Hanya Yanagihara

Zum Paradies

Roman
Cover: Zum Paradies
Claassen Verlag, Berlin 2022
ISBN 9783546100519
Gebunden, 896 Seiten, 30,00 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Stephan Kleiner.  Drei Jahrhunderte, drei Versionen des amerikanischen Experiments: In ihrem neuen Roman erzählt Hanya Yanagihara von Liebenden, von Familie, vom Verlust und den trügerischen Versprechen gesellschaftlicher Utopien.  1893, in einem Amerika, das anders ist, als wir es aus den Geschichtsbüchern kennen: New York gehört zu den Free States, in denen die Menschen so leben und so lieben, wie sie es möchten - so jedenfalls scheint es. Ein junger Mann, Spross einer der angesehensten und wohlhabendsten Familien, entzieht sich der Verlobung mit einem standesgemäßen Verehrer und folgt einem charmanten, mittellosen Musiklehrer. 1993, in einem Manhattan im Bann der AIDS-Epidemie: Ein junger Hawaiianer teilt sein Leben mit einem deutlich älteren, reichen Mann, doch er verschweigt ihm die Erschütterungen seiner Kindheit und das Schicksal seines Vaters. 2093, in einer von Seuchen zerrissenen, autoritär kontrollierten Welt: Die durch eine Medikation versehrte Enkelin eines mächtigen Wissenschaftlers versucht ohne ihn ihr Leben zu bewältigen - und herauszufinden, wohin ihr Ehemann regelmäßig an einem Abend in jeder Woche verschwindet.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 04.02.2022

Rezensentin Cornelia Geißler beginnt ihre Lektüre erwartungsvoll, beendet sie jedoch enttäuscht. Der erste der drei Teile dieses Romans beginnt Ende des 19. Jahrhunderts im New Yorker Viertel Greenwich. Aufbau und Handlung erinnern an einen klassischen Gesellschaftsroman, mit cleverem Twist: die gleichgeschlechtliche Ehe ist in Yanagiharas Welt eine Selbstverständlichkeit, lesen wir. Die psychologische Stimmigkeit und Sensibilität, mit der Yanagihara über Beziehungen, Heimlichkeiten und Familienehre schreibt, machen den Reiz dieses Abschnitts aus, so Geißler. Bis hier hin besteht ihr Figurenensemble ausschließlich aus Männern, deren Namens-, teils auch tatsächlichen Vettern hundert Jahre später im zweiten Teil erneut auftauchen. Diesmal ist es vor allem die Krankheit AIDS, die für jene Unsicherheit sorgt, welche das verbindende Glied zwischen den drei Teilen sowie den Männer verschiedener Generationen bildet, erklärt die Rezensentin, die zwar einige Redundanzen bemerkt, der Handlung jedoch weiterhin gerne folgt. Dies ändert sich mit dem dritten Teil, in dem eine von verschiedensten Pandemien gebeutelte Gesellschaft geschildert wird. Umso so bedauerlicher ist das, da entgegengesetzt zum sinkendem Lesevergnügen nicht nur der Umfang ansteigt, sondern auch der Aufwand, den die Leserin aufbringen muss, um zwischen zahlreichen Zeitsprüngen, und einem aufwendigen, dennoch nicht sonderlich einfallsreichen Science-Fiction-Vokabular nicht den Faden zu verlieren. Die ermüdend hohe Katastrophen-Dichte sowie die Tatsache, dass man sich beim Lesen immer wieder an allzu bekannte Verschwörungsmythen erinnert fühlt, laugen die Rezensentin vollends aus.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 26.01.2022

Rezensentin Katharina Granzin kommt sich mit Hanya Yanagiharas Roman ein bisschen vor wie in einem Gesellschaftsspiel, in dem für das Ausspinnen einer Geschichte feste Regeln gelten: Alle Personen müssen David, Edward, Charles oder William heißen, sie müssen lebensuntüchtig sein und am Leben wie an ihren Mitmenschen leiden. Aber während Granzin gern zugibt, dass sie in Yanagiharas Weltbesteller "Ein wenig Leben" durch eine wahnsinnige Spannung bei der Stange gehalten wurde, hänge in diesem dreiteiligen Roman der Erzählbogen ziemlich schlaff durch. Granzin quält sich durch ein utopisches New York des 19. Jahrhunderts, ein surrealistisches Hawaii der achtziger Jahre und eine verquere Pandemie-Dystopie der Zukunft. Warum alle Menschen hier unglücklich sein müssen, erschließt sich Granzin auch auf 900 Seiten nicht.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 12.01.2022

Für die Rezensentin Dorothea Westphal fügen sich die drei Bücher des Romans von Hanya Yanagihara leider nicht zu einem Ganzen. Für sich genommen allerdings entfalten die Ende des 19., Ende des 20. und Ende des 21. Jahrhunderts im Staat New York spielenden Geschichten durchaus ihren Reiz, findet die Rezensentin. Motive und Themen wie Rassismus, Kolonialismus, Homosexualität und Totalitarismus verbinden die Teile, informiert Westphal. Soghaft ist das "Puzzle" des Romans für sie nicht zuletzt durch seine psychologische Tiefe und die Bezüge zur Gegenwart, die vor allem der letzte, dystopische Teil entfaltet, der eine von Pandemien und kassierten Bürgerrechten bestimmte Welt schildert.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 11.01.2022

Hanya Yanagihara versteht ihr Geschäft, das muss Rezensentin Miryam Schellbach zugeben. Kaum jemand schaffe es, seine Leserinnen und Leser emotional dermaßen zu überwältigen wie die New Yorker Autorin und Stil-Redakteurin, die auch in ihrem neuen Roman von den schweren Schicksalen schwuler Protagonisten erzählt. Wie sie dabei über zweihundert Jahre alternative Geschichte und soziale Dystopien rund um ihre Figuren am Washington Square kombiniert, sozusagen Henry James und "Bridgerton", überzeugt die Rezensentin allerdings nicht. Diese permanente "psychophysische Erregung", die Yanagihara durchaus gekonnt erzeugt, zehrt an Schellbachs  Nerven. Und Yanagiharas alternative Geschichten bleiben ihr viel zu nah an der Realität, um intellektuelle Neugier zu wecken, meint sie: Derart fantasiearme Gegenentwürfe grenzten ans Revisionistische.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 10.01.2022

Laut Rezensentin Ursula März verschleudert Hanya Yanagihara ihr psychologisches Talent etwas in diesem umfangreichen Sittenbild der USA, das am Ende des 19. Jahrhunderts beginnt und am Ende des 21. aufhört. Die drei Bücher des Romans hält März teilweise für eine freundliche Zumutung aus langatmigen, manchmal funktionslosen und nicht immer originellen Passagen und Exkursen. Allerdings zieht die Autorin sie auch immer wieder mit ihrem "hochemotionalen" Stil in Bann. Mitreißend und durchaus souverän, meint sie, erzählt Yanagihara etwa von Homosexualität, Aids, Identitätsverlust, Klimakatastrophen und Epidemien im Staat New York und auf Hawaii und beleuchtet die Schattenseiten der amerikanischen Utopien. Dass sie dabei mitunter allzu sprunghaft und ausführlich vorgeht, muss der Leser in Kauf nehmen, meint März.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.01.2022

Jan Wiele beschließt, dass niemand sich Hanya Yanagiharas Romanmonstrum antun muss. Gründe dafür laut Rezensent: eine umständliche, grundlos in die Breite gehende Erzählweise, belangloser Inhalt, stilistische Reizlosigkeit, sprachliche Ungenauigkeit, schließlich die schiere Länge des Textes. Die drei in diesem Buch enthaltenen im New York der Jahre 1893, 1993 und 2093 spielenden Märchenvariationen über das verlorene Paradies beziehungsweise den verlorenen amerikanischen Traum, wie Wiele es deutet, nehmen den Rezensenten gefangen höchstens mit ihren Schachtelsätzen und enervierenden Wiederholungen.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 05.01.2022

Rezensent Eberhard Rathgeb überlegt kurz, ob sein Verdikt über Hanya Yanagiharas neuen Roman auch so gnadenlos ausfallen würde, wenn er schwul wäre oder wenn er einer anderen Minderheit angehörte. Aber dann denkt er sich, dass es für ihn beim Lesen nicht auf Identität ankommt, denn er hat ja auch Proust verschlungen. Bei Yanagihara sieht er allerdings keine sprachliche oder intellektuelle Höhe, er hält ihr vielmehr "geschmeidige Banalitäten" und "psychologisches Polyester" vor. Worum es in diesem neunhundertseitigen Roman geht, erklärt Rathgeb gar nicht erst, zu sehr ärgert ihn die im dritten Teil entworfene Dystopie einer, wie er andeutet, weißen, heteronormativen Gesundheitsdiktatur, die den Fanatasien aller Verschwörungstheoretiker ziemlich nahe komme. Literarische Fiktionen entbinden nicht von argumentativer Verantwortung, redet sich Rathgeb in Rage. Er findet es schlichtweg "gruselig", wie hier Identitätspolitik mit wissenschaftsfeindlichem Geschwurbel kurzgeschlossen werde.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 01.01.2022

Rezensentin Marianna Lieder wird mit diesem Roman der amerikanischen Autorin Hanya Yanagihara, im Nebenberuf Chefredakteurin des NYT-Style Magazins, überhaupt nicht glücklich. Drei Erzählungen, durch Motive und Protagonisten miteinander verknüpft, erzählen von der Suche nach Freiheit und Liebe und von den Möglichkeiten hetero- wie homosexueller Beziehungen. Der letzte und längste Teil spielt in einer Diktatur, die von Klimawandel und Pandemie befördert wurde. Lieder liest einigermaßen entsetzt von Quarantänemaßnahmen, "wie maßgeschneidert" für Debatten von Impfgegnern. Vor allem aber stört sie der Übereifer der Autorin, die jedes gängige modische Thema mit höchster Emotionalität in ihrem Buch verarbeitet. Auch queere Personen of Colour können sehr langweilige Beziehungsprobleme haben, seufzt die Kritikerin.
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