Percival Everett

James

Roman
Cover: James
Carl Hanser Verlag, München 2024
ISBN 9783446279483
Gebunden, 336 Seiten, 26,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Nikolaus Stingl. "Huckleberry Finn" wird zum Roman der Freiheit - in "James" erfindet Percival Everett den Klassiker der amerikanischen Literatur neu: Jim spielt den Dummen. Es wäre zu gefährlich, wenn die Weißen wüssten, wie intelligent und gebildet er ist. Als man ihn nach New Orleans verkaufen will, flieht er mit Huck gen Norden in die Freiheit. Auf dem Mississippi jagt ein Abenteuer das nächste: Stürme, Überschwemmungen, Begegnungen mit Betrügern und Blackface-Sängern. Immer wieder muss Jim mit seiner schwarzen Identität jonglieren, um sich und seinen jugendlichen Freund zu retten.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.04.2024

Die Geschichte von Mark Twains Huckleberry Finn kennt jedes Kind - Percival Everett dreht sie nun komplett um und erzählt sie aus der Perspektive des Sklaven Jim, freut sich Rezensent Felix Stephan über einen Roman, dem geballte Aufmerksamkeit und Literaturpreise in diesem Jahr sicher sein sollten. Die Abenteuer, die die Figuren bei Twain auf dem Mississippi erleben, bleiben auch bei Everett bestehen, aber Jim kann nun lesen und schreiben, weiß Stephan, und Huckleberry ist zum Nichtraucher geworden. Am überzeugendsten in dieser Neukonzeption ist für den Kritiker aber die Sprache: lange ist das afroamerikanische Südstaatenenglisch gerade in der deutschen Übersetzung bewusst infantilisiert worden, doch damit macht Übersetzer Nikolaus Stingl ein Ende und vermittelt die Perspektive Jims auf so überzeugende Weise, dass der Rezensent die Erzählung noch immer als einen der wichtigsten Texte zum Verständnis der amerikanischen Geschichte und Gegenwart sieht.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 15.04.2024

Hat Percival Everett Mark Twains "Huckleberry Finn" dekonstruiert oder lediglich einen Thesenroman geschrieben? Rezensent Fokke Joel ist sich da nicht so sicher. Die Handlung bleibt, lernen wir, nahe an der Vorlage, wird allerdings diesmal aus der Perspektive des entflohenen Sklaven Jim erzählt, außerdem fällt manches weg, anderes wird ergänzt. Manches, was bei Twain - womöglich absichtlich - opak blieb, wird dadurch ausbuchstabiert, erklärt Joel, unter anderem erfährt er, warum Huck für Jim eine so wichtige Person ist. Wenn Everett Jim außerdem zu einem belesenen Kenner und Kritiker der aufklärerischen Philosophen macht, fragt sich Joel, ob eine derartige Fiktion sinnvoll, oder nicht doch, eben, zu thesenhaft ist. Manches gefällt dem Rezensenten durchaus, zum Beispiel die Ironie der Dialoge, aber den Anspruch, auf Augenhöhe mit Twain zu schreiben, kann Everett in seinen Augen nicht ganz erfüllen.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 04.04.2024

Ein großes, genuin aufklärerisches Buch hat Percival Everett laut Rezensentin Julia Schröder geschrieben. Es erzählt eine Geschichte, die man aus einem Klassiker der amerikanischen Literatur kennt, nämlich die von Mark Twains "Huckleberry Finn", allerdings aus der Perspektive des schwarzen Sklavens Jim, also eines Menschen, für den im Verlauf der Abenteuergeschichte viel auf dem Spiel steht. Er heißt hier James und die kindliche Sprache, deren er sich bei Twain bedient, ist nur Tarnung, tatsächlich ist er gebildet und spricht, wenn er in Everetts Buch mit anderen Schwarzen interagiert, in Standardsprache. Everett spielt laut Schröder, ein geschicktes metafiktionales Spiel, in das auch die Erwartungen der Leser an schwarze Literatur einbezogen werden. Nebenbei bügelt Everett auch noch das nicht ganz gelungene, weil zu versöhnliche Ende von Twains Roman aus, freut sich die auch von Nikolaus Stingls Übersetzung rundum überzeugte Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.03.2024

Percival Everett zeigt laut Rezensent Andreas Platthaus mit seinem neuen Roman einen Ausweg aus gegenwärtigen Kulturkämpfen zum Beispiel um Sprachbereinigung in Kinderbüchern auf: Ironisierung. Everetts Buch ist eine Reperspektivierung von Mark Twains "Huckleberry Finn", also eines der großen Klassiker der amerikanischen Literatur, klärt Platthaus auf. Erzählt wird diese Geschichte diesmal nicht aus der Perspektive des Twain-Titelhelden, sondern aus der seines schwarzen Begleiters Jim. Der, führt Platthaus aus, allerdings tatsächlich James heißt und sowohl den Namen Jim als auch seine vermeintlich kindliche Sprechweise, für die Twains Roman dieser Tage oft kritisiert wird, lediglich als Tarnung verwendet - weil die Weißen das so erwarten. Man muss das Original schon kennen, um Everetts Geschichte angemessen folgen zu können, meint der Rezensent: Everetts Buch ist insgesamt kürzer, dafür aber deutlich brutaler, insbesondere was die Darstellung der Realität der Sklavenhaltergesellschaft angeht. Insgesamt verändert dieses Buch nicht nur den Blick auf "Huckleberry Finn", sondern auch unseren Blick auf die Welt, schließt der begeisterte Kritiker, der auch für Nikolaus Stingls Übersetzung lobende Worte findet.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 14.03.2024

Ein starkes Buch ist Percival Everetts Neukonzeption des Klassikers Huckleberry Finn, findet Rezensent Adam Soboczynski. Everett erzählt weitgehend dieselbe Geschichte wie Mark Twain, erfahren wir, allerdings nicht aus der Perspektive des weißen Finn, sondern seines schwarzen Begleiters, der bei Twain Jim heißt, bei Everett aber eben, ohne Verkleinerungsform, James. Und wo diese Figur bei Twain als ein Mensch von eher schlichtem Gemüt dargestellt werde, erscheine sie im neuen Roman als eine komplexe Figur: Sein genuscheltes Englisch setze James etwa nur ein, um weiße Rassisten zu täuschen. Brutaler wird die Geschichte in dieser neuen Version, fährt Soboczynski fort, eher Thriller als Abenteuerklamauk. Ein Buch über die inneren Widersprüche der Aufklärung ist dies außerdem, lesen wir, wenn die Sklavenhalter als vernunftsgläubig dargestellt werden und dennoch Grausamkeiten begehen. Wer Twain kennt, wird mehr von diesem Buch haben, meint der Rezensent, aber man kann es auch für sich selbst lesen.