Cynthia Fleury

Hier liegt Bitterkeit begraben

Über Ressentiments und ihre Heilung
Cover: Hier liegt Bitterkeit begraben
Suhrkamp Verlag, Berlin 2023
ISBN 9783518587959
Gebunden, 316 Seiten, 28,00 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Andrea Hemminger. "Ressentiments sind die gefährlichste Krankheit für die Demokratie." Die politische Philosophie und die Psychoanalyse teilen ein Problem, das sowohl für das Leben der Menschen als auch für die Gesellschaft eine Gefährdung darstellt: die dumpfe Unzufriedenheit, diese Bitterkeit, die unter die Haut gehen kann - das Ressentiment. Die Philosophin und Psychoanalytikerin Cynthia Fleury begibt sich in ihrem Buch auf die Suche nach den Ursprüngen und dem innersten Wesen des Ressentiments. Was können wir tun, um in unseren Demokratien dessen bedrohliche Impulse einzudämmen? Wie können wir Ressentiments heilen? Fleury taucht tief ein in die einschlägigen Überlegungen von Friedrich Nietzsche, Max Scheler, Sigmund Freud, Theodor W. Adorno und Frantz Fanon und entwickelt eine klinische Sichtweise: Für einen Patienten besteht das Ziel der Therapie nicht allein in Erkenntnis und Wissen, sondern in der Fähigkeit, durch das eigene Leiden hindurch wieder zum Handeln zu gelangen. Auf der Ebene kollektiver Prozesse des Ressentiments, die in unserer globalisierten Welt mit zunehmender Heftigkeit auftreten, steht das Verhältnis von Psyche und Politik im Zentrum: Der demokratische Rechtsstaat ist in dieser Perspektive nicht nur ein institutionelles Verfahren, sondern auch eine notwendige Form der "Fürsorge", um zu verhindern, dass die Bürgerinnen in Ressentiments abgleiten. Eine Untersuchung an der Schnittstelle von Philosophie, Psychoanalyse und Politik.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 25.08.2023

Rezensent Jens Balzer empfiehlt wärmstens das Buch der Philosophin und Psychoanalytikerin Cynthia Fleury. Nicht etwa, weil es vom Ressentiment zu heilen vermag, wie im Untertitel versprochen, sondern weil die Autorin sehr klug und infomiert über die Bitterkeit in der Gesellschaft und die politischen Folgen schreibt, wie Balzer feststellt. Wie Fleury das Ressentiment von allen Seiten betrachtet, mit der psychoanalytischen, der philosophischen und der soziologischen Brille, findet Balzer nicht unbedingt einfach, aber inspirierend. Macht Balzer große Lust, die behandelten Texte von Freud, Nietzsche, Fanon und Deleuze (neu) zu lesen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.08.2023

Mit großem Interesse liest Rezensent Martin Hartmann Cynthia Fleurys Buch über Ressentiments. Dabei liefert Fleury keine direkte Definition des Begriffs, sondern nähert sich dem Begriff über andere Philosophen an, lesen wir. Der Mensch, der dem Ressentiment anheim fällt, will durch den Hass auf andere Gruppen den eigenen Lebensverhältnissen entfliehen, resümiert Hartmann. Dabei entscheide sich das Subjekt für die "Nicht-Tat" - was Hartmann weniger einleuchtet, in Anbetracht der vielen Tätlichkeiten von Populisten. Auch im Nationalsozialismus soll es diese "Nicht-Tat" gegeben haben, hier hat man seine Handlungen an den Führer übertragen, lesen wir. Fleury schafft es nicht, Hartmann zu erklären, wer dem Ressentiment verfällt und wer nicht, sie bleibt allgemein, moniert der Kritiker: Es könne "jeden jederzeit treffen". Letztendlich empfiehlt die Autorin eine Therapie für jedes Individuum, dass dem Ressentiment verfällt - wie das Problem in der Masse zu lösen sei, erklärt die Autorin nicht, seufzt Hartmann.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 08.07.2023

Rezensent Nils Minkmar imponiert der ungewöhnliche Ansatz, mit dem Cynthia Fleury gegen das Gefühl des Ressentiments anschreibt. Denn die französische Philosophin und Therapeutin hat hier, so Minkmar, durchaus keinen leicht zugänglichen Ratgeber vorgelegt - auch wenn sie verschiedene Auswege aus dem Ressentiment aufzeigt: Durch die "vis comica" (also einen Sinn für Humor), die Poiesis (eine kreative Betätigung) oder die Philia (Freundschaft oder Liebe) könne man die eigene Welt erweitern oder eine gemeinsame Welt bauen, wie der Kritiker liest. Ausschlaggebend sei aber auch hier, dass man dem Buch den philosophischen Hintergrund der Autorin deutlich anmerke. So handle es sich am Ende weniger um ein lineares "Rezept" gegen Ressentiments als um eine assoziative "Schnitzeljagd", so Minkmar, mit Stationen von Frantz Fanon über Melville bis Nietzsche. Den Anspruch, dem Leser nicht mundgerechte Stückchen anzubieten, sondern von seinem "Können" auszugehen, findet der Kritiker erfrischend. Ein vorzüglich ins Deutsche übersetztes Buch, das auch hierzulande ein Beststeller werden sollte, schließt Minkmar.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 06.07.2023

Katharina Teutsch beschreibt das Buch in ihrer intellektuell beschwingten Kritik als eine Art Theorie des Ressentiments, eines Gefühls, das heutige Gesellschaften überall zu vergiften scheint. Die Grundlage dieses Gefühls sei oft real, problematisch aber sei seine Verabsolutierung, die darin besteht, dass man immer neue Vorwände für seine Aufrechterhaltung suche. Die Kränkung werde so geradezu kultiviert, ein Ausgang nicht mehr denkbar. Laut Fleury und der Rezensentin gelte es, dagegen eine "Politik jenseits des Ressentiments" zu entwerfen. In der Psychoanalyse seien hier Anregungen zu finden, es brauche aber auch eine Politik der Gleichheit und die Einsicht - mit Vladimir Jankélévitch - dass es unnötig sei, "sich für 'tragisch' zu halten, es genüge, 'ernst' zu sein".