In der FAZ berichtet Fridtjof Küchemann, was passiert, wenn amerikanische Träume auf deutsche Behörden treffen: Vor über fünfzehn Jahren hat der amerikanische Milliardär und Kunstsammler Andrew Hall Schloss Derneburg, Wohn- und Wirkstätte von Georg Baselitz in der gleichnamigen niedersächsischen Gemeinde, gekauft. Seit fünf Jahren sind regelmäßig Ausstellungen zu sehen, bald soll dort eines der größten Kunstmuseen Europas entstehen. Nicht nur Anwohner und Denkmalschutz sind misstrauisch: "Die Feuerwehren der Kommune haben keine Drehleiter, die bei einem Brand bis hinauf in den Dachstuhl des Schlosses reichen würde. Sie hätten nicht mal die Möglichkeit, einen solchen Feuerwehrwagen unterzustellen. Und wie steht es um die Müllentsorgung, wenn viele Menschen in den Ort kommen, wie um öffentliche Toiletten? 'Zu sehen, dass alles schick ist ums Schloss', sagt der Bürgermeister, 'das sehe ich eher als nachrangige Aufgabe an.'"
Dem Einfamilienhaus und der Doppelhaushälfte begegnen nicht nur Ökologen, sondern auch Architekten in der Ausbildung mit einem "Pfui", schreibt Gerhard Matzig in der SZ. Dabei gibt es insgesamt "19,4 Millionen Wohngebäude in Deutschland. 16,1 Millionen davon sind Einfamilienhäuser und Doppelhaushälften. Das ist die Realität, wozu auch gehört, dass mehr Deutsche auf dem Land in Klein- oder Mittelstädten leben als in Metropolen." Es sind diejenigen, die von der Gebäudeeffizienzrichtlinie betroffen sein könnten: "Bis 2050 müssen deshalb die jetzt schon bestehenden Häuser stetig steigende Mindeststandards erfüllen. Was im Einzelfall ruinös teuer für Hausbesitzer werden kann, die ja nicht alle auf millionenteuren München-Grundstücken sitzen. Sondern auch in Gegenden, wo ein Haus vielleicht 150.000 Euro wert ist, aber für 100.000 Euro saniert werden muss. Falls man bis 2050 Handwerker bekommt."
Bild: Entwurf für das Megaprojekt Mukaab in Riad In der SZ kann Gerhard Matzig nur den Kopf schütteln über "The Mukaab", den von Mohammed bin Salman in Riad geplanten, 400 Meter hohen und breiten quadratischen Wolkenkratzer: "Man kennt derlei Triebkräfte aus der Geschichte des politischen Irrsinns. Auch Stalin und Hitler hielten sich im Grunde nicht nur für die Herren und Bauherren einer neuen Weltordnung - sondern auch für die Architekten. (…) Gedacht ist der Bau für Edelimmobilien und spektakulären Wohnraum, Geschäfte, Gastronomie und Hotels, aber auch für Technologieunternehmen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Hunderttausende Arbeitsplätze sollen entstehen. Ein spiralförmiger Turm im Inneren des Quaders, der von einer torpedoförmig gerundeten Hüllstruktur umgeben ist, die an eine Reaktorhülle denken lässt, nach außen aber orthogonal erscheint, soll eine 'interaktive Welt' erschließen. Virtuell, heißt es im Werbeclip auf Youtube, könne man hier sogar auf den Mars fliegen. Das Projekt, das Entertainment und Holografie (Unterwasserwelten, Schneelandschaften) 'in einer neuen Dimension' verspricht, versteht sich als 'gateway to another world', als Tor zu einer anderen, neuen und natürlich besseren arabischen Welt."
In der NZZhält Hubertus Adam die Pritzkerpreis-Auszeichnung für David Chipperfield (Unser Resümee) für "nachvollziehbar und berechtigt." Aber: "mutig ist sie deswegen nicht. Man hätte mit weniger bekannten Büros Akzente setzen oder Diskurse anstoßen können." "Eigentlich hätte dieser Preis an 'David Chipperfield Architects', an das Team DCA gehen müssen", kommentiert Nikolaus Bernau im Tagesspiegel: "Chipperfield wäre ohne die Kreativität und Kompetenz seiner inzwischen elf Partner und Partnerinnen sowie der überaus agilen Ehefrau Evelyn Stern nur ein Provinzarchitekt geblieben."
Amorepacific Headquarters in Seoul. Foto: Noshe / Pritzker Prize David Chipperfield erhält in diesem Jahr den Pritzker-Preis, die höchste Auszeichnung in der Baukunst. In Britannien kennt man ihn wenn, dann als den deutschen Architekten, schreibt Oliver Wainwrigth im Guardian: "'In den achtziger Jahren hatte man als junger Architekt in England keine Chance', sagt er. 'Margaret Thatcher und Prinz Charles waren die Zwillingstürme der Negativität gegenüber der Architektur. Ich habe meine ersten drei Gebäude in Japan gebaut, gefolgt von Wettbewerben in Italien und Deutschland. Um ehrlich zu sein, das hat sich nicht wirklich geändert. Seitdem bin ich ständig auf Achse.' Während in den letzten Jahrzehnten prominente Stararchitekten um die Welt gereist sind und mit immer neuartigeren Formen und verdrehter baulicher Akrobatik wetteiferten, war Chipperfield eine Stimme der Nüchternheit. Während andere Architekten auf effektvolle Ikonen setzen, verfolgte er eine strenge Form des Modernismus von geradezu feierlicher Ernsthaftigkeit. Wie es in der Pritzker-Auszeichnung heißt, zeichnen sich seine Gebäude 'stets durch Eleganz, Zurückhaltung, einen Sinn für Dauerhaftigkeit und raffinierte Details aus', und weiter: 'In einer Ära der exzessiven Kommerzialisierung, des Überdesigns und der Übertreibung gelingt es ihm immer, ein Gleichgewicht herzustellen.'"
In der SZ weist Gerhard Matzig allerdings darauf hin, dass Chipperfields Name zwar für einfühlsame Kulturbauten stehe, der Mann aber durchaus auch absurd luxuriöse Hotelanlagen am Gardasee baut. Dennoch: "Filigrane Schichtungen, wie Texturen wirkende Fassaden: Höchstens daran lässt sich Chipperfield-Architektur erkennen. Er baut nicht modisch. Das aber macht seine Häuser nachhaltig. Sie sind nicht beliebig, sie sind klare Setzungen: gebaut, um zu bleiben."
Das klammernde Kanzleramt. Entwurf: Schultes Frank Architekten Natürlich wird an einer wahrscheinlich milliardenteuren Erweiterung fürs Kanzleramt herumgemäkelt, weiß auch Peter Richter in der SZ, aber die Gestrigkeit des Entwurfs aus dem Büro von Charlotte Frank und Axel Schultes ärgert auch ihn: "Axel Schultes ist jetzt Ende siebzig, trägt die Hemdkragen aber immer noch so grundsätzlich als Erkennungszeichen hochgeschlagen wie vor dreißig Jahren. Er redet auch noch so. Und die Architektur sieht auch noch genauso aus. Das kann man konsequent nennen. Nach all den Diskussionen über die Klimabilanz von Neubauten im Allgemeinen und Beton im Speziellen, bei der gewachsenen Skepsis gegen große Glasflächen (Vogelschutz!), bei all den Debatten über Bürokratieabbau, Machtgesten, Flächenversiegelung, flexiblere Arbeitsorte und so weiter, ist aber schon erstaunlich, wie umstandslos hier diese Büroarchitektur aus den Neunzigern wieder hereingewinkt wird."
Das kriegt auch nur Berlin hin: Niklas Maak könnte sich in der FAZ die Haare raufen, wenn er die neuen Luxuswohnungen betrachtet, die auf dem 23.000 Quadratmeter großen Tacheles-Areal in Berlin Mitte an der Oranienburger Straße entstanden sind. Verscherbelt hat der Senat das ganze Grundstück 1998 für "absurde 2,8 Millionen Mark", so Maak. Heute soll allein ein Penthouse mit vier Zimmern über 4,5 Millionen Euro kosten. Sozialwohnungen gibts keine. Nichts gegen privaten Wohnungsbau, ärgert sich Maak, "es ist aber schon eine bizarre Volte der Berliner Politik, dass in einer Zeit, in der die lokale Regierung ihre Bürger mit recht unpopulären Eingriffen dazu bringen will, alle Wege zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu erledigen, die Wohnungen in der Innenstadt so teuer werden, dass der Fuß als Fortbewegungsmittel schon mal ausscheidet und das Fahrrad zum Symbol vergleichsweise wohlhabender Eliten wird."
Weiteres: Christian Zaschke besucht für die SZ den neuen New Yorker Bahnhof Grand Central Madison, der nach zwanzig Jahren Bauzeit eröffnet wurde. Besprochen wird Sabine Gisigers Film "The Mies van der Rohes" (NZZ).
In monopolblickt Ji-Hun Kim mit einem Frösteln auf die neuen Bauprojekte in Saudi-Arabien, darunter auch die Stadt "The Line", die sich, gespeist von regenerative Energien, wie eine riesige Schlage auf 170 Kilometern Länge und nur 200 Metern Breite vom Roten Meer bis zur Stadt Tabuk ziehen soll. "Künstliche Intelligenzen überwachen die Stadt. Permanent erhobene Daten und Vorhersagemodelle sollen den Alltag optimieren. Bewohnerinnen und Bewohner werden dabei für ihre persönliche Datenproduktion bezahlt." Ji-Hun Kim würde dort dennoch nicht gerne leben. Obwohl "The Line" ein Szenario präsentiert, "wie Metropolen der Zukunft eventuell auszusehen haben müssen, wenn durch Klimaerwärmung und Dürren auch Europa immer mehr zur Wüste wird. Wenn Städte wie im Mittelalter wieder zu geschlossenen Festungen werden. Wenn es um Isolation nach außen und virtuelle Simulation im Inneren geht, weil die Welt da draußen einfach nicht mehr lebenswert ist. Nehmen wir dann freiwillig in Kauf, in einem riesig langen Glas-Bandwurm ohne Ausblick und Seen zu leben, in dem jeder Schritt und jede Handlung durch KI ausgewertet und analysiert wird? Es ist dieser unterschwellige Pragmatismus, der diese Bauvorhaben bei allem Größenwahn so erschreckend glaubwürdig erscheinen lässt."
Entwurf für das Megaprojekt Mukaab in Riad Nach seiner gigantomanischen Wüstenstadt Neom hat Saudi-Arabien jetzt seine Pläne für ein weiteres Mega-Projekt enthüllt, meldetDezeen, genannt Mukaab: Im Nordwesten der Hauptstadt Riad soll ein quadratischer Wolkenkratzer entstehen, 400 Meter breit, hoch und tief. Der Würfel umfasst einen spiralförmigen Turm, an dem sich Developer-Träume hochranken: "Das Gesamtprojekt wird über 100.000 Wohneinheiten und 9.000 Hotelzimmer sowie mehr als 980.000 Quadratmeter Ladenfläche und 1,4 Millionen Quadratmeter Bürofläche umfassen." Der Standardfühlt sich weniger an die Kaaba erinnert als an den Borg-Kubus aus "Star Trek", zumal er mit Hologrammen ausgestattet werden soll.
Maik Novotny hat für den Standard mit dem Architekten David Chipperfield über die Erweiterung des Nationalen Archäologiemuseums in Athen gesprochen. Dabei bekennt Chipperfield auch seine eigene grüne Wende: "Wir haben gerade einen Wettbewerb für die London School of Economics gewonnen, weil wir die Einzigen waren, die gesagt haben: Lassen wir doch das alte Gebäude stehen. Wir können diesen Wandel also sehr wohl beeinflussen. Gerade wir etablierten Architekten sind hier in der Pflicht. Wir haben keine andere Wahl. Die Zeiten, in denen man sich Baumaterialien aus China bestellt, weil sie billiger sind, sind vorbei. Deswegen wollen wir hier in Athen auch Wände aus Lehm bauen und nicht aus chinesischem Marmor. Die junge Generation brennt für diese Dinge noch mehr, aber sie hat leider zu wenig Einfluss. Also müssen wir Älteren vorangehen."