Henning Ahrens

Langsamer Walzer

Roman
Cover: Langsamer Walzer
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2004
ISBN 9783100005243
Gebunden, 318 Seiten, 18,90 EUR

Klappentext

Leise rieselt der Schnee auf eine Stadt, die in Trümmern liegt. Während alle Zivilisten auf das Kriegsende warten, sucht der Ghostwriter Schadhorst seine Liebste, sucht Commander Coeursledge seine Barbie, suchen zwei Reporter einen Interviewpartner, sucht Dr. Krock einen Rucksack, und Meta Jobst, Ex-Ikone des Infotainements, sucht mit ihrem Mann eine Herberge, in der sie ihr Kind zur Welt bringen kann. Die Wege all dieser Gestalten kreuzen sich im Schnee oder im Terrain Taboo, der letzten Bar der Stadt. Galant und mit hintergründigem Witz führt Henning Ahrens den Leser durch dieses Labyrinth aus Tanz und Rausch, aus Verrat und Überlebenskampf - bis hin zu den Mündungsfeuern menschlicher Leidenschaften.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 30.11.2004

Mit "Langsamer Walzer" wolle sich der 40-jährige Autor bewusst gegen seine schreibenden Altersgenossen abgrenzen, erklärt Rainer Moritz, zeigt zeigt sich aber von Ahrens' Wiederbelebung des magischen Realismus in Romanform nicht überzeugt. Zuletzt hätten nach der Katastrophe von 1945 einige Autoren versucht, in Kubinscher Manier die Unwirtlichkeit der Städte und ihr Gefühl von Heimatlosigkeit zu beschreiben. Ahrens' Roman spielt ebenfalls in einer unbestimmten Zukunft, in einer vom Krieg heimgesuchten Stadt, in der sich eine Gruppe von Eingeschlossenen in Sex, Gewalt und Kannibalismus ergeht. Science-Fiction-Elemente und Bildungszitate werden eingestreut, beklagt Moritz, bedeutungsschwangere Sätze so lange wiederholt, bis auch dem schwerfälligsten Leser aufgefallen sein müsste, dass es sich um Leitmotive handeln soll. Ein solches tut Moritz gleich mit spitzer Feder kund: "Der Rucksack enthält alles. Wer alles will, will auch den Rucksack", zitiert er Ahrens verrätselte Schreibweise, die Moritz bloß selbstverliebt erscheint. Die Figuren dienen als Staffage, kritisiert er, um die düstere Botschaft zu transportieren, dass es keine Botschaft mehr gebe.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.11.2004

Dem "kalten Sog" der Beschreibungen der zerstörten Winterstadt in Henning Ahrens zweitem Roman konnte sich Rezensent Holger Noltze nicht entziehen. Spürbar beeindruckt schildert er die apokalyptische Szenerie des Buchs, das in "einer Zeit nach dem Ende aller Fortschrittsphantasien" spiele und vor Augen führe, "wie es sein wird nach dem großen Stromausfall, dem Zusammenbruch von Produktion, Distribution und Kommunikation". Da heißen die Männer Ken, sind "grimmig", mit schnell hervor springendem Gemächt ausgestattet und brutzeln sich gerne mal ein "Barbiesteak" wegen des akuten Fleischmangels. Der Autor, der mit diversen Wassern der Literaturtheorie und -geschichte gewaschen scheint, treibe ein Spiel mit seinen Lesern, sei ein "absichtsvoll unzuverlässiger Lieferant" von Handlung und moralischem Mehrwert. Zwar hätte Holger Noltze von den "kunstvoll arrangierten" Protagonisten gerne etwas mehr erfahren und auf einige "lausbubenhaft herbeizitierte Erzählerattitüden" verzichtet, insgesamt lässt es sich der verzückte Kritiker aber nicht nehmen, den "Erzähler unter die Hochbegabten" einzureihen.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 25.10.2004

Christoph Bartmann tut sich schwer, die Handlung oder die Hauptfiguren dieses Romans von Henning Ahrend zu benennen, und er ist sich nicht sicher, ob das "Erzählen überhaupt" das "Geschäft" des Autors ist. Dabei wird in diesem Zukunftsroman, der in der "Winterstadt" in einem durch Krieg zerstörten Deutschland spielt, durchaus erzählt, beeilt sich der Rezensent festzuhalten. So "verschachtelt" und "versponnen" allerdings und mittels so vieler handelnder Personen, dass die Übersicht schwer fällt, was von Ahrens auch so gewollt ist, so Bartmann weiter. Er charakterisiert die Erzählweise des Autors als "phantastischen Realismus" und stellt auch einen gewissen an Ernst Jünger erinnernden "Manierismus" im Stil fest, was er aber durchaus nicht als "Vorwurf" verstanden wissen will. Der Roman erzählt vom "Hochtechnologischen neben dem Archaischen" und beschreibt neben der verfeinerten Technik der Zukunft die "Verwilderung des Menschen", erklärt der Rezensent, der darin ein "Stück der Faszination" des Buche ausmacht. Gleichzeitig nimmt ihn die "musikalische Schreibweise" des Romans mit seinen sprachlichen und bildlichen Variationen" gefangen.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 07.10.2004

Henning Ahrens' stürmische Art hat Markus Clauer angesteckt. Seine Besprechung setzt mittendrin ein und hört dort auch wieder auf. Zu erfahren ist zumindest, dass Ahrens eine "wundervoll weltabgewandte" und "augenzwinkernd größenwahnsinnige" Erzählung verfasst hat. In einem endzeitlichen Berlin tapsen Barbiepuppen, Plastiksoldaten Mangafiguren herum, zur Abwechslung auch immer wieder mal halbseidene menschliche Gestalten. Nicht nur das Personal ist eine wilde Mischung, auch die Sprache erfährt von Ahrens, der unter anderem bisher zwei Gedichtbände vorgelegt hat, einen kreativen Schuss. Da "säuseldröhnen" die Figuren oder sind auch schon mal "zerlumptzerzaust". Von der Handlung erfährt man nichts, sie scheint auch eher erratisch zu sein. "Ohne Rücksicht auf Wirklichkeitsverluste" lässt sich der Autor von einem Einfall zum nächsten führen, meldet der etwas verloren wirkende Rezensent, mitten durch den "labyrinthischen Aberwitz" seiner Konstruktionen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 06.10.2004

Klingt verrückt, was Rezensent Christoph Schröder von diesem Buch berichtet: Es ist irgendwann in der Zukunft in "Winterstadt", Europa befindet sich im Krieg mit Amerika, Räuberhauptmann Coeursledge, ehemals Dozent für Wirtschaftsgeschichte, macht Jagd auf Kens und Barbies, wobei es sich um Zwischenwesen handelt, die Schlamm fressen, aber in eine "zahme Barbie" namens Lotte ist Coeursledge verliebt. Die Barbies und Kens werden im Laufe der Handlung einen Aufstand durchführen. Und vieles mehr, was ganz furchtbar in die Hose gehen könnte, wenn nicht Henning Ahrens ein so bewundernswert begabter und origineller Autor wäre, schreibt Schröder und verspricht: Ein Riesenspaß! Wie ein gutes Computerspiel, bei dem man nicht mehr aufhören wolle. (Und solche Computerspiele, ermahnt der Rezensent nochmal nachträglich die Klagenfurter Jury des Jahres 03, die Ahrens leer ausgehen ließ - solche Computerspiele sind keineswegs nur was für "große Jungs".) Einfälle galore, Verweise in alle Richtungen, eine ungeheuer sprunghafte Handlung - Henning Ahrens ist "ein literarisches Wagnis" eingegangen und hat im Urteil des Rezensenten, könnte man sagen, durch technischen K.O. gewonnen; es hätte allerdings ein einwandfreier Niederschlag werden können, wenn er nicht die "Pathosnotbremse" gezogen und einen Erzähler installiert hätte - dessen Erklärungen stören nämlich. War auch gar nicht nötig, denn Ahrens sei gerade dann am besten, wenn er "die Zügel los-, seiner rhythmischen Sprache freien Lauf und die Konstruktion außen vor lässt". Bewundernswert und großartig findet das unser Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 06.10.2004

Die Rezensentin Maja Rettig kommt zu einem ambivalenten, in letzter Konsequenz aber eher negativen Fazit über diesen Roman, der in "heiter-apokalyptischem" Ambiente spielt. Zwar hat sie offensichtlich Spaß an der "furiosen Fabulierlust" und an dem "Gespür für launige Absurditäten", das der Autor und Lyriker Henning Ahrens an den Tag legt. Immerhin integriert er in sein Referenzsystem neben Literatur auch "Bibel, Comics und Märchen". Auch sein elegantes Umschiffens des "parataktischen Betroffenheitssounds" gefällt ihr. Doch unterm Strich hält sie das Buch für "ausgesuchten Nonsens", denn: "Die Spannung wird nicht gesteigert durch so viel hohldrehende Ironie". Zudem sorgt die "Selbstverliebtheit" des Text dafür, dass die "Pointen harmlos sind". Rettig findet harte Worte, als sie diesen Roman auf den Punkt bringt: Ihrer Meinung nach handelt es sich um eine "aufwändige Unerheblichkeit."
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