Colson Whitehead

Die Regeln des Spiels

Roman
Cover: Die Regeln des Spiels
Carl Hanser Verlag, München 2023
ISBN 9783446277540
Gebunden, 384 Seiten, 26,00 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Nikolaus Stingl. New York Ray Carney will von krummen Geschäften nichts mehr wissen. Er hält sich raus aus dem täglichen Chaos New Yorks, wo Gangster sich Schießereien liefern und die Black Liberation Army zum bewaffneten Kampf aufruft. Wäre da nicht seine Tochter May mit dem schier unerfüllbaren Wunsch nach einem Ticket für das Konzert der Jackson Five. Ray muss sein altes Netzwerk aktivieren - auf die Gefahr hin, sich selbst wieder zu verstricken. Als in Harlem ganze Wohnblocks in Flammen aufgehen, beauftragt er Pepper, der wie kein zweiter die Regeln des Spiels kennt, um für Gerechtigkeit zu sorgen.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 18.11.2023

Rezensentin Katharina Granzin sieht in Colsons Whiteheads Roman über die Gangsterszene in Harlem das Potential zu einer Mini-Serie. Das Episondehafte der Geschichte um den Whitehead-Lesern schon bekannten Antihelden Ray Carney fällt Granzin besonders auf. Eigentlich gerade in der Legalität angekommen, rutscht Carney, den die Kritikerin durchaus sympathisch findet, wieder in kriminelle Machenschaften ab. Weil er seinen Kindern den Besuch eines eigentlich ausverkauften Baskettball-Spiels ermöglichen will, lässt er sich auf einen Deal mit einem korrupten Polizisten ein, so Granzin, das Schicksal nimmt seinen Lauf. Eine zweite Episode erzählt von Pepper, einem "knallharten Typ", der für Carney arbeitet. Whitehead gelingt hier eine dichte Atmosphäre, so Granzin, überdurchschnittliche Qualität kann sie ihm trotzdem nicht bescheinigen. Dafür sind die Figuren ein wenig zu flach, die Handlung ein bisschen zerfasert. Ein überraschendes Finale gibt es dann trotzdem, schließt die Kritikerin.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 02.10.2023

Dieser neue Roman von Colson Whitehead wird bestimmt verfilmt, ist sich Rezensent Stefan Michalzik sicher, liest sich die Geschichte um den ehemaligen Hehler Ray Carney im Harlem der Siebziger doch fast wie ein Tarantino-Film. Schwarzsein ist bei Whitehead immer wieder Thema, so auch hier in diesem losen Nachfolger des Vorgängerromans "Harlem Shuffle", der von den Black Panther, korrupten weißen Cops und entführten Schauspielerinnen handelt und dabei mit einer Fülle von Figuren jongliert, die dem Autor aber niemals aus der Hand fallen, lobt Michalzik anerkennend. Ebenso "schwindelerregend" werden die verschiedensten Handlungsmotive miteinander verwoben, die dem Rezensenten die große Erzählkunst des zweifachen Pulitzer-Preisträgers zeigen. Einzig die Übersetzung weist ein paar Schnitzer auf, bemerkt der Kritiker, das hält ihn aber nicht davon ab, diesen in großer amerikanischer Erzähltradition stehenden "Blaxploitation-Roman" uneingeschränkt zu empfehlen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 18.09.2023

Rezensent Roman Bucheli ist begeistert: Colson Whitehead erzählt in diesem Roman, dem zweiten Teil seiner Harlem-Trilogie, flott und unterhaltsam von dem schwarzen Möbelverkäufer Ray Carney, der im Harlem der Siebziger einigermaßen ehrlich zu überleben versucht. Die krummen Geschäfte hat er aufgegeben, aber als seine Tochter sich zum Geburtstag Karten für ein Konzert der Jackson Five im Madison Square Garden wünscht - der längst ausverkauft ist - wendet sich Carney an einen korrupten Polizisten, der ihm die Karten beschafft - und dafür selbstverständlich eine Gegenleistung erwartet. Carney sitzt also im Schlamassel. Es wird gemordet und betrogen, aber die "lustvolle Inszenierung" der Gewalt wird immer wieder durchsetzt mit Beschreibungen des Lebens in Harlem, so der beeindruckte Bucheli. Er liest den Roman als brillantes "Sittenbild" einer Gesellschaft, die sich bis heute nicht ihrem Rassismus gestellt hat.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 02.09.2023

Rezensent Wieland Freund hat es schon nach der Lektüre von "Harlem Shuffle" geahnt und fühlt sich nun, nachdem er den fulminanten Nachfolgeroman "Die Regeln des Spiels" gelesen hat, bestätigt: Colson Whiteheads Gangsterkomödien sind nicht nur herrlich treibende, lässig erzählte und genial schwarzhumorige Geschichten über Mobsterbosse, Kleinkriminelle, Versicherungsbetrüger und jene, die ihnen auf den Schlichen sind. Nein, insgeheim wird hier eine Geschichte New Yorks erzählt, lesen wir - des schwarzen New Yorks, um genau zu sein - und zwar in der ihr "angemessenen popkulturellen Form". Während man im ersten Teil dem aufstrebenden Ganoven und Einzelhändler Ray Carney durch das Harlem der 60er Jahre folgen durfte, widmet sich Whitehead nun den wilden 70ern und stellt Carney außerdem einen veritablen Sidekick zur - nun ja - Seite, erklärt Freund. Außerdem sind da noch ein aufstrebender Blaxploitation-Star - verschwunden, ein Polizist - korrupt, und Manhattan im Hintergrund - brennend. "Ihr seid hungrig, gebt es zu", zitiert der Rezensent am Ende diesen unberechenbaren Autor, und gibt damit zu: Er ist hungrig! Auf Mehr!

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 02.09.2023

Rezensent Hans von Trotha staunt, wie scheinbar mühelos Colson Whitehead seinen "Harlem Shuffle" fortschreibt und zu einem Gesellschaftspanorama New Yorks in den 1970ern erweitert. Der Text bietet einen "Gaunerplot" um den Möbelhändler und Ganoven Ray, aber auch die Analyse gesellschaftlicher und sozialer Strukturen und von Rassismus und Gewalt, merkt Trotha respektvoll an. Ein "explosives Ende" gibt es obendrein, so der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 26.08.2023

Rezensent Ulrich Rüdenauer freut sich, dass Colson Whitehead ein weiteres Mal das New York der Vergangenheit auferstehen lässt. Dieses Mal sind es die siebziger Jahre, in denen es noch "gewalttätiger und illusionsloser" zugeht als in den im Vorgängerband geschilderten sechziger Jahren, und die dem bekannten Protagonisten Ray Carney den idealen Nährboden bieten, sich wieder in kleinkriminelle Machenschaften zu verstricken: Eigentlich auf dem besten Weg zur "bürgerlichen Schwarzen Mittelschicht Harlems" mit Frau, Kindern und seriösem Beruf lässt er sich mit einem weißen Polizisten ein, der für die Verschaffung begehrter Jackson-5-Tickets (Rays Tochter ist großer Fan) eine Gegenleistung erwartet. Wie Whitehead diesen Kriminalplot irgendwo zwischen Pulp, Noir und Blaxploitation aufzieht, dabei auch die gesellschaftspolitische Ebene der Zeit als Hintergrund miteinbezieht, aber Unterhaltungswert und Witz nicht aus den Augen verliert, findet Rüdenauer gekonnt und lobt auch die deutsche Übersetzung von Nikolaus Stringl. Dass die leidenschaftlich-detaillierte Beschreibung der historischen Kulisse manchmal fast in "Überladenheit" kippe, scheint den Lesespaß beim Kritiker nicht zu trüben.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.08.2023

Komplett scheint Colson Whiteheads Roman für Rezensent Jan Wiele den Verdacht, Harlem sei als Thema in Literatur, Kino und Fernsehen allseitig auserzählt, nicht zu widerlegen. Die Handlung ist, lernen wir, in den 1970ern angesiedelt und dreht sich um einen Ex-Hehler, der inzwischen als Möbelverkäufer arbeitet. Whitehead zeichnet, heißt es weiter, ein düsteres Bild seines Schauplatzes: Erbarmungsloses Gewinnstreben und Polizeigewalt dominieren, auch die Geschichte militanter schwarzer Widerstandsgruppen wird mitverhandelt. Deutlich im klassischen Hardboiled-Stil ist die Sprache des Buchs gehalten, so Wiele. Nikolaus Stingls Übersetzung nimmt sich für Wieles Geschmack freilich zu wenig Freiheit gegenüber dem Original heraus. Gut gefallen dem Rezensenten die spielerischen Elemente des Buchs, das er am Ende in die lyrisch geprägte Tradition der Harlem-Literatur einordnet, die ihre Wurzeln in den 1950ern hat.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.08.2023

Laut Rezensent Felix Stephan gelingt das Vorhaben, mit dem Colson Whitehead hier angetreten ist - nach seinen Bestsellern um Rassendiskriminierung in den USA nun endlich eine leichte Geschichte zu schreiben. Das Thema Rassismus kommt wiederum vor, nur etwas verdreht als Businessmodell schwarzer Künstler, die erfolgreich weiße Klischees von "authentischer" schwarze Kultur inszenieren, erläutert Stephan. Als Fortsetzung von "Harlem Shuffle" ist das Buch auch wegen des übereinstimmenden Personals kenntlich, meint er. Der Plot um den Möbelhändler und Hehler Ray Carney ist laut Stephan gespickt mit der ganzen bunten Palette Harlemer Unterweltgestalten.
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