Alexander Nehamas

Die Kunst zu leben

Sokratische Reflexionen von Platon bis Foucault
Cover: Die Kunst zu leben
Rotbuch Verlag, Hamburg 2000
ISBN 9783434530572
Kartoniert, 450 Seiten, 29,65 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Michael Haupt. Seit der Antike ist die Philosophie nicht nur eine theoretische Disziplin, die Antworten auf Fragen der moralischen Existenz des Menschen sucht, sondern auch eine Lebensweise, eine gelebte Technik. Sokrates ist seit jeher Patron aller Lebenskünstler, der bedeutende Philosophen aller Epochen dazu anspornt, nach den Prinzipien des philosophisch richtigen Lebens zu suchen. Drei von ihnen - Montaigne, Nietzsche und Foucault - hat Nehamas ausgesucht, um sie in ihrem Ringen mit ihrem philosophischen Vorbild Sokrates darzustellen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 05.07.2001

Der lange Atem des Ludger Lütkehaus: Da entwirft der Rezensent mal eben einen prophetischen Traum des Sokrates "nach einem besonders üppigen Gelage" und lässt den Meister darin über die "gegenwärtige Glücksinflation" und gleich vier Arbeiten zum Thema zu Wort kommen: "Die Kunst zu leben" von Alexander Nehamas (Rotbuch), Annemarie Piepers "Glückssache" (Hoffmann und Campe), Alain de Bottons "Trost der Philosophie" (S. Fischer Verlag) und "Verdammt zu Glück" von Pascal Bruckner und erschienen bei Aufbau.
1) Alexander Nehamas: "Die Kunst zu leben"
"'Alle Achtung!', dachte Sokrates", denkt Lütkehaus: Der hier ist mit allen Wassern gewaschen, der Autor hier. Ist mir (Sokrates) am Ende ebenbürtig? Wenn er auch mit sich selber spricht ("er zitierte immerhin etliche 'Stimmen', die anscheinend in den inzwischen verflossenen zweieinhalbtausend Jahren mit ihm diskutiert hatten, einen 'Montaigne', einen 'Nietzsche', einen 'Foucault'"), er trifft doch ins Schwarze. Spricht über mich und dann ewig über "diesen Musterschüler Platon". Die Philosophiegeschichte - nur ein paar Fußnoten zu mir bzw. zu ihm, Platon? Also das ist Ironie. Sprach Sokrates, sprach Lütkehaus.
2) Annemarie Pieper: "Glückssache"
Gründliche Arbeit, denkt Sokrates-Lütkehaus über dieses Buch. Weniger ironisch, dafür umso solider hat die Autorin gearbeitet, "Schritt für Schritt, im Gänsemarsch der Begriffe, handelte sie Lebens- und Glücksformen ab": Ästhetische Lebensform: sinnliches Glück, religiöse Lebensform: kontemplatives Glück usw. - Zuordnungen allerdings, die Sokrates nicht immer glücklich machten, "zumal er die philosophische Lebensform schmerzlich vermisste." Und das Resultat? Doch eher blass. "Und Sokrates fühlte sich nur an Wissen reicher, im Übrigen so lebensklug als wie zuvor."
3) Alain de Botton: "Trost der Philosophie"
Bei diesem Autor ist es Sokrates wohl. Erstaunlich klug, der Junge ("Man sollte ihn mal nach Athen einladen!"), und witzig (hat begriffen, "dass man bei diesem Thema gut daran tat, selber etwas zu den 'Glückssachen' beizutragen"). Fragt nach dem Gebrauchswert all der Montaigne, Nietzsche, Epikur etc. für den Trost der Philosophie bei Unbeliebtheit, Geldmangel, Frustration. Allerdings, das denken wieder beide - Sokrates und Lütkehaus -: Manchmal doch "allzu salopp", was der Autor da zum Besten gibt, Dinge, "die offenbar äußerst nachlässig absolvierten Bibliotheksaufenthalten zu danken waren."
4) Pascal Bruckner: "Verdammt zum Glück"
Die eigentliche Entdeckung im Sokratischen Traum, meint Lütkehaus, ist dieses Buch. Der Autor verstehe es mal heiter, mal sarkastisch, fast immer buchstäblich treffend zu formulieren, "so wie Sokrates es selten gehört hatte". Er war unterhaltsam, mit diversen Impromptus zu Alltagsthemen, und schüttete seinen ganzen Hohn aus über die "gegenwärtige Glücksinflation". Eine "paradoxe frohe-unfrohe Botschaft", der selbst der Meister in der Hauptsache nicht widersprechen konnte.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 21.04.2001

Zum Inspirationsquell dieses Bandes, des "aktuellen Nihilismus light", erklärt der Rezensent die Schriften Richard Rortys. Der Autor verarbeite die Rortyschen Basics zu einer "smarten Genealogie des Selbstbewusstseins", schließlich zu einer Lebenskunst als Arbeit am ureigenen Stil, so Martin Scherer in einer kritischen, dabei dem Unternehmen durchaus wohlgesonnenen Besprechung. Wenn Scherer also die Hochglanzmagazine ins Spiel bringt, denen "dieser Ansatz nicht ganz so neu ist", kommt er dem Autor doch sogleich zu Hilfe: Wer historisch so profund dem Prinzip Selbstanglotzung nachgeht, denkt er, ist ihm noch nicht ganz erlegen.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 06.12.2000

Was hat Sokrates dazu bewogen, das Angebot einer Liebesnacht mit dem schönen Alkibiades abzulehnen? Hielt er ihn für dumm oder war er, wie Nehamas eher vermutet, einfach schüchtern? Es ist nicht von ungefähr, dass Rezensent Ralf Gröter diese banal erscheinende Frage an den Anfang seiner Rezension über Alexander Nehamas` Studie rückt. Ist sie doch ein gutes Beispiel für die Ausgangsthese des Autors, die Gröter gleich nachschiebt: "Wir können ihn (Sokrates) nicht begreifen", gerade deshalb hätten sich alle immer wieder auf ihn beziehen können. Der Band stelle unterschiedliche Diskussionen über Sokrates vor: So gehe es beispielsweise um die Frage, ob die rationale Durchdringung des Ich wirklich Voraussetzung für ein gutes Leben ist. Nehamas stelle auch die Unterscheidung zwischen privaten und öffentlichen Ideen in Frage, und er wolle "die Dimension des Biografischen auf neue Weise für die Interpretation philosophischer Texte erschließen". Auf alle Fragen findet man keine befriedigenden Antworten, schließt der Rezensent, was sich jedoch nicht unbedingt störend auf Nehamas einnehmende Erzählweise auswirke.

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