Deborah Feldman

Judenfetisch

Cover: Judenfetisch
Luchterhand Literaturverlag, München 2023
ISBN 9783630877518
Gebunden, 272 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Was bedeutet "Jüdischsein" heute? Deborah Feldman, von Holocaust-Überlebenden in den USA erzogen und ausgerechnet nach Deutschland emigriert, über einen Begriff, der immer auch eine Zuschreibung, eine Begrenzung, eine Projektion ist, im Negativen wie im Positiven. Ihre Auseinandersetzung mit ihrem kulturellen Erbe - und der damit verbundenen Last - beinhaltet auch das Bestreben, das Jüdischsein in etwas Größeres, Diverseres, Humaneres einzubinden. Es ist ein Plädoyer für mehr Gemeinsamkeit über Grenzen hinweg - und eine Ermutigung an alle jene, die sich aus der Falle von Gruppenzwängen befreien wollen, um ihre Identität frei und selbstbestimmt zu definieren.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 13.12.2023

Hochaktuell erscheint dem Rezensenten Björn Hayer Deborah Feldmans Buch über das moderne Jüdischsein. Anders als Judith Butler, die sich auf feministische und postkoloniale Trennlinien konzentriere, arbeite sich Feldman besonders am Konflikt zwischen liberalen und orthodoxen Juden ab. Für sie ist Israel in der Hand von Fundamentalisten, die liberale Lebensweisen wie in Berlin missbilligen, resümiert Hayer. Feldman beklage auch den Opferstatus Israels und die Angst vor "Feinden", die nicht hinterfragt würden. Anschläge wie die in Hanau wertet Feldman als Angriff auf die Demokratie als solche, was Hayer als gelungenen Ansatz nimmt, um den Blick innerhald der Debatte zu weiten. Ein guter, "erfrischend rabiater" Anfang für die Suche nach einem zeitgemäßen Judentum, die noch nicht vorbei ist, schließt Hayer.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 30.11.2023

Vor allem in den vergangenen Wochen war Deborah Feldman omnipräsent, auch ihr noch vor dem 07. Oktober erschienenes Buch "Judenfetisch" wurde meist wohlwollend besprochen. Dennoch beklagte Feldman nicht zuletzt in der SZ, sie werde in Deutschland aufgrund ihrer Israelkritik durch "Diskreditierung zum Schweigen" gebracht, sie führte unter anderem ein Zeit-Interview an, das nicht veröffentlicht wurde. Der Literaturchef der Zeit, Adam Soboczynski räumt ein, er und Interviewpartner Ijoma Mangold hätten Feldman nicht ausreichend mit Angriffen, die sie im Buch vornimmt, konfrontiert und das Gespräch in Folge nicht publiziert. Die Konfrontation holt der Rezensent heute in einer fairen Besprechung des Buches nach: Bewegend findet er jene Passagen, in dem sie von einer Reise in ein orthodoxes Viertel in Jerusalem erzählt, erhellend ihre Diagnose zum Rechtspopulismus in Israel. Auch "erzählerische Wucht" attestiert der Kritiker der Autorin, etwa wenn sie über ihren deutsch-jüdischen Alltag schreibt. Hinweglesen kann Soboczynski aber nicht über jene Passagen, in denen Feldman das Existenzrecht Israels in Frage stellt oder deutsche Juden als "Bühnenjuden" herabsetzt. Auch die Aussagen über "Sowjetjuden", denen sie historisch fragwürdig einen Mangel an "Jüdischsein" vorwirft oder ihre abwertenden Einlassungen zu Michel Friedman machen den Kritiker fassungslos: Wie wäre wohl reagiert worden, wenn ein Nichtjude so etwas geschrieben hätte, fragt er.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 28.09.2023

Wenig Erfreuliches weiß Rezensent Carsten Hueck über Deborah Feldmans Buch zu berichten, das ein Roman werden sollte, aber ein Essay wurde. Feldman unterstellt den Deutschen einen Judenfetisch, lernen wir, und vielen in Deutschland lebenden Juden, dass sie sich bereitwillig demselben andienen. Die Autorin klagt die Überbetonung von Identität an, führt Hueck aus, beschäftigt sich aber selbst obsessiv mit der Identität deutscher Juden, etwa solcher, die als Christen geboren und später konvertiert sind. Unter den Tisch fallen dabei unter anderem Antisemitismus und die Lebensgeschichten von Remigranten, kritisiert der Rezensent. Auch mit der quirligen, unstrukturierten Form kann Hueck nichts anfangen: Sie verwandele die Lebenswelt der Autorin letztlich in ein "Wonderland", in dem wenig Hand und Fuß habe. Auch der skeptische Blick Feldmans auf Israel wird empirisch nicht unterfüttert, kritisiert der Rezensent. Nicht zuletzt findet er das Buch schludrig redigiert.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 16.09.2023

Ganz zur rechten Zeit kommt Deborah Feldmans neues Buch für den Rezensenten Fokke Joel: Ein Besuch in Yad Vashem regte die Autorin zum Nachdenken über jüdische Identität an, dort war sie irritiert, wie der Schmerz einer Holocaust-Überlebenden ausgenutzt wurde, um bei den Anwesenden Gefühle von Scham und Schuld zu evozieren. Auch "eine Art Fabian Wolff" lernt sie kennen, jemanden, der sich sein Jüdischsein nur ausgedacht hat und nun als eine Art "Judenfetisch" vor sich her trägt, sodass er sich zum Opfer stilisieren kann, liest Joel und denkt dabei an aktuelle Debatten. Für Feldman, die sich aus den Zwängen einer ultraorthodoxen jüdischen Gemeinde befreit hat, sei das auch Anlass, ihr eigenes Gedenken an den Holocaust zu hinterfragen. Über einige schwammige Formulierungen kann Joel dabei gut hinwegsehen, hält er das Buch doch für einen wichtigen Debattenbeitrag. Warum genau, erschließt sich allerdings nicht recht aus seiner mit langen Zitaten aus dem Buch gespickten Kritik.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 02.09.2023

Rezensentin Mara Delius nimmt Deborah Feldmans Aufforderung zum Nachdenken über eine real existierende jüdische Identität und jüdisches Leben in Deutschland gerne an. Feldman bietet laut Delius durchaus auch eine Art Abrechung mit erinnerungspolitischen Topoi, aber vor allem erzählt sie anekdotisch locker von Einrücken und Beobachtungen in Jerusalem, Berlin und den USA. Dieser Stil führt laut Rezensentin zu Ungenauigkeiten bei der Bestimmung des titelgebenden "Fetisch" wie bei der Wiedergabe deutsch-jüdischer Debatten. Wann immer Feldman von ihrer eigenen Identitätssuche berichtet und darüber nachdenkt, wird es für Delius berührend und interessant.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 26.08.2023

Rezensentin Marie Schmidt wirkt etwas verunsichert von Deborah Feldmans neuem Buch. Die Autorin setzt darin ihre Identitätssuche fort, die mit dem Ausstieg aus einer ultraorthodoxen chassidischen Gemeinde New Yorks ihren Anfang nahm und die Autorin nach Berlin führte, um dort frei als "Mensch unter Menschen" zu leben - was aber durch ein Zurückgeworfen-Werden auf ihr Jüdischsein, gebündelt unter dem Begriff "Judenfetisch", verhindert werde, wie Schmidt zusammenfasst. Auffällig findet die Kritikerin, wie sich hier erneut Feldmanns große Sensibilität für "Vereinnahmungsversuche" von außen zeige - insbesondere das Klischee der "erbosten", rächenden Juden werde hier angesprochen. Auch um viele andere Aspekte wie die Eindrücke einer Israel-Reise, die Unterschiede zwischen Flüchtenden vor dem Syrienkrieg und vor dem russischen Krieg gegen die Ukraine oder den Fall um den Rabbiner Walter Homolka geht es - das sind der Kritikerin fast zu viele große Themen. Kritisch bewertet sie außerdem, dass Feldman selbst die starken Gruppenbildungen (etwa Konvertiten versus "eigentliche Juden") reproduziert, gegen die sie sich eigentlich wenden wolle. Kein einfaches Buch, vermittelt Schmidt, auf dessen Aufnahme in Deutschland sie gespannt ist.
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