Gabriela Adamesteanu

Der Trevi-Brunnen

Roman
Cover: Der Trevi-Brunnen
Die Andere Bibliothek, Berlin 2023
ISBN 9783847704614
Gebunden, 448 Seiten, 48,00 EUR

Klappentext

Aus dem Rumänischen von Eva Ruth Wemme. Mit der Reife des Alters spürt sie den Unterschieden zwischen denen nach, die gingen, und denen, die blieben, sie überdenkt ihre Träume, von denen einer sie nicht verlassen hat: Ihr Leben in einen Roman zu verwandeln. Letitia Branea hat sich in ihrer neuen Welt eingerichtet, seit langem lebt sie mit ihrem Mann Petru Arcan in einer Kleinstadt im stillen ländlichen Frankreich . Doch kehrt sie regelmäßig nach Bukarest zurück, um das ehedem vom kommunistischen Ceaușescu-Regime konfiszierte "schöne Erbe" eines Onkels zurückzuerhalten. Bei Sultana Morar, ihrer einzigen verbliebenen Freundin aus Studientagen, wohnt sie zu diesen Anlässen - und wird von der rumänischen Vergangenheit immer wieder schmerzlich eingeholt; zu der gehört ein weitverzweigter Familien- und Bekanntenkreis und das eng verwebte Leben zwischen den Generationen; den Eltern und den Kindern, die von den Dezembertagen des Jahres 1989, als die "Revolution" eine neue Freiheit brachte, schon bald nichts mehr wissen wollen. Für sie, mit neuen Moden und Stilen vertraut, ist der berühmte Trevi-Brunnen in Rom das Sinnbild von Liebe, freiem Leben und Rückkehr. Ein Münzwurf. Ein Versprechen.
Ein Tag Bukarest lässt in Bruchstücken ihre kollektiven wie intimen Erinnerungen wiederkehren, Erinnerungen an das gesellschaftliche Provisorium eines gelähmten Landes und an das amouröse Provisorium eines Lebens zwischen Ehemann und Geliebtem. Letitia Branea gleitet in ihren Selbstbefragungen von einem Land und einem Leben ins andere, aus der Vergangenheit in die Gegenwart: Die Ausgewanderte holen ihre rumänischen Tage ein. Gibt es ein zweites Leben? Was ist geblieben von der heimlichen Liebe, die sie mit dem politischen Opportunisten Sorin Olarau verband, der sie fallengelassen, verraten hat? Ihre Trennung hat sie an die Seite derer getrieben, die ins Exil gehen mussten. So wie Petru Sorin, der junge Universitätsdozent, den Letitia geheiratet hat, der seinen Beruf nicht mehr ausüben durfte und sich über den Weg durch deutsche Flüchtlingslager bei Radio Free Europe in München wiedergefunden, aber in Deutschland nie Fuß fassen konnte und rumänischen Boden nie wieder betrat. Erst als sie beide schon über 50 waren, haben sie sich in Deutschland wiedergefunden. Letitia Braneas Mantra im reif gewordenen Leben lautet: Ich bin eine andere geworden. Sie will nicht mehr eintauchen in die Geschichte der verlorenen Jahre, sie will auf die Überraschungen der Zukunft setzen. Mit "Der Trevi-Brunnen" hat diese rumänische "Suche nach der verlorenen Zeit", Gabriela Adameşteanus die Jahrzehnte umspannende Letitia-Trilogie, ihren krönenden Abschluss gefunden.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.10.2023

Schlichtweg große Literatur ist Gabriela Adameșteanus Roman für Rezensent Luca Vazgec. Das Buch beschreibt einen Tag im Leben Letitial Braneas, einer Frau, die inzwischen mit ihrem Mann in Frankreich lebt, aber nun in ihre rumänische Heimat zurückgekehrt ist, um ein Erbe zu erkämpfen, das im Kommunismus enteignet wurde. Desillusioniert blickt die Hauptfigur laut Vazgec auf das kapitalistisch-demokratische Rumänien der Gegenwart, mit der sie genauso wenig anfangen kann wie mit dem Ceauşescu-Staat der Vergangenheit. Aus letzterem verfolgt sie die Erinnerung an eine Affäre und eine anschließende Abtreibung. In der Gegenwart wiederum faltet Adameșteanu einerseits ein breites Figurenpanorama auf und bedient sich andererseits der Technik des Bewusstseinsstroms, so der Kritiker. Die Vergleiche, zu denen er greift, sind hoch: An den russischen Realismus und an Proust gemahnt ihn dieses flüssig geschriebene und ihn gerade in den leisen Momenten beeindruckende Buch.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 14.07.2023

Begeistert begleitet Rezensent Jörg Plath die Protagonistin von Gabriele Adameşteanus Roman, die nach langen Jahren im Ausland noch einmal in ihre rumänische Heimat zurückkehrt. Wenn sie sich dort durch die Überreste ihrer von der Machtübernahme der Sozialisten nach 1944 deformierte Familiengeschichte wühlt, dann, schreibt Plath, entfaltet sich gleichzeitig ein breites biografisches und zeithistorisches Panorama. Viel lernt Plath dabei über die gesellschaftlichen Verwerfungen auch des gegenwärtigen Rumänien. Adameşteanus Arbeit mit Metaphern - wie dem titelgebenden Trevi-Brunnen - lobt der Kritiker genauso wie die Flexibilität der Romanprosa, die geschickt zwischen verschiedenen Erzählperspektiven navigiere. Eva Ruths Übersetzung wird dieser literarischen Brillanz voll und ganz gerecht, schließt er.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 19.06.2023

Das ist ein großer Roman und ein "fulminanter" Abschluss der Roman-Trilogie von Gabriela Adamesteanu, lobt Rezensent Tobias Lehmkuhl. Man kann aber auch jeden Band für sich lesen, so der Kritiker. Alle drei Bände erzählen die Geschichte der Letitia Branea von der Kindheit bis ins Alter. Doch während die ersten beiden Bände, ""Provisorium der Liebe" und "Der gleiche Weg an jedem Tag" stark vom Alltagsleben im Rumänien Ceaușescus geprägt ist, spielt im letzten Roman die Psychologie der Figuren die Hauptrolle, so Lehmkuhl. Erzählt wird von einem einzigen Tag: Branea, die jetzt mit ihrem Mann in Frankfreich lebt, ist nach Bukarest zurückgekehrt, um das Erbe ihres Großvaters zu beanspruchen und auch, weil es sie immer wieder nach Bukarest zurückzieht. Während sie das Treffen mit einem Anwalt vorbereitet, Freunde trifft und Kaffee trinkt, rollt die Vergangenheit "wie in Wellen" über sie, vor allem die Erinnerung an ihre - damals illegale - Abtreibung im Rumänien der siebziger Jahre, bei der sie ums Haar im Gefängnis gelandet oder verblutet wäre, resümiert Lehmkuhl. Der Abschluss der Trilogie besticht nicht nur durch die psychologisch exakte Figurenzeichnung, sondern auch durch die zahlreichen Verweise auf Flaubert, Balzac und vor allem Proust, meint der angetane Kritiker.