Eugen Ruge

Pompeji

oder Die fünf Reden des Jowna. Roman
Cover: Pompeji
dtv, München 2023
ISBN 9783423283328
Gebunden, 368 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

Als auf einem Berg oberhalb der Stadt Pompeji tote Vögel gefunden werden, hat der Einwanderer Jowna eine Eingebung: Wenn da wirklich ein Vulkan grollt, wie von manchen behauptet wird, dann muss man das Weite suchen. Ohne Schulbildung, Geld und Einfluss gelingt es ihm, sich an die Spitze einer Aussteigerbewegung zu setzen. Bald fürchtet das Stadtoberhaupt Fabius Rufus, die Vulkangerüchte könnten Pompeji schaden, aber erst als auch einer der reichen Bürger auf die Gefahr etwas zu geben scheint, schaltet sich Livia ein, die mächtigste Frau der Stadt. Jowna schwenkt um. Die Katastrophe vor Augen, tut er - nichts.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 22.05.2023

Rezensent Wolfgang Schneider freut sich in einer ausführlichen Rezension über diese "nuancierte Gesellschaftssatire" von Eugen Ruge, die ihn nicht nur durch ihre differenzierte Figurenzeichnung überzeugt. Die Handlung ist in der Stadt Pompeji angesiedelt, einige Monate vor dem verhängnisvollen Vulkanausbruch, so der Kritiker. Die von den Römern eingenommene Stadt mutet bei Ruge sehr zeitgenössisch an, schmunzelt Schneider: Sowohl mit modernem Vokabular als auch mit zahlreichen Anspielungen auf die heutige Zeit, stellt die Geschichte eine eindeutige, aber nicht eindimensionale, Parabel auf die Aktualität dar. Protagonist Josse ist einer der wenigen, die die drohende Gefahr durch den Vulkan erkennen, lässt sich aber, verführt durch Ruhm und Reichtum, von der mächtigen Unternehmerin Livia Numistria anwerben und wirft seine Ansichten über Bord: Opportunistisch plädiert er nun für ein "Leben mit dem Vulkan". Man darf sich von dem etwas chaotisch wirkenden Beginn des Romans nicht vergraulen lassen, rät der Kritiker, denn im Laufe der Lektüre fügt sich alles zu einem harmonischen Ganzen zusammen. Mit der Schilderung einer Zeit, die zwischen Dekadenz und "Endzeitbewusstsein" changiert, ist Ruge hier ein faszinierender Roman und Spiegel der heutigen Gesellschaft gelungen, schließt Schneider.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 20.05.2023

Rezensent Wolfgang Schneider wirkt gut unterhalten von Eugen Ruges parabelhafter, witziger Geschichte um die Gesellschaft Pompejis kurz vor dem Vulkanausbruch, die von dessen Vorhersage nichts wissen will. Es geht dabei vorrangig um den jungen Josse, Sohn eines nach Pompeji Geflüchteten, der zunächst als einer der wenigen von der drohenden Katastrophe überzeugt ist und eine Art Sekte gründet, dann jedoch von der skrupellosen Geschäftsfrau und Ehepartnerin des Stadtoberhaupts umgedreht und für eine Kampagne für ein "Leben mit dem Vulkan" eingespannt wird. Wie der Autor dabei "triftige" Figurenzeichnungen mit komödiantischen Szenen und mit Andeutungen auf gegenwärtige Krisen verbindet, ohne die Geschichte in eine Parabel etwa auf die Klimakrise völlig aufgehen zu lassen, erscheint Schneider gekonnt und erfrischend. Aktuell wirkt der Roman auch durch die Einbeziehung moderner Wörter wie "Männerphantasien", "Touristen" oder "Patriarchat" - der Kritiker vermutet hier Bertolt Brecht als Vorbild. Einzig die anfangs "verzettelt" wirkende Erzählstruktur weist Schneider als Schwachpunkt aus, die sich aber mit der Zeit als durchdacht herausstellt und sich zu einem "Spiegelkabinett" von Roman fügt, so der faszinierte Kritiker.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 17.05.2023

Die Vergangenheit dient im neuen Roman von Eugen Ruge als Kulisse für die Gegenwart, kann Rezensent Adam Soboczynski unschwer erkennen. Das antike Pompeji wird zum kritischen Spiegel der heutigen Gesellschaft: die unterschiedlichsten Weltbilder treffen hier aufeinander, in ziemlich aktueller Terminologie, so der Rezensent. Es gibt sowohl feministische Bestrebungen als auch Umweltschützer, linke Dogmatiker und Warner vor dem "westlichen" bzw. hier römischen Imperialismus, schmunzelt Soboczynski. Vor allem aber werden jene, die vor der drohenden Gefahr des nahen Vulkans warnen, wie der Protagist Josse, ignoriert oder aber vom kapitalistischen System ganz einfach an die Kandare genommen. Komik und "Kälte der Beobachtung" paaren sich, so der Kritiker, wenn Ruge Josses sozialen Aufstieg in den Luxuspalästen der reichen Städter schildert, und die drohende Katastrophe immer konkreter wird. Der Rezensent schätzt die gelassene Distanz der Erzählung, die ohne plakative Botschaften auskommt und die menschliche Fehlbarkeit in all ihren Facetten darstellen kann, ohne den Zeigefinger zu erheben. Das ist so intelligent wie "abgründig" und durchaus empfehlenswert, findet der Kritiker.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 24.04.2023

Hervorragende Unterhaltung hat Rezensent Martin Oehlen mit Eugen Ruges Roman über den Untergang Pompejis genossen. Dabei harmonieren die "vulkanischen Eigenschaften" des Buches, seine Kraft und Faszination, wunderbar mit seinem "unvulkanischen" Witz, schreibt der Kritiker augenzwinkernd. Im Buch begegnen wir der mächtigen Livia Numistria, die neben ihrer Schönheit und ihrem Geld auch den jungen Emporkömmling Josse benutzen will, um sich im antiken Pompeji noch mehr Einfluss zu verschaffen. Josse, der zunächst vor den Gefahren des nahen Vulkans warnt, vergisst seine Prinzipien schnell, lesen wir, und propagiert bald das Gegenteil: 'Leben mit dem Vulkan!' Auf manchmal "urkomische" und so "absurde wie vertraute Weise" zeichnet der Autor ein Bild von der moralischen Verworfenheit der pompejischen Gesellschaft, amüsiert sich der Kritiker und fühlt sich ein bisschen an Monty Python erinnert. Bewusst verwendet Ruge modernes Vokabular und zieht Parallelen zur Gegenwart, bemerkt Oehlen. So stellt sein Roman auch eine Aufforderung dazu dar, nicht nur kritisch auf die Geschichte, sondern auch auf heutige Machtverhältnisse zu schauen und "Demokratie wachsam zu leben", so der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 22.04.2023

Rezensent Peter Körte findet viel zu kritisieren und wenig zu loben am neuen Roman von Eugen Ruge: Die Prämisse von Pompeji als Background, um antikes Leben mit Gegenwartsbezügen zu versehen, hätte interessant werden können, aber Ruge verspielt seine Chancen, meint Körte. Figuren wie Plinius der Ältere oder Fabius Rufus treten als Bewohner der Stadt wieder auf, wirken auf den Kritiker aber eher wie Mittel zum Zweck: Das antike Leben wird oft genug faktisch falsch dargestellt und scheint eher als Kulisse für ein Gleichnis zu dienen, von dem er nicht genau weiß, wo es eigentlich hingehen soll. Dass der Gewinner des Deutschen Buchpreises 2011 seine Quellen höchstens als Stichwortgeber betrachtet, ärgert den Kritiker zusätzlich, so kann der Roman für ihn weder zum Verständnis der Antike noch zu dem der Gegenwart etwas beitragen und nicht einmal mit literarischer Wertigkeit punkten, zu besserwisserisch ist Körte die Erzählstimme.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 19.04.2023

Rezensent Christian Mayer fühlt sich durch Eugen Ruges neuen Roman über den Untergang Pompejis eher gut unterhalten als erschüttert. Gekonnt satirisch zeichnet der Autor das Bild einer dekadenten Gesellschaft, die sehenden Auges auf ihren Untergang zusteuert, so der Kritiker, dabei zieht er Parallelen zur Gegenwart, die sich anbieten, aber manchmal etwas angestrengt wirken, wie Mayer findet. Ruge lässt sowohl fiktive als auch realhistorische Figuren auftreten und gibt damit einen "wenig schmeichelhaften", aber authentischen Einblick in das Leben der frühen Kaiserzeit, geprägt vom Machtstreben der Eliten, Kapitalismus und Demagogie, resümiert Mayer anerkennend.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de