Eckhard Henscheid, Gerhard Henschel

Jahrhundert der Obszönität

Eine Bilanz
Cover: Jahrhundert der Obszönität
Alexander Fest Verlag, Berlin 2000
ISBN 9783828600577
gebunden, 608 Seiten, 25,46 EUR

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 25.05.2000

Dieter Hildebrandt bewundert vorsichtig den "großen Atem" mit dem die Autoren die Obszönitäten des 20. Jahrhunderts anprangern: Von der Dreyfus-Affäre über zwei Weltkriege bis zu Bill und Monica und die Berliner Hauptstadtkultur. Karl Krauss als Führer immer vorneweg. Auf die abstoßenden Seiten des Buchs kommt er erst sehr spät zu sprechen - wenn es nämlich "an die Person" geht. Der Hohn, den die Autoren über Thomas Mann (`räudig ekelhaftes Greisengeschmadder`) oder Marcel Reich-Ranicki (`typologisch und charakterologisch konkurrenzlos unmusischer Mensch`) gießen, gehört für den Rezensenten "zu den widerlichsten Obszönitäten" des Buches.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 13.05.2000

Ein buntes Sammelsurium des Obszönen, von Stalin und Hitler bis zu "Lady Dis Heiligsprechung" scheinen die Autoren da zu präsentieren. Aber der Rezensent mit dem Kürzel "pap." zeigt sich in seiner Kurzkritik recht agetan: "Blutiger Ernst und medialer Quatsch folgen sich in munterem Wechsel, ohne dass die Proportionen verwischt würden." Manchmal hätten die Texte gar die Schärfe eines Karl Kraus. Allerdings zieht der Rezensent Henscheid als pointierter, "auch kauziger" vor, während er Henschel eine gewisse Renommiersucht und Angeberei des Zitierens übel nimmt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 27.03.2000

Ralph Hammerthaler ist den Autoren einer Meinung, was Obszönität im 20. Jahrhundert ausmacht: `Nicht das Bild einer nackten Frau, die ihre Schamhaare entblößt, ist obszön, sondern das eines Generals im vollen Wichs` (Herbert Marcuse, der in dem besprochenen Band zitiert wird). Auf die Dauer ermüdet den Rezensenten jedoch der "Obszönitäten-Overkill" bei Figuren wie Hitler oder Kaiser Wilhelm. Auch vermißt er ein "obszönitätsanalytisches Set", die Autoren hielten ihre moralischen Standards bedeckt. Dennoch müsse man das Buch unbedingt lesen, behauptet Hammerthaler. Doch diese Aufforderung gilt möglicherweise nur Autoren der Süddeutschen Zeitung: In der "Auflistung der Inflationspalette des Kulturbegriffs" hat Hammerthaler nämlich auch die SZ gefunden - als Schöpferin des Wortes `Laptop-PC-Modem-Kultur`.
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