Peter Handke

Die Ballade des letzten Gastes

Roman
Cover: Die Ballade des letzten Gastes
Suhrkamp Verlag, Berlin 2023
ISBN 9783518431542
Gebunden, 185 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Von einem anderen Erdteil kehrt Gregor zurück in die Heimat. Das "vormalige Vieldörferland" ist eine städtische Agglomeration geworden, vertraut und zum Verirren fremd zugleich. Auch die Familie hat sich verändert: Zwar wartet der Vater wie früher mit den Spielkarten, doch hat die Schwester überraschend einen Säugling auf dem Arm. Er, der große, ältere Bruder, soll der Taufpate des Kindes werden. Vom jüngeren Bruder Hans bleiben derweil nur die Todesnachricht, vom älteren der Familie verschwiegen, und Erinnerungen, zum Beispiel an den Unfall in den Brennesseln. Selbst der Obstgarten ist ein anderer geworden, noch immer an Ort und Stelle, aber längst nicht mehr zu retten. Es zieht ihn also in die Straßen und Gassen, ins Kino, ins Fußballstadion, in den Wald, und er geht und geht immer weiter. In Peter Handkes neuem Buch durchdringen sich Gegenwart und Vergangenheit, scheint das eine ins andere zu kippen, steht alles "auf Messers Schneide". Auf seinem Weg zurück zur Familie, durch einstmals bekannte Landschaften hält der Erzähler immer wieder inne, Kindheitserlebnisse werden wachgerufen, innere Stimmen treten ins Zwiegespräch. Was einmal war, hat sich unwiderruflich verändert - und bleibt dennoch vertraut.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 18.12.2023

Der alte Schwung ist noch nicht hin bei Peter Handke, freut sich Rezensent Eberhard Falcke. Das neue Buch des Nobelpreisträgers folgt wieder einmal einem Gregor, der sich diesmal in seinen Heimatort begibt, wo er von Familienangehörigen erwartet wird. Das Kind seiner Schwester soll getauft werden, erfahren wir, hauptsächlich macht dieser Gregor jedoch, was Handke-Figuren gerne tun: herumschweifen und Beobachtungen machen, die sich zu einer besonderen Form des epischen Schreibens fügen, einem, das wenig mit Erzählung und viel mit einem sich-Verlieren in der Welt zu tun hat. So geht die sich beständig selbst hinterfragende Hauptfigur, heißt es weiter, ins Kino oder auch in den Wald zu einem Bombentrichter, sowie in Kneipen, wo er gerne selbst die letzten Gäste bewirten würde. Trotz solcher Abschlussgedanken liest sich diese Ballade keineswegs wie ein Abschied, so Falcke, das Handke-Schreiben bleibt in Bewegung.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 30.11.2023

Rezensent Florian Eichel reicht es wirklich mit Peter Handke: Dieses neue Büchlein versammelt in "beredter Aussagenlosigkeit" lauter Topoi, die er schon von dem Nobelpreisträger kennt, angefangen bei dem Protagonisten Gregor, der ihm in vielen Büchern begegnet ist, über die Spaziergänge in der Natur bis zu den Gefühlen von Heimat und Heimatlosigkeit. Auch die sprachlichen Konstruktionen, die eine Art übereifrigen Lektor zwischen Erzähler und Leser schalten, sind ihm zu mühselig und konstruiert. Einzig der im Titel aufgerufene "letzte Gast" kann vielleicht aufschlussreich sein, wenn man diese Bezeichnung auf Handke selbst bezieht, der als letzter einer alten Schriftstellergarde noch übrigbleibt, mutmaßt der unzufriedene Kritiker am Ende.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.11.2023

Reine Wohltat angesichts der ihn umgebenden journalistischen Floskeln ist Peter Handkes neues Buch für Rezensent Jan Wiele, der gleichwohl anmerkt, dass der Autor hier wohl weder neue Fans noch neue Gegner gewinnen wird. Denn da ist, führt Wiele aus, wieder der ganz typische Handke-Sound, viele Formulierungen erinnern sehr direkt an ältere Werke, es geht um Einsamkeit und Außenseiterschaft, ums ewige Ausweichen, um der Gefühl, "der Letzte zu sein" (Zitat Handke). Journalartig ist die Prosa, führt Wiele aus, aber es gibt auch eine Erzählung, die zurück in die Kindheit führt, der Erzähler mit Namen Gregor setzt sich mit dem Tod seines Bruders auseinander, nach und nach setzt sich eine Art Familienchronik zusammen. Gregor erinnert sich an die Lieder von früher und doch bleibt er allein, manchmal wird er auch ziemlich wütend und insgesamt ist Handke, schließt Wiele, ein doch wieder eigenständiges, außergewöhnliches Buch gelungen.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 04.11.2023

Rezensent Hilmar Klute scheint sich gern einmal mehr ins Handke'sche Universum zu begeben. Im neuesten Roman, der von einem nur physisch in sein Heimatdorf zurückkehrenden Geologen erzählt, begegnen dem Kritiker viele altbekannte Handgriffe des Autors: Zuallererst natürlich die immense "Sprachverknalltheit", um die sich die Handlung um den Protagonisten, seinen verstorbenen Bruder und seinen neugeborenen Neffen nur sehr lose rankt; eine Sehnsucht nach einer Weltvergessenheit abseits des auf "Nutzwirkung ausgerichteten Gebrauchslebens"; das ewige Zweifeln, Wandern und Zitieren der Figuren - das alles breite Handke in gewohnter Manier und Qualität hier aus. Bemerkenswert findet Klute die Übersetzungen normaler Wörter ins "sprachlich noch gerade Zumutbare" - das Handy wird hier zum "Taschentelefon", der Kinderwagen zur "Einrad-Schiebetruhe" -, und vor allem eine Komik, die hier tatsächlich zutage trete: schmunzeln muss er, wenn Handkes Protagonist in ungewohnt "kernigen" Passagen etwa seinen Neffen kreativ beschimpft ("buddhabäuchig"). Ein Buch von "strengem Reinheitsfuror", dennoch "mitunter heiter", hält Klute fest.
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