Maja Haderlap

Nachtfrauen

Roman
Cover: Nachtfrauen
Suhrkamp Verlag, Berlin 2023
ISBN 9783518431337
Gebunden, 294 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Als Mira ins Auto steigt, um sich auf den Weg nach Südkärnten zu machen, weiß sie, dass ihr schwierige Tage bevorstehen: Ihre alte Mutter muss auf den Auszug aus dem Haus vorbereitet werden, in dem sie vor Jahrzehnten als ungelernte Arbeiterin mit den damals noch kleinen Kindern Obdach gefunden hat. Tatsächlich verdichten sich im Lauf der folgenden Wochen die Erinnerungen an eine als traumatisch erlebte Kindheit, die vom frühen Tod des Vaters genauso belastet war wie von der rigiden patriarchalen Ordnung und den Dogmen der katholischen Kirche. Die alten, unaufgelösten Konflikte verschaffen sich neuen Raum, und Mira beginnt zu verstehen, dass sie von den lang beschwiegenen Lebensgeschichten ihrer Ahninnen befeuert werden: Tagelöhnerin die eine, die unter dramatischen Umständen ums Leben kam, Partisanin die andere, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr nach Kärnten zurückkehrte. Maja Haderlap erzählt aus dem Leben dreier Generationen von Frauen, von ihren Verstrickungen in aufgezwungene und verinnerlichte Leitbilder und ihrem Ringen um Autonomie. Die Geschichte der Nachtfrauen ist eine der Verluste, des Schweigens und der Schuld, in der trotz allem die Nachsicht und der Respekt füreinander, vielleicht sogar die Liebe, nicht aufgegeben werden.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 31.01.2024

Maja Haderlap hat mit ihrem neuen Roman ein vielschichtiges Generationenporträt vorgelegt, findet Rezensent Rainer Moritz. Zumindest in weiten Teilen, präzisiert er, einige Punkte sieht er auch kritisch. Haderlaps Ansatz ist zunächst recht konventionell, so Moritz: Protagonistin Mira, die in ihr Heimatdorf in Südkärnten zurückkehren muss, um ihre Mutter Anni zu unterstützen, muss sich ihrer komplizierten Kindheit stellen. Die Wiederannäherung an Anni ist hart und von Vorwürfen überschattet, erzählt er weiter. Die Handlung entwickelt laut Kritiker Tiefe durch starke poetische Bilder, trotz etwas "hölzerner" Dialoge und Mias klischeehaftem Herumkramen in alten Kisten. Auch wie Haderlap soziale Prägungen ergründet, findet der Kritiker gelungen: Zwar hat Mia als eine der wenigen den Absprung aus dem konservativen Dorf geschafft und sich, zum Entsetzen von Anni, von der Religion abgewandt, ihre Herkunft kann sie aber doch nicht ganz abschütteln, weiß der Kritiker. Weniger gut findet Moritz den zweiten Teil des Buches, in dem man die Perspektive Annis einnimmt: Das lenkt von der ursprünglichen Mutter-Tochter-Geschichte ab, findet er.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 18.10.2023

Rezensent Christoph Schröder zeigt sich sehr angetan von Maja Haderlaps Buch über die slowenische Identität, das "Tiefenschicht für Tiefenschicht" die Abgründe der eigenen Herkunft offenlegt. Hauptfigur Mira, die ihrem Heimatdorf in Südkärnten entflohen ist und nun in Wien lebt, muss nochmal zurück in ihre Heimat, um ihrer Mutter Anni zu erklären, weshalb diese in ein Altersheim umziehen muss, resümiert Schröder. Dabei ist das Familienverhältnis durch die NS-Zeit geprägt, erfahren wir: Annis Eltern wurden von den Nazis ermordet, ihre Schwester blieb als Partisanin in Slowenien. Diese familiären Traumata kommen erst nach und nach bei Mira hoch, die sich weigert Slowenisch, also die Sprache der ausgegrenzten Minderheit, zu sprechen, und zwingen sie, sich endlich mit ihrer Identität auseinanderzusetzen, schreibt Schröder. Schröder imponieren die "vielen Glutkerne", die der Handlung zu Grunde liegen, und er erfreut sich an der Sprache des Romans, die die Vielschichtigkeit des Buches zu unterstreichen und Naturphänomene präzise zu beschreiben wisse.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 07.10.2023

Vielleicht ist dieser Roman "nicht ganz zu Ende geformt", meint Rezensentin Sigrid Löffler, die ihn aber dennoch gern gelesen zu haben scheint. Denn das Thema - die Müttergeneration der slowenischen Minderheit in Kärnten, die zwischen Emanzipation und stummem Verharren in der Tradition schwankt - fand sie ausgesprochen interessant. Hauptfigur ist die selbstbewusste Mira, eine "Kleinhäusler-Tochter", die studiert und es ins Wiener Bürgertum geschafft hat. Ihr Mutter müsste ins Altenheim, darum kehrt sie in ihr Heimatdorf zurück, wo ihr die Kluft bewusst wird, die jetzt zwischen ihr und den Dortgebliebenen, besonders den Frauen, herrscht, erzählt Löffler. Im zweiten Teil steht dann die Mutter im Mittelpunkt, die sich für Löffler als interessanter entpuppt, als sie erst angenommen hätte.