Efeu - Die Kulturrundschau

Die besten Kritiken vom Tage. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

Nicht die richtige Zeit zum Tanzen

19.03.2024. Der Tagesspiegel betrachtet im Georg Kolbe Museum Wandteppiche von Noa Eshkol, auf denen die israelische Künstlerin den Jom-Kippur-Krieg verarbeitet. Auch im Kunsthaus Minsk ist das Textile politisch: Die taz blickt auf Szenen staatlicher Repression in textilen Arbeiten der belarusischen Künstlerin Rufina Bazlova. Die Berliner Zeitung ärgert sich, dass Jonathan Glazers "The Zone of Interest" nur noch zum Ringen um Deutungshoheit dient. Im Tagesanzeiger kürt Daniel Kehlmann Kafka zum Dante seiner Zeit. FAZ und NZZ berichten von Israelhass in der New Yorker Kunst- und der Schweizer Architekturszene.

Zumutungen des Lebens

18.03.2024. Im Interview mit der taz erklärt die Komponistin Jessica Ekomane ihre Vorliebe für Grauzonen, die sie heute bei der "Maerzmusik" mit ihrer computerbasierten Kirchenglockenkomposition "Bonds" unter Beweis stellt. Die FAZ ist ein wenig schockiert von all den toten Männern in Felicitas Bruckers Frankfurter Inszenierung von Schillers "Don Carlos". In der Berliner Zeitung hofft der Schauspieler August Diehl auf Versöhnung mit Russland. Den Leuten geht das Schreiben und Veröffentlichen von Büchern viel zu leicht von der Hand, meint Michael Krüger in der SZ.

Im Bewusstsein dieser Widersprüche

16.03.2024. Die Welt bestaunt Benins neues Wahrzeichen seiner kulturellen Identität: eine 30 Meter hohe, ihre Feinde köpfende und Sklaven jagende Amazone. Die taz denkt über das Bearbeiten von Kinderbuch-Klassikern nach. In der FR diagnostiziert Leon Kahane einen "antisemitischen Klimawandel" in Deutschland, der sich bestens mit sozialistischen Utopien verträgt. Kein Schnoferl mehr bei Techno-Musik, die ist jetzt Kulturerbe, warnt der Standard.

Angst, Sehnsucht, Irrsinn, Erotik

15.03.2024. Die Musikkritiker trauern um Aribert Reimann, der alles einfing, was Menschen fühlen können, in einer Musik frei von Takt und Metrum. Die SZ blickt gnadenlos auf die Berliner Volksbühne, die zum Selbstbedienungsladen einiger Künstler verkommen sei. Die taz vermisst die Sprengkraft in Kim Gordons neuem Album. Feminismus im Kino war schon mal klüger als "Barbie", denkt sich der Guardian. Die Welt schwärmt vom Lamborghini Miura, dessen Schöpfer Marcello Gandini gerade gestorben ist.

Das Auge ist der Hammer

14.03.2024. Die Zeit lernt in Düsseldorf, was Hilma af Klint und Wassily Kandinsky verband: Rudolf Steiner und Atome. Ebenfalls in der Zeit sinnieren Jens Balzer und Diedrich Diederichsen über die Utopie in der Popmusik. Die Filmkritiker zählen rote Bälle in der Sahara mit Anton Corbijns Doku über Hipnosis. Der Standard folgt den Wiener Aktionisten in einem neuen Museum vom Tafelbild zum Machismus. "Wenn die Ukraine fällt, ist die Frage nur, wer als nächster dran ist", warnt Nino Haratischwili in der FR.

Ein verwirrtes Etwas

13.03.2024. Nicht Israels Politik, sondern Jonathan Glazers Dankesrede bei den Oscars instrumentalisiert den Holocaust, meint die Welt. Der Tagesspiegel betrachtet den braunen Wusch, den Roy Lichtenstein über ein Antlitz fahren lässt. Hans Eichel echauffiert sich in der FR über den Skandal, der um ein paar antisemitischen Kunstwerke auf der documenta 15 gemacht wurde. Die FAZ fühlt sich von einer Performance des New York City Ballett in den Sitz gedrückt. Kein Musikmarkt wächst schneller als der im subsaharischen Afrika, weiß die FAZ.

Das sprengt bei weitem unsere Vorstellungskraft

12.03.2024. Oscar-Nachlese zweiter Teil: FR und Filmdienst schöpfen Hoffnung auf mehr Originalität und Wagemut im Filmgeschäft. Im Perlentaucher klärt Thierry Chervel die Stars über den blutigen Hintergrund des Pins auf, den sie sich da so leichtfertig ans Revers hefteten. Die Theaterkritiker staunen, wie Tobias Kratzer mit Mieczyslaw Weinbergs Oper "Die Passagierin" Auschwitz in München ganz ohne die Darstellung von KZ, SS und Häftlingen auf die Bühne bringt. Monopol lernt in Wien ukrainischen Modernismus jenseits der russischen Avantgarde kennen. Und die NZZ träumt von Hochhäusern aus Holz.

Ein röchelndes und falsettierendes Wrack

11.03.2024. Die Oscars sind vergeben: Gleich sieben gingen an Christopher Nolans "Oppenheimer". Eine Rückkehr zu alten Oscar-Traditionen meinen SZ und Standard. Zeit online vergibt Noten für die schönsten und hässlichsten Roben des Abends. Die FAZ ist komplett hingerissen von Wolfgang Rihms "Hamletmaschine" in Kassel - vor allem dank des Dirigenten Francesco Angelico, der die phantastischen Sänger auf Händen trägt. Die SZ bewundert die immense Farbskala des Popproduzenten Jack Antonoff.

Im Rhythmus der Stufen

09.03.2024. Der Standard bewundert in der Albertina die Selbstironie Roy Lichtensteins. Die Berliner Zeitung spürt in Lada Nakonechnas Werken den Brandgeruch des Krieges. Die SZ schreibt zur Eröffnung des Nationalen Holocaust-Museums in Amsterdam. Außerdem feiert sie schon mal die morgige Oscar-Nacht als eine der letzten Bastionen des kulturellen Universalismus. In der FAZ blickt der ukrainische Schriftsteller Andrij Ljubka auf zwei Jahre Krieg in seiner Heimat. Die nachtkritik denkt über zeitgenössische Klassiker-Überschreibungen nach.

Das Geschlecht gibt keine Antwort

08.03.2024. Zum Weltfrauentag entdecken FAZ und FR die vergessene und verdrängte Kunst von Frauen wie Sofonisba Anguissola und Alice Bailly. Die Welt kniet nieder vor Florian David Fitz' Netflix-Vierteiler "Das Signal", während Zeit Online ihn überhaupt nicht versteht. Auch die großartige Isabelle Huppert kann die Pariser Inszenierung der Racine-Oper "Bérénice" nicht retten, seufzt die FAZ. Stefanie Sargnagel und Christiane Rösinger sprechen mit der FAZ über Iowa, Feminismus und das humoristische Potential von Tabus.