Hamid Ismailov

Wunderkind Erjan

Cover: Wunderkind Erjan
Friedenauer Presse, Berlin 2022
ISBN 9783932109980
Gebunden, 152 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Aus dem Russischen von Andreas Tretner. Durch die Weite der Steppe Kasachstans fährt ratternd ein Zug. In ihm begegnen sich ein Reisender und Erjan, das Wunderkind. Der Knabe spielt mitten in dieser vom Zug durchquerten Einöde so virtuos auf seiner Violine, dass nicht nur dem Erzähler Hören und Sagen vergeht. Doch die Musik bleibt nicht das einzige Wunder. Denn der Junge, der aussieht wie zehn oder zwölf, ist in Wahrheit bereits ein Mann von 27 Jahren; als Kind tauchte er allen Warnungen zum Trotz in einen nuklear verseuchten See. Hamid Ismailov versetzt damit das Blechtrommel-Motiv des Immer-Kind-Bleibenden in die Einöde des von 486 Atombombentests verseuchten Kasachstan und gibt ihm eine herbe Intensität von tiefer Schönheit. Zwei Welten prallen darin aufeinander: die Weite und Einsamkeit der Steppe Kasachstans und die moderne Welt außerhalb davon - der Zug, der diese wie stehen gebliebene Welt täglich durchfährt, die Atomtests, die wie eine unsichtbare Macht die Natur und die Menschen verändern, die Musik, die einen anderen Rhythmus in Yerzhans Leben bringt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 25.05.2022

Rezensent Jörg Plath freut sich über die erste deutsche Übersetzung Andreas Tretners von Hamid Ismailovs, wie er findet, grandioser Erzählung "Wunderkind Erjan". Der 1954 in Kirgistan geborene, ehemalige BBC-Journalist beschreibt darin das Aufeinandertreffen des Erzählers mit dem zwölf Jahre alt aussehenden, aber eigentlich 27 Jahre alten Geigenspieler Erjan, der ihm von seiner von Atombombentests und deren Folgen geprägten Kindheit in der kasachischen Landschaft berichtet. Dabei verklärt Ismailov allerdings keinesfalls das Steppenleben im Kontrast zur Moderne - stattdessen lässt er Erjans individuelle Erzählung zur Fiktion werden, indem der Protagonist einschläft und sein Zuhörer somit beginnt, sich die Geschichte weiterzuspinnen, erklärt Plath. Das ist dem Rezensenten zufolge alles leicht, beschwingt, knapp, immer mal wieder aus kindlicher Perspektive und stellenweise sogar komisch erzählt. Am Ende der Lektüre fragt man sich staunend, was Ismailov eigentlich nicht kann, schließt Plath.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 06.05.2022

Rezensent Jörg Plath hebt Hamid Ismailov nach der Lektüre dieses Romans in den "literarischen Olymp". Der in Usbekistan geborene Autor erzählt ihm hier von Erjan, einem jungen Kasachen, der als Kind meisterhaft Geige spielt, mit Eltern und Großeltern in der Steppe lebt, sich in Aysulu verliebt und dessen Welt zerbricht, als er durch die Auswirkungen sowjetischer Atomtests aufhört zu wachsen, resümiert der Kritiker. Wie Ismailov vom Drama des Jungen nie allegorisch, sondern stets "beschwingt" erzählt, dabei in "konzentrierten" Szenen "Idylle und Grauen" verknüpft, findet Plath meisterhaft.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.03.2022

Rezensent Jan Brachmann scheint am liebsten gleich aufbrechen zu wollen in die kasachische Steppe, wo Hamid Ismailov seinen schmalen Roman spielen lässt. Das liegt auch daran, dass die "Grausamkeit des Sowjetsystems" in der vom Ich-Erzähler berichteten Geschichte von einem Geige spielenden Wunderkind aus der Steppe bloß in den Atomtestkratern aufscheint. Vor allem aber wird die Landschaft so hinreißend beschrieben und rhythmisch gefasst, ist die beschriebene Kinderwelt so wunderbar humorvoll und märchenhaft und Ismailovs Sprache so angenehm klar und einfach, verspricht Brachmann.
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