesellschaft abtreten. Zusätzlich sieht die Vorschrift jedoch vor, dass die Vergütungsansprüche auch von Verlegern in eine Verwertungsgesellschaft eingebracht werden können, wenn diese sich die Vergütungsansprüche zusammen mit der Einräumung des Verlagsrechts haben abtreten lassen und die Verwertungsgesellschaft die Rechte von Urhebern und Verlegern gemeinsam wahrnimmt.

Diese Neuregelung hat die VG Wort veranlasst, ihren Mitgliedern am 19. Januar 2008 Verteilungspläne zur Abstimmung vorzulegen, die die zwischenzeitlich zugunsten der Urheber vorgenommenen geringfügigen Verbesserungen rückgängig machen, indem zu den besagten 1979 beziehungsweise noch früher beschlossenen Verteilungsquoten zurückgekehrt wird.


IV.

Es bestehen schwerwiegende Bedenken, ob die Neufassung des § 63a UrhG die Rückkehr der VG Wort zu den Verteilungsplänen von 1979 erlaubt. Denn danach schüttet die VG Wort regelmäßig auch an solche Leistungsempfänger aus, die überhaupt keine Rechte eingebracht haben. Das darf sie - unabhängig davon, ob sie das schon früher getan hat - aber nicht.

Abgesehen davon beurteilt die höchstrichterliche Rechtsprechung zwischenzeitlich die Statuten der Verwertungsgesellschaften deutlich kritischer und unter Stärkung der individuellen Rechte der Urheber gegenüber ihren Treuhändern (siehe etwa zur Anwendung des § 31 Abs. 4 UrhG auf Wahrnehmungsverträge BGH GRUR 1986, 62/65 - GEMA-Vermutung I; GRUR 1988, 296/298 - GEMA-Vermutung IV). Nach der Rechtsprechung des BGH aus 1989 und den letzten Jahren unterliegen Satzungen von Monopolvereinen, folglich auch die von Verwertungsgesellschaften, einer Angemessenheitsüberprüfung auf ihre Vereinbarkeit mit Treu und Glauben (BGH NJW 1989, 1724 - Spitzenverband der Kreditgenossenschaften). Ferner sind die Wahrnehmungsverträge der Verwertungsgesellschaften, die deren Satzungen und Verteilungspläne in Bezug nehmen, der Inhaltskontrolle nach den Bestimmungen des BGB (§§ 305 ff.) über Allgemeine Geschäftsbedingungen unterworfen (BGH GRUR 2002, 332/333 - Klausurerfordernis; GRUR 2005, 757/759 - Pro-Verfahren; GRUR 2006, 319/321 - Alpensinfonie; dazu ausführlich auch Augenstein, Rechtliche Grundlagen des Verteilungsplans ur-heberrechtlicher Verwertungsgesellschaften, 2004, S. 73 ff.). Genügen sie nach dieser Rechtsprechung den gesetzlichen Anforderungen nicht, sind sie insoweit unwirksam. Das gilt auch dann, wenn die jeweiligen Satzungsbestimmungen mehrheitlich beschlossen worden sind (BGH NJW 1989, 1724/1726). Somit kann - unabhängig von seiner Vereinbarkeit mit § 63a UrhG (neu) - nach dieser Rechtsprechung § 9 Abs. 1 Nr. 3 der VG Wort-Satzung, wonach den Verlegern für ihre verlegerische Leistung ein entsprechender Anteil am Ertrag zusteht, keinen Bestand haben. Denn die Mitgliederversammlung darf nicht ohne Verstoß gegen Treu und Glauben Dritte, die keine Rechte einbringen, an dem Aufkommen der ausgewiesenen Rechteinhaber beteiligen, zumal da diese gesetzlich gezwungen sind, ihre Rechte kollektiv durch eine Verwertungsgesellschaft wahrnehmen zu lassen (vgl. z.B. § 54h Abs. 1 UrhG).


V.

Bezogen auf den hier beanstandeten Fall bedeutet dies: Mit der VG Wort haben - wie ich selbst - ca. 150.000 Autoren, von denen nur eine verschwindend geringe Anzahl auch Mitglieder sind, einen Wahrnehmungsvertrag geschlossen, aufgrund dessen sie ihre Vergütungsansprüche im voraus in die Verwertungsgesellschaft einbringen. Diese Ansprüche können sie folglich nicht mehr an einen Verleger oder an sonstige Dritte abtreten. Sie bringen somit 100 Prozent ihrer Rechte in die VG Wort ein, erhalten aber nach den nunmehr beschlossenen Verteilungsplänen nur 50 Prozent des auf ihre Werke entfallenden Anteils. Die anderen 50 Prozent werden an ihre Verleger ausgeschüttet, denen hinsichtlich dieser Werke jedoch keine (abgetretenen) Ansprüche zustehen können. Zahlungen an sie sind insoweit ohne Rechtsgrund. Dasselbe gilt umgekehrt für diejenigen Verleger, die, gestützt auf die neuerliche Ergänzung des § 63a UrhG, 100 Prozent der ihnen mit dem Verlagsvertrag abgetretenen Vergütungsansprüche der Verwertungsgesellschaft treuhänderisch übertragen und ebenfalls nur 50 Prozent der auf die von ihnen verlegten Werke entfallenden Ausschüttung erhalten. Auch für diesen hälftigen Abzug zugunsten der Urheber, die ihnen ihre Ansprüche übertragen haben, fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Abtretung ist Abtretung.

Dies sind Grundregeln treuhänderischer Rechtewahrnehmung, die ebenso wie die zitierte Rechtsprechung zum Gebot der Ausgewogenheit von Wahrnehmungsverträgen und zur Inhaltskontrolle von Satzungen bei der Überprüfung von Verteilungsplänen zu beachten sind. Auf sie habe ich in der Mitgliederversammlung vom 19. Januar 2008 nachdrücklich hingewiesen. Gleichwohl entzog sich die anwesende Aufsichtsbeamtin der Beantwortung der unmissverständlichen Frage, wie die aufsichtlich bereits gebilligten Verteilungspläne mit diesen Grundsätzen zu vereinbaren seien, mit der wiederholten Erklärung, die Frage nicht zu verstehen, es werde doch alles wie früher.


VI.

Die nun beschlossenen Verteilungsquoten lassen sich - dies nur im Hinblick auf mögliche Erklärungsversuche des Bundesministeriums der Justiz, der Aufsicht und der VG Wort - nicht mit der Gesetzesbegründung des § 63a UrhG (neu) rechtfertigen, nach der die Verleger an den Vergütungen der Urheber angemessen zu beteiligen seien. Denn für eine derartige Beteiligung gibt der Wortlaut des allein maßgeblichen Gesetzestextes nichts her. Aus der Gesetzesbegründung allein lassen sich keine Rechtsfolgen herleiten, für die sich aus dem Wortlaut der Vorschrift als dem objektivierten Willen des Gesetzgebers überhaupt keine Anhaltspunkte ergeben. Bereits in einer seiner ersten Entscheidungen hat das BVerfG ausgeführt, dass der Entstehungsgeschichte einer Norm für deren Auslegung "nur" insofern Bedeutung zukomme, als sie die Richtigkeit einer Auslegung nach dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang bestätige und Zweifel behebe, die auf dem angegebenen Weg allein nicht ausgeräumt werden könnten (vergleiche. BVerfGE 1, 299/312; seither ständige Rechtsprechung auch des BGH etwa BGHZ 33, 321/330). Derartige Zweifel bestehen hier nicht. Denn § 63a UrhG (neu) lässt keine Zweifel daran aufkommen, dass Verwertungsgesellschaften dem Grund und der Höhe nach nur an diejenigen ausschütten dürfen, die selbst Rechte eingebracht haben. Dies gilt auch für den Begriff der "gemeinsamen Wahrnehmung", der lediglich besagt, dass die Wahrnehmung sich auf von Urhebern und Verlegern eingebrachte Rechte bezieht.

Auch ein erhöhter Verwaltungsmehraufwand, wie er mit der gesetzlich gebotenen Neuregelung der Verteilung verbunden sein mag, kann die neuen Verteilungsquoten nicht legitimieren. Zwar muss zukünftig ermittelt werden, ob der Autor oder sein Verleger das jeweilige Recht eingebracht hat. Jedoch rechtfertigt ein geringfügig höherer Verwaltungsaufwand nicht eine Reduzierung der Ausschüttung um die Hälfte.

Schließlich erhält die Revision des Verteilungsplans keine Rechtfertigung durch den Umstand, dass die Verlegerseite sie zur Bedingung für die Beendigung eines inzwischen in zweiter Instanz vor dem OLG München anhängigen Rechtsstreits gemacht haben, in dem einige Verleger mit der VG Wort über die Zulässigkeit der infolge des § 63a UrhG (alt) veränderten Verteilungspläne gemacht haben und die VG Wort nunmehr die wegen dieses Verfahren zurückgestellten Gelder auszahlen kann. Gerade in derartigen Fällen ist es Sache der Aufsicht, mit dem ihr zur Verfügung stehenden Instrumentarium für die Einhaltung des Gesetzes zu sorgen, nicht aber sich dem von einer Seite ausgeübten Druck zu beugen.


VII.

Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Aufsichtbehörde ihrer Verpflichtung zur wirksamen Kontrolle der Verwertungsgesellschaften nicht nachzukommen bereit ist und nahezu automatisch billigt, was dort die weitgehend aus Verbands- und Gewerkschaftsfunktionären mit eigenen Interessen zusammengesetzten Gremien beabsichtigen. Dieses Verhalten, das auch von der Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland" (Schlußbericht vom 11. Dezember 2007, S. 282 ff.) aufgegriffen wird, ist unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht hinnehmbar. Die Aufsichtsbehörde hat ihr Handeln gegenüber den Betroffenen zu erläutern und rechtlich zu begründen. Da sie dies nicht tut, wende ich mich an den Petitionsausschuss mit dem Ziel, dass GEMA, VG Bild-Kunst und VG Wort aufsichtlich angehalten werden, ihre Verteilungspläne den Erfordernissen des § 63a UrhG 2002 (rückwirkend) sowie denen des § 63a UrhG (neu) unter Berücksichtigung der dargelegten Grundregeln und der zitierten Rechtsprechung anzupassen, beziehungsweise um die gebotene Begründung dafür zu erhalten, weshalb die Aufsicht davon Abstand nimmt - soweit ich selbst betroffen bin in einem rechtsmittelfähigen Bescheid.


Mit freundlichen Grüßen

Dr. Martin Vogel
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