Helgard Haug

All right. Good night.

Cover: All right. Good night.
Rowohlt Verlag, Hamburg 2023
ISBN 9783498003784
Gebunden, 160 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Als im März 2014 ein Flugzeug auf dem Weg von Kuala Lumpur nach Peking plötzlich vom Radar verschwindet, hat für Helgard Haug der Abschied vom Vater gerade begonnen. Sein Gedächtnis wird unzuverlässig, die Orientierung immer schwieriger, der ehedem wortmächtige Mann versinkt, er driftet ab - wie, ungefähr zur selben Zeit, die MH 370 mit 239 Passagieren an Bord im Meer. All right. Good night, soll der letzte Funkspruch des Piloten gelautet haben. Danach verliert sich die Spur. War es ein Unfall? Ein Anschlag oder Suizid? Das Flugzeug bleibt verschwunden, die Ursache des Absturzes ungeklärt. Die Vergesslichkeit des Vaters aber bekommt einen Namen: Demenz.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.09.2023

Rezensentin Irene Bazinger staunt, wie gekonnt die Autorin und Theaterregisseurin Haug in ihrem Buch zwei Dinge verwebt, die nichts miteinander zu tun haben: die Demenzkrankheit ihres Vaters und das unaufgeklärte Verschwinden des Flugzeugs Boeing MH 370 im Jahre 2014. Wie Haug in dem Buch, ursprünglich ein Theaterstück, mindestens eine "suggestive Eindringlichkeit" schafft, immer wieder aber sogar erstaunlich treffende Analogien zustande bringt - etwa zwischen der eigenen Trauer um das Bewusstsein des Vaters und den trauernden Angehörigen der verschollenen Boeing-Passagiere, oder zwischen dem Ins-Nichts-Auflösen sowohl der väterlichen Luzidität als auch des riesigen Flugzeugs -, findet Bazinger "verblüffend" und "subtil". Auch Haugs akribische Materialrecherche zur MH 370 beeindruckt sie. Stellenweise ist ihr die "Indiskretion", mit der Haug über ihren Vater schreibt, etwas unangenehm, wie auch die Tatsache, dass dieser Mann mit wenigen Klicks im Internet zu finden sei - aber glücklicherweise gerate das bei dem "narrativen Sog", den Haug zu kreieren vermöge, schnell in Vergessenheit.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 29.08.2023

Ziemlich begeistert ist Rezensentin Hanna Engelmeier von Helgard Haugs Experiment, zwei auf den ersten Blick grundverschiedene "Geschichten vom Verschwinden" zusammen zu denken: das von erfundenen Erinnerungen maskierte Erlöschen des Gedächtnisses ihres eigenen Vaters und das Mysterium um ein vermutlich im Indischen Ozean verschwundenes Flugzeug, das im März 2014 Schlagzeilen macht. Das Buch basiert auf Gesprächen Haugs mit Angehörigen der seither Vermissten, lernen wir, und außerdem auf einem Bühnenstück, das die Autorin als Teil des Rimini-Protokoll-Kollektivs im Berliner Hebbel am Ufer erarbeitet hatte. Der Vergleich zwischen Bühne und Buch fällt für Engelmeier in diesem Fall zugunsten des Buches aus. Weniger schwer komme es daher, und auch den knappen, schnörkellosen Stil findet die Rezensentin fabelhaft.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 20.07.2023

Eine Geschichte der "uneindeutigen Verluste" hat Theatermacherin Helgard Haug da geschrieben, hält Rezensentin Shirin Sojitrawalla fest: Die Demenz des Vaters sowie der verschwundene Flug MH370 sind beides Verluste, bei denen das Objekt gleichzeitig da und fort ist, eine schwierige Erfahrung, wie sich auch in Haugs erstem Roman lesen lässt. Das ist zugleich dokumentarisch sorgfältig als auch in der Beziehung zum Vater berührend beschriebend, lobt Sojitrawalla, die von der Mischung aus Demenz-Schicksal und dazugehörigen Anekdoten und der Geschichte des verschollenen Flugzeugs sehr angetan ist. Schreiben scheint also doch bei der Bewältigung des eigenen wie des kollektiven Schicksals zu helfen, schließt die Kritikerin.