Daniel Kehlmann

Lichtspiel

Roman
Cover: Lichtspiel
Rowohlt Verlag, Hamburg 2023
ISBN 9783498003876
Gebunden, 480 Seiten, 26,00 EUR

Klappentext

Einer der Größten des Kinos, vielleicht der größte Regisseur seiner Epoche: Zur Machtergreifung dreht G.W. Pabst in Frankreich; vor den Gräueln des neuen Deutschlands flieht er nach Hollywood. Aber unter der blendenden Sonne Kaliforniens sieht der weltberühmte Regisseur mit einem Mal aus wie ein Zwerg. Nicht einmal Greta Garbo, die er unsterblich gemacht hat, kann ihm helfen. Und so findet Pabst sich, fast wie ohne eigenes Zutun, in seiner Heimat Österreich wieder, die nun Ostmark heißt. Die barbarische Natur des Regimes spürt die heimgekehrte Familie mit aller Deutlichkeit. Doch der Propagandaminister in Berlin will das Filmgenie haben, er kennt keinen Widerspruch, und er verspricht viel. Während Pabst noch glaubt, dass er dem Werben widerstehen, dass er sich keiner Diktatur als der der Kunst fügen wird, ist er schon den ersten Schritt in die rettungslose Verstrickung gegangen. Daniel Kehlmanns Roman über Kunst und Macht, Schönheit und Barbarei zeigt, was Literatur vermag: durch Erfindung die Wahrheit hervortreten zu lassen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 19.10.2023

Daniel Kehlmann spielt in seinem Roman die Geschichte von der Rückkehr des in den USA erfolglosen deutschen Filmregisseurs G.W. Papst 1939 nach Nazi-Deutschland als "surreale Groteske" durch, erzählt Rezensent Paul Jandl. Das ist handwerklich gut, stellenweise sogar brillant gemacht, und doch ist Jandl unzufrieden. Es fehlt ihm zu viel: Das Psychologische zum Beispiel, ein Restgeheimnis der Figuren, irgendetwas, das Pabst über den Grundkonflikt - Künstler überschätzt seinen Einflus in einer Diktatur - hinaus interessant macht. Am Ende ist alles bis in die letzte Ecke ausgeleuchtet, der Kritiker blickt gähnend ins Weiße.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 15.10.2023

Mit Gewinn liest Rezensent Peter Körte Daniel Kehlmanns Roman, der sich dem Leben des Filmregisseurs Georg Wilhelm Pabst widmet. Pabst hatte, führt die Körte aus, in der Stummfilmzeit gefeierte Meisterwerke gedreht, aber er hat auch während der NS-Zeit in Deutschland Filme gedreht, was seinen Ruf nachhaltig beschädigt hat. Kehlmann gelinge es aus diesen - mit fiktionalen Zusätzen angereicherten - "Unglücksjahren" des Regisseurs mit am Kino geschulten literarischen Mitteln ein wichtiges Buch über Kunst und Korruption, und auch über die Verstrickung von Kunst und Leben zu schreiben. Die drei Hauptteile des Romans widmen sich, lernen wir, Pabsts Scheitern in Hollywood Anfang der 1930er, der Arbeit in Nazideutschland, sowie der Nachkriegszeit. Tolle Szenen findet Körte in diesen Kapiteln, etwa in den Begegnungen Pabsts mit Goebbels oder Leni Riefenstahl, auch der häufige Wechsel der Perspektive mache das Buch vielschichtig. Besonders wichtig ist der verschollene letzte NS-Film Pabsts, "Der Fall Molander", basierend auf dem Roman eines Naziautors. In Kehlmanns Buch wird dieser Film, heißt es weiter, zu einer Obsession des Regisseurs, der glaubt, ein monumentales Meisterwerk zu fertigen und auch das Ende des Weltkriegs nur als Problem für sein Filmprojekt betrachten kann. Die Zeit nach dem Krieg erscheint hingegen als eine einzige Trostlosigkeit, führt Körte aus, überhaupt kommt Pabst bei Kehlmann insgesamt ziemlich schlecht weg. Allerdings gehe es dem Autor nicht um ein moralisches Urteil, sondern darum, zu zeigen, dass Kunst und Leben stets zusammen zu denken sind.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 14.10.2023

Im Gegensatz zu seinen Kollegen hat Richard Kämmerlings nichts am neuen Roman von Daniel Kehlmann auszusetzen. Im Gegenteil: Er hält ihn schlicht für "meisterhaft". Die atemlos erzählte Geschichte um den Filmregisseur Georg Wilhelm Pabst, der trotz klarem "moralischem Kompass" zum Nazi-Profiteur wird, besticht nicht nur durch ordentliches Star-Aufgebot von Greta Garbo bis Louise Brooks, Kehlman beweist auch einmal mehr ein Händchen für cineastische Perspektivwechsel, versichert der Kritiker: Expressionistische Horrorfilmszenen oder Szenen, die wie Konversationskomödien scheinen, wechseln einander ab bis die Grenze zwischen Realität und Film vollends verschwimmt. Wichtige Hauptfiguren wie Pabsts Sohn Jakob oder  Kuno Krämer, ein Abgesandter von Goebbels Propagandaministerium, sind frei erfunden, das macht der Rezensent deutlich. Und die knappe Präzision, mit der Kehlmann moralische Urteile fällt, beeindruckt den Kritiker ebenfalls.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 12.10.2023

Einen starken Roman über die fatalen Konsequenten des Kompromisses hat Daniel Kehlmann geschrieben, so Rezensent Adam Soboczynski, der dem Buch deshalb auch Lektionen über eingerissene Brandmauern in der Gegenwart entnimmt. Im Zentrum des Romans steht Georg Wilhelm Pabst, ein heute weitgehend vergessener Filmregisseur, der in der Stummfilmzeit als linker Avantgardist gefeiert wurde. Dass heute so wenig über ihn gesprochen wird, liegt daran, führt  Soboczynski aus, dass Pabst auch für die Nazis Filme gemacht hat, und auch sonst in seiner Filmografie das Großartige und das Seichte stets dicht beieinander lagen. In Hollywood allerdings ist er gescheitert, was in Kehlmanns Buch anhand geschickt gebauter Dialogszenen verarbeitet werde. Wie Pabst beherrscht laut Rezensent auch Kehlmann die Kunst des Schnitts, was sich für ihn insbesondere in dem ersten, in Amerika angesiedelten Teil des Buches niederschlägt. Auch, dass es dem Autor gelingt, Pabsts Entscheidung, sich den Nazis mit an der Oberfläche unpolitischen Filmen anzudienen, nachvollziehbar zu machen, beeindruckt Soboczynski. Eine moralische Grenzüberschreitung des Regisseurs ist allerdings eine Erfindung des Romans, merkt der Rezensent an. Letztlich zeigt sich für Soboczynski, dass angesichts des Bösen eben doch nicht die Kunst das Entscheidende ist, sondern Menschlichkeit.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 11.10.2023

Erst im letzten Drittel seiner Kritik kommt Cornelius Pollmer auf die Probleme zu sprechen, die er mit Daniel Kehlmanns neuem Roman hat - und die seiner Meinug nach dafür sorgen, dass dies vermutlich kein neuer "Sofortklassiker der Gegenwartsliteratur" wird. Zunächst aber liest der Kritiker einen Roman, der scheinbar alles richtig macht: Spannend ist die Geschichte um den fast vergessenen Filmregisseur G. W. Papst, der 1939 aus dem amerikanischen Exil zurückkehrte und sich mit den Nazis einließ, in jedem Fall, versichert Pollmer. Die Perspektiven - neben Papst treten auch dessen Assistent Franz Wilzek und Kuno Krämer, rechte Hand von Goebbels, auf - wechsele Kehlmann gekonnt, geradezu filmisch. Überhaupt gelingen dem Autor die einzelnen Szenen hervorragend, meint der Kritiker. Allein es fehlt die Introspektion, jene Kehlmann'sche "Magie", mit der der Autor seine Figuren sonst zu zeichnen weiß, seufzt er. Die "bitteren, moralischen Fragen" zu den Schrecken des Dritten Reichs bekommt Kehlmann nicht in den Griff, schließt er - und erwidert auf Kehlmanns Marbacher Vorlesung, in der der Autor das "Unseriöse" zum Ort der Kunst erklärte: "Fürs Unseriöse ist der Stoff zu erdrückend".
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 10.10.2023

Eine tolle Idee liegt Daniel Kehlmanns neuem Buch ja zugrunde, konzediert der wenig begeisterte Rezensent Helmut Böttiger: Der Roman dreht sich, lernen wir, um den Lebensweg des deutschen Regisseurs G.W. Pabst, der in der Stummfilmzeit als linker Meisterregisseur gefeiert wurde, nach einem wenig glücklichen Hollywoodausflug aber nach Nazideutschland zurückkehrte und dort mehr oder weniger unpolitische Filme drehte. Zentrum der Handlung ist, heißt es weiter, ein verschollener Film, den Pabst kurz vor Kriegsende drehte und den Kehlmann als modernistisches Großwerk imaginiert. Kehlmann schreibt selbst filmisch, erläutert Böttiger und handwerklich gut gemacht ist sein Roman zweifellos. Als Auseinandersetzung mit der NS-Zeit enttäuscht das teils ins Kolportagehafte abgleitende Buch den Rezensenten allerdings doch ziemlich.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 09.10.2023

Als die Chronik eines Scheiterns beginnt Daniel Kehlmanns neuer Roman, so Rezensent Carsten Otte, den das Ergebnis insgesamt eher nicht überzeugt. Das Buch beschäftigt sich, lernen wir, mit der Lebensgeschichte des Filmregisseurs G.W. Pabst, der in der Stummfilmzeit einige Meisterwerke drehte, aber in Hollywood, wo er Mitte der 1930er Jahre Fuß zu fassen versuchte, kein Glück hatte. Von schwachen Drehbüchern genervt und von Hitlers Helfern gelockt, kehrt Papst, wo der Regisseur einige einigermaßen systemtreue Filme dreht. Auch mit Leni Riefenstahl bekommt er es zu tun, die, das freut Otte, von Kehlmann nicht als Genie, sondern als böser Clown dargestellt wird, wobei auch ihre - sowie Pabsts - Indifferenz gegen NS-Zwangsarbeiter zur Sprache kommt. Auch an Kehlmanns Darstellung einer NS-Kitsch-Lesung findet Otte Gefallen. Ansonsten aber, moniert er, verliert sich das alles oft in einer bloßen Aneinanderreihung von Einzelszenen, die zwar von guter Recherche zeugen, aber das Material nicht hinreichend literarisch durcharbeiten. Dass die Erzählperspektive andauernd wechselt, hilft da auch nicht viel, findet der Rezensent. Zu viel auf einmal will Kehlmann, schließt Otte, aber Fleißarbeit allein macht noch keinen guten Roman.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 08.10.2023

Jan Drees erkennt im neuen Roman von Daniel Kehlmann nicht zuletzt einen Kommentar zur Gegenwart, wie der Kritiker an einigen Passagen nachweist. Da wäre zunächst der Doder'sche "Pax in Bello", der Frieden während des Kriegs, den Drees in der Geschichte um den vergessenen Regisseur G. W. Pabst, der sich mit den Nazis einließ, erkennt: Wie eine "Parabel" auf die "Pax-in-Bello-Situation" Westeuropas während des Kriegs in der Ukraine erscheint dem Rezensenten der Roman mitunter. Mehr noch: Debatten über Kunstkritik, kulturelle Aneignung und künstliche Intelligenz klingen immer wieder an, stellt der Kritiker fest, der in diesem Künstlerroman durchaus auch Kehlmanns Poetik bemerkt. Aber funktioniert der Roman auch als solcher? Dass der Autor es mit Fakten nicht allzu genau nimmt, scheint den Rezensenten weniger zu stören als die Sprache, die gelegentlich so dröge erscheine wie eine Packung "Vollkornzwieback". Langatmige Szenen und "plakative" Bilder machen es nicht besser - und so bleibt statt eines "intellektuellen Blockbusters" doch eher eine "brave Fernsehproduktion", schließt Drees.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.10.2023

Ambivalent lässt Daniel Kehlmanns neuer Roman, der das Leben des einst gefeierten, heute tendenziell vergessenen deutschen Regisseurs Georg Wilhelm Pabst fiktionalisiert, den Rezensenten Andreas Kilb zurück. Zwei wesentliche Einschnitte gibt es in dieser Regisseursbiografie, führt Kilb aus, Pabsts Scheitern in Hollywood und seine anschließende Entscheidung, Filme in Nazideutschland zu drehen - drei Filme, genauer gesagt, und der bis heute verschollene dritte steht im Zentrum des Buchs. Kehl hat gut recherchiert, und wie stets gelingt es ihm, die Fakten in eine puzzleartige Fiktion zu verwandeln, auch mithilfe einiger dazuerfundener Figuren, lobt der Kritiker. Eine solche setzt die Erzählung in Gang, erfahren wir, wobei der Roman diverse Perspektiven vereint, teils auch Pabsts eigene. Vieles liest sich wie ein Filmscript, findet Kilb, über Pabsts Motivation erfährt er allerdings wenig, selbst dann nicht, wenn der Regisseur in einer historisch nicht belegten Episode für seinen letzten NS-Film Statisten aus dem KZ rekrutiert. Letztlich bleibt Pabst zu sehr Leerstelle, schließt Kilb, der das Buch lange gebannt gelesen hat, aber am Ende doch eher enttäuscht wirkt.
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