Efeu - Die Kulturrundschau

Die besten Kritiken vom Tage. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

In jedem Ton wahr

01.04.2023. Die SZ erklärt, weshalb sich der englischsprachige Literaturbetrieb gerade auf AutorInnen aus der DDR stürzt: Es gibt Bedarf an Romanen, die sich mit Klassenunterschieden und Überwachung auseinandersetzen. Mit Geoff MacCormack und David Bowie reist die SZ durch die Sowjetunion der Siebziger. In der FAZ schaut Anna Narinskaja auf die Blindheit der russischen Intelligenz für die Ideologie russischer Literatur. Außerdem wirft die FAZ einen ersten Blick durch die Lichtaugen von Stuttgart 21. Der Tagesspiegel spürt den Tod am eigenen Leibe im Humboldt Forum.

Das für immer verlorene Russland

31.03.2023. Standard und taz sind begeistert: Herbert Fritsch hat am Burgtheater "Die gefesselte Phantasie" entfesselt. Die FAZ schwebt mit Hugo van der Goes in der Berliner Gemäldegalerie zwischen Schmerz und Seligkeit. Im Van Magazin fürchtet Gidon Kremer, dass er wohl nie wieder in Russland auftreten wird. Die FAZ bringt Vladimir Jurowskis Hommage auf Sergej Rachmaninow. Die neueste Girls Group namens Boygenius ist laut Pitchfork eine Sensation und lässt sich ihre Videos von Kristen Stewart anfertigen.

Mit zärtlich delirierendem Gesang

30.03.2023. Er macht autobiografische Filme, sagt Christophe Honoré in der taz, und in ihnen schimmern Leid und Lust in rosa und in blau, notiert der Perlentaucher in seiner Kritik zu "Der Gymnasiast". Auch Frauke Finsterwalders Film "Sisi und ich" begeistert die Kritik. Der Tagesspiegel erfindet mit dem Kunstmuseum Wolfsburg Piet Mondrian neu. Die FAZ ist ergriffen von Christian Josts Oper "Voyage vers l'Espoir" in Genf. Ebenfalls in der FAZ erzählt die Übersetzerin Andrea Paluch von ihrer Korrespondenz mit Ted Hughes.

Gnadenlos dekorativ

29.03.2023. Die FAZ erkennt, warum nur Gérard Depardieu in Patrice Lecontes neuer Simenon-Verfilmung den Maigret spielen kann. Einen divenhaft charmanten, aber auch zynischen Tschaikowsky erlebt die NZZ in Kirill Serebrennikows dunklem Film "Tchaikovsky's Wife". Die FAZ taucht zu mystischen-meditativen Sinfonien in Refik Anadols Maschinen-Halluzinationen. Die taz würde sich lieber nicht von Ole Scheerens spektakulären Bauten überwältigen lassen. In der taz möchte auch die Literaturwissenschaftlerin Sigrid Köhler lieber nicht mehr Wolfgang Koeppen lesen.

Zig Anfragen, viele Anwaltsbriefe

28.03.2023. Tja, die Sanierung des Pergamonmuseums wird etwas teurer als geplant, dauert dafür aber auch länger, melden die Zeitungen. Die FAZ erlebt in Darmstadt, wie die moderne Kunst mit ihrem großen Sprung zurück dem Manierismus des Fin de siècle entkam. Welt und Tagesspiegel halten sich bei Katharine Mehrlings rasanter Kurt-Weill-Peformance an ihren Sitzen fest. Romane sollten nicht aus dem Schulunterricht entfernt werden, weil darin Rassismus auch in rassistischen Formulierungen reflektiert wird, meint Harry Nutt in der FR. Und allen Zitaten zum Trotz haben es De la Soul jetzt doch in die Streamingdienste geschafft, freut sich die SZ.

Kaum bemerkbare Störsignale

27.03.2023. Man kann also auch großzügig und freundlich über identitätspolitische Themen nachdenken, lernen SZ und FAZ in Yasmina Rezas Stück "James Brown trug Lockenwickler". Der Tagesspiegel lernt von der dänischen Architektur die Linien straff zu ziehen. Die FAZ staunt beim Comic-Festival "Fumetto" in Luzern, wie hervorragend Sprechblasen mit Bildern funktionieren. Die Welt fragt sich, was die Filmakademie gegen Christian Petzold hat. Im Filmdienst erklärt Emmanuel Mouret, warum Sexszenen im Film so schwierig sind.

Kommunikation mit den Toten

25.03.2023. Die Berliner Zeitung begeistert sich für die fliegenden, orgiastischen Körperteile der amerikanischen Künstlerin Christina Quarles. Zuviel Obsession für den weiblichen Körper kann aber auch nerven, bemerkt die nmz in einer Genter Inszenierung von "Tristan und Isolde". Die taz hofft, dass demnächst KI strunzlangweilige Musikerinterviews aufpeppt. Die Welt trifft sich mit Georg Klein auf der Reeperbahn, um über das Jenseits zu plaudern. Die FAZ fordert einen sofortigen Baustopp für den geplanten Erweiterungsbau des Kanzleramts. Die SZ schwelgt in "Garden Futures".

Beständig, bescheiden und brillant

24.03.2023. Nach vielen Wirren und Antisemitismus-Vorwürfen , die nicht zutrafen, dürfte Wajdi Mouawads Stück "Die Vögel" am Münchner Metropoltheater eigentlich gezeigt werden, darf aber nicht - die NZZ ist bestürzt. Der tatsächliche Antisemit Roger Waters soll nur auftreten, ruft Ronen Steinke in der SZ. Bei Lana del Reys neuem Album "Did You Know That There's a Tunnel Under Ocean Blvd" wird Pitchfork ganz lyrisch. Navid Kermani spricht im Van Magazin über seine Liebe zu klassischer Musik und begründete schlechte Laune im WDR. Überall wird Daniel Sagers Relotius-Doku besprochen.

Haariges, Pelziges, Augapfelbewimpertes

23.03.2023. Ursula Schultze-Bluhm, genannt "Ursula" stach mit dem Pinselstiel in die noch feuchte Farbe. Das Ergebnis ist jetzt in Köln zu sehen und fasziniert den Tagespiegel. Bei artechoc erklärt John Malkovich, was er mit der Kamera und diese mit ihm macht. Forscher untersuchten Beethovens Gene und fanden laut FAZ heraus: Er war gar kein Beethoven. Und er war weiß. Und Depeche Mode singen Neues "zu gewaltigen Pauken" und erschüttern Zeit online.

Einfühlung ins Tier

22.03.2023. Die SZ hat herausgefunden, welche Architekturbüros sich für Saudi-Arabiens groteskes Wüstenprojekt Neom in der saudi-arabischen Wüste hergeben, darunter etliche, die Nachhaltigkeit predigen. Der Guardian erlebt in der National Gallery einen kunsthistorische Schock: Cézanne war moderner als van Gogh. Die FAZ interpretiert die Missklänge in der russischen Propagandamusik. Außerdem erinnert sie an das Schwellenjahr 1997, als junge Designer die Haute Couture übernahmen.