Christopher Clark

Frühling der Revolution

Europa 1848/49 und der Kampf für eine neue Welt
Cover: Frühling der Revolution
Deutsche Verlags-Anstalt (DVA), München 2023
ISBN 9783421048295
Gebunden, 1168 Seiten, 48,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Norbert Juraschitz, Klaus-Dieter Schmidt, Andreas Wirthensohn. In der Geschichte Europas gibt es keinen Moment, der aufregender, aber auch keinen, der beängstigender war als der Frühling des Jahres 1848. Scheinbar aus dem Nichts versammelten sich in unzähligen Städten von Palermo bis Paris und Venedig riesige Menschenmengen, manchmal in friedlicher, oft auch in gewalttätiger Absicht. Die politische Ordnung, die seit Napoleons Niederlage alles zusammengehalten hatte, brach in sich zusammen. Überall brachen sich neue politische Ideen, Glaubenssätze und Erwartungen Bahn. Es ging um die Rolle der Frau in der Gesellschaft, das Ende der Sklaverei, das Recht auf Arbeit, nationale Unabhängigkeit und die jüdische Emanzipation. Dies waren plötzlich zentrale Lebensthemen für unendlich viele Menschen - und es wurde hart um sie gekämpft. Die Ideen von 1848 verbreiteten sich um die ganze Welt und veränderten die Verhältnisse zum Bessern, zuweilen aber auch zum viel Schlechteren.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 10.11.2023

Der britische Historiker, kundige Analytiker und "brillante Geschichtenerzähler" Christopher Clark vergleicht in seinem zweiten historischen Monumentalwerk die Revolution(en) in Europa mit einem Feuer und mit einem Meeressturm, erzählt Rezensent Hans von Trotha. Von einem Meeressturm würde auch niemand behaupten, er sei "erfolgreich" gewesen oder "gescheitert" - vielmehr würde man die Auswirkungen messen. Genau dies tut Clark auf über 1000 Seiten - die Auswirkungen der Revolutionen messen, die Mitte des 19. Jahrhunderts Europa überrollten, so der Rezensent. Ihm scheint das Buch so anschaulich, packend und detailliert, dass er zum Teil das Gefühl hat, einen Roman zu lesen. Bisweilen ist er aber auch überfordert von dem Detailreichtum, mit dem Clark die Vielfalt der unterschiedlichen Nationen und Regionen und die Eigenheiten ihrer Revolutionen beschreibt: Hier hat Trotha fast das Gefühl auf ein "Wimmelbild" zu blicken. Clark reflektiert die Schwierigkeit, eine so komplexe Geschichte zu erzählen, jedoch auch immer wieder, zum Beispiel in dem er erwähnte Feuer-Metapher bemüht: Von jeder einzelnen Revolution zu erzählen, wäreso, als würde man die Geschichte eines Feuers verfassen, indem man die Biografie der einzelnen Flammen schreibt. Clark gelingt es, zumindest größtenteils, weder das Feuer vor lauter Flammen aus dem Blick zu verlieren, noch die Flammen vor lauter Feuer, schließt der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 21.10.2023

"Von Kürzungsfurcht geplagt" scheint Christopher Clark dem Rezensenten Florian Felix Weyh mit seinen mehr als tausend Seiten über die Revolutionsbewegungen um 1848, denen Weyh wenig abgewinnen kann. Einzelne spannende Fakten etwa zum "Guerre de Demoiselles", bei dem sich französische Bauern als Frauen verkleideten, um gegen die Großgrundbesitzer zu protestieren, werden für ihn unter zu ausufernden und zu zerfaserten Textmassen begraben. Dass der Historiker Clark am Ende dann doch keine wirklichen Antworten auf die Fragen findet, warum um 48 so viele Umstürzungsprozesse gleichzeitig stattfanden und ob sie letztlich als geglückt zu bezeichnen sind oder nicht, frustriert Weyh zusätzlich, hat er sich vom Autor doch mehr als eine etwas mühselige, viel Konzentration erfordernde Lektürearbeit erhofft. So bleibt ihm nur das Fazit, Clark sei "sein Stoff entglitten".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.10.2023

Insgesamt mit Gewinn liest Rezensentin Birgit Aschmann Christopher Clarks Buch, das die zentrale Bedeutung der europäischen Revolutionen der Jahre 1848/49 wieder ins Bewusstsein der Geschichtswissenschaft rücken möchte. Heute ist das Thema wieder aktuell, findet der Autor laut Aschmann, weil Themen wie soziale Ungleichheit wieder präsent sind. Das Buch setzt bereits in den 1830ern an, lernen wir, beschreibt ausführlich die sozialen Voraussetzungen der Revolution, wie auch deren Verlauf und Scheitern. Allzu viel neues lernt die Rezensentin nicht, aber sie weist auf Schwerpunktsetzungen hin: die Rolle der Frauen in den Kämpfen kommt oft zur Sprache, und auch die Bedeutung von Emotionen, vor allem von Angst, im Zuge revolutionärer Erhebungen und ihrer Niederschlagung. Außerdem setzt der Autor, so Aschmann, die Geschichte zu seiner eigenen Biografie in Verbindung, lässt Beschreibungen von Bildern und Liedtexte einfließen und ist auch ansonsten darum bemüht, möglichst vielseitige Perspektiven zu integrieren. Was allerdings auch bedeutet, wendet die nicht vollauf überzeugte Rezensentin ein, dass man oftmals den Überblick verliert in diesem ausgesprochen langen und nicht allzu gut sortierten Buch. Etwas mehr Ordnung und Einordnung hätte Aschmann sich doch gewünscht, aber als ausufernde Gesamterzählung der 1848er-Revolution hat das Buch einen Wert.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 30.09.2023

Rezensent und Historiker Joachim Käppner ist begeistert von Christopher Clarks Abhandlung über die europaweiten 1848er-Aufstände gegen die Monarchie. Denn wie auch bei seinem letzten Buch gelinge dem in Cambridge lehrenden Australier eine perfekte Mischung aus fachlich fundiertem Wälzer und Pageturner, lobt Käppner: Äußerst lebendig schreibe Clark über die sozialen Umstände wie Armut, Unruhen und Wut in der Bevölkerung, die den Boden für die Aufstände bereiteten, über die Spaltung der Revolutionäre in die gemäßigteren Liberalen und die radikalen Demokraten, die wesentlich zum Scheitern der Bewegungen beitrugen, und darüber, wie die Aufstände damals als europäische wahrgenommen und erst im Nachhinein "nationalisiert" wurden. Wie das im Falle Deutschlands getan wurde, hält der Kritiker für sinniger als der Autor; aber das scheint der einzige Punkt zu sein, an dem er nicht mit Clark übereinstimmt. Ansonsten genießt er die inhaltliche Tiefe und stilistische Brillanz der Studie; ein Buch wie eine "Kamerafahrt in die
wilde Zeit des Völkerfrühlings", so Käppner.
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Buch in der Debatte

9punkt 30.09.2023
In seinem neuen Buch "Frühling der Revolution" beschäftigt sich der Historiker Christopher Clark mit dem Revolutionsjahr 1848. "Erstaunlich, wie schnell die Macht sich verflüssigen kann", sagt er im FR-Gespräch mit Michael Hesse, in dem er Parallelen zur Gegenwart sieht. Unser Resümee