Anna Metcalfe

Chrysalis

Roman
Cover: Chrysalis
Rowohlt Verlag, Hamburg 2023
ISBN 9783498003227
Gebunden, 272 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Eva Bonné. Sie geht ins Fitnessstudio. Sie verändert ihren Körper drastisch, will nach einer traumatischen Erfahrung schwerer, stärker und gelassener werden. Wie eine Chrysalis, ein Insekt im Zustand der Verpuppung, wird sie eine völlig andere werden. Diesen Wandlungsprozess beobachten drei Menschen, die ihr auf verschiedene Weise verbunden und von ihr fasziniert sind. Eliott, ein schüchterner Einzelgänger, begegnet ihr im Fitnessstudio und verehrt sie wie eine Heilige. Bella, ihre Mutter, muss erkennen, dass für die Tochter ihre Beziehung ein enger Kokon war, aus dem sie sich nun befreit. Susie, die beste Freundin, bietet ihr Zuflucht und Unterstützung während der Verwandlung.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 27.01.2024

Rezensentin Christina Lopinski ist fasziniert vom Debütroman der britischen Jungautorin Anna Metcalfe, die bereits von der wichtigen englischen Literaturzeitschrift Granta unter die besten britischen Autoren unter 40 gewählt wurde. Denn sie erzähle eine Emanzipationsgeschichte auf ungewöhnliche Weise: Anspielend auf die zoologische Chrysalis, die Entwicklung von einer Larve zum Insekt, folgt der Roman einer Frau ohne Namen, die in ihrer Metamorphose vom "bedürftigen Mädchen zur unabhängigen Frau" einigen Schaden in ihrem Umfeld anrichtet; Menschen verletzt, macht- und abhängigkeitsgeprägte Beziehungen führt. Und aus diesen Beziehungen heraus, nämlich durch die Beschreibungen von nahestehenden Menschen wie der Mutter, der Mitbewohnerin oder einer Fitnessstudio-Bekanntschaft, lerne der Leser diese Frau kennen; selbst tauche die Protagonistin im gesamten Buch nicht auf, wie Lopinski staunend wiedergibt. Gerade aus dieser "ambivalenten Leerstelle" beziehe der Roman allerdings seinen Sog, der einen das kräftesaugende Parasitentum der Protagonistin am eigenen Leib erfahren lässt, so die Kritikerin beeindruckt.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 29.12.2023

Rezensentin Katharina Herrmann weiß am Ende der Lektüre von "Chrysalis" nicht viel mehr als zu Beginn. Dennoch fühlt sie sich bereichert, denn: Dieser Debütroman macht ratlos im besten Sinne, stellt er doch auf überaus geschickte Weise zwei überaus relevante Fragen: Die Frage nach dem Verhältnis von Selbstinszenierung und Selbstfindung, und: Ob Soziale Medien lediglich "Gefolgschaft" ermöglichen können oder auch "Gemeinschaft". Anne Metcalfe verhandelt diese Fragen anhand der Geschichte einer jungen Frau, die nach einer traumatisierenden Gewalterfahrung einen Akt der Verpuppung vollzieht, heißt: sich komplett in die Isolation zurückzieht, ihr einziger Kontakt zur Außenwelt: Ein Videoblog, in dem sie predigt, was sie selbst lebt und so zur erfolgreichen Influencerin avanciert: Isolation als einziger Weg zur Vollkommenheit. Statt ihre namenlose Protagonistin selbst erzählen zu lassen und sie so der Bewertung durch die Leserin preiszugeben, wird sie lediglich von außen beschrieben, aus drei Perspektiven, wobei sie mal als mitfühlend und sensibel dargestellt wird, mal als manipulativ und narzisstisch. Am Ende, so Herrmann, weiß man weder, ob die vermeintliche Selbstfindung der Protagonistin nur eine Selbstvermarktungsstrategie ist, noch, wem oder was man eigentlich glauben kann. "Gekonnt", lautet Herrmanns Resümee.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 02.12.2023

Rezensentin Hannah Lühmann findet die Lektüre des Romandebüts von Anne Metcalfe lohnend. Lohnend erscheint ihr der Text um die radikale Verwandlung einer jungen Frau einerseits wegen der dreigeteilten Perpektive auf die Hauptfigur (es erzählen Freunde und die Mutter der Figur), andererseits wegen der ungewöhnlichen, aber meisterlich von Metcalfe dirigierten Zuschreibungen, die die Protagonistin erhält, und schließlich wegen des Eindrucks einer "rätselhaften Lebendigkeit", der daraus entsteht. Ob es sich nun um eine Parabel auf den Feminismus von heute handelt oder um ein formales Experiment über die unterschiedlichen Sichtweisen auf eine Person, für Lühmann ist es ein aufregendes Debüt.