Charles Lewinsky

Der Halbbart

Roman
Cover: Der Halbbart
Diogenes Verlag, Zürich 2020
ISBN 9783257071368
Gebunden, 688 Seiten, 26,00 EUR

Klappentext

Der Sebi ist nicht gemacht für die Feldarbeit oder das Soldatenleben. Viel lieber hört und erfindet er Geschichten. Im Jahr 1313 hat so einer es  nicht leicht in einem Dorf, wo die Hacke des Totengräbers täglich zu hören ist und Engel kaum von Teufeln zu unterscheiden sind. Doch vom Halbbart, einem Fremden von weit her, erfährt der Junge, was die Menschen im Guten wie im Bösen auszeichnet - und wie man auch in rauhen Zeiten das Beste aus sich macht.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 19.12.2020

Rezensent Jörg Magenau liest diesen Roman als grandioses "Lehrstück des Erzählens und der Geschichtsschreibung". In ihm erfindet der junge Sebi, angehender professioneller Geschichtenerzähler in der Schwyz des beginnenden 14. Jahrhunderts, eine glorreiche Heroenerzählung von der historischen Schlacht der Schwyzer gegen die Habsburger und wird, obwohl er selbst sich seiner hanebüchenen Beschönigung der Tatsachen schämt, dafür regelrecht gefeiert, so Magenau. Der Kritiker verspricht, dass das Buch in bunten Farben ausmalt, wie volksverhetzende Narrative zu Gewalttaten und diese wieder zu schillernden Geschichten werden - in seinen Augen ein brandaktuelles Thema.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 13.10.2020

Burkhard Müller wird nicht froh mit diesem historischen Schinken von Charles Lewinsky. Der Autor, der sich hier das Mittelalter aus Sicht eines etwas weniger dumpfen Knaben in dumpfer Zeit vornimmt, ist kein Umberto Eco, stellt Müller bekümmert fest. Heißt für ihn: Er kann weder spannungsreich aus der Geschichte der Schweizer Urkantone berichten noch gelingt es ihm, das Problem der Identifikation bei gleichzeitiger Wahrung des historischen Tons und der authentischen Gemütsverfassung des Helden in den Griff zu kriegen. Dem Autor nimmt Müller die Anachronismen nicht ab. Der Rest ist Mittelalter-Markt-Atmo und eine Sprache im Dauerperfekt, gespickt mit Helvetismen, die Müller irgendwann auf den Zeiger geht.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 01.10.2020

Rezensent Oliver Jungen lässt sich von Charles Lewinsky den eidgenössischen Gründungsmythos nacherzählen und staunt über die Fähigkeit des Autors, daraus einen "lumpenphilosophischen Abenteuer-Schelmenroman" zu machen, der zwar nicht Ecos mediävistische Stichfestigkeit erlangt, wie Jungen feststellt, aber das hochmittelalterliche Bauerntum, seine Bräuche und Geschichten, doch überzeugend darstellt. Lewinskys fabulierender Erzähler gefällt Jungen, ebenso die "opulente" Milieubeschreibung. Weniger gelungen findet er, dass die Figuren fühlen und handeln "wie moderne Individualisten". Der nüchterne, augenzwinkernde Ton der Geschichte und der "rustikale Stil" scheinen Jungen allerdings gut getroffen.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 29.08.2020

In diesem Roman beschließt der 13-jährige Sebi, der zu Beginn des 14. Jahrhunderts im kleinen Dorf Schwyz lebt, professioneller Geschichtenerzähler zu werden, verrät Rezensent Martin Oehlen. Ihm zufolge stellt das, wie er findet, historisch gut informierte Buch das Können des Jungen mit einer Vielzahl an spannenden Geschichten über Sebis Umfeld eindrucksvoll unter Beweis und würdigt damit die Kunst des Erzählens. Zugleich wird dieses Talent aber auch kritisch beleuchtet, denn wie sich zeigt, wird eine gute Geschichte oftmals lieber geglaubt als die Wahrheit, so Oehlen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 28.08.2020

Rezensent Roman Bucheli freut sich, dass mit Charles Lewinsky endlich jemand mit Talent zum Geschichtenerzählen und der nötigen Sachkenntnis über die Schweizer Eidgenossen und ihren Kampf gegen die Habsburger schreibe. In vielen kleinen Geschichten, die alle die große enthalten, so Bucheli, erzähle der Autor vom Alltag der Eidgenossen und zeichne so ein realistischeres Bild als viele Heldengeschichten. Deren Überhöhung der Ereignisse werde im Roman zudem durch den jugendlichen Erzähler und Dorfbarden reflektiert, dessen ironische Übertreibungen der Heldentaten niemand im Dorf durchschaut - ein genialer Kunstgriff, findet der Rezensent. Trotz mancher Klischees ein "kluges" Buch voller differenzierter Figuren, geschrieben mit "rustikalem Vergnügen", lobt er.