Joy Williams

In der Gnade

Roman
Cover: In der Gnade
dtv, München 2024
ISBN 9783423283991
Gebunden, 336 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Julia Wolf. Kate flieht - vor der unnachgiebigen Liebe ihres Predigervaters und um ihr Leben zu finden, die Wirklichkeit. An der sonnendurchglühten Golfküste jobbt sie als Kellnerin, geht aufs College. Da ist, lebenszugewandter als sie, die Schar ihrer Mitstudentinnen, da ist ihr einziger Freund Corinthian Brown, ein junger schwarzer Zoowärter. Und da ist Grady, ihr Mann. In einem Wohnanhänger im Wald schaffen sich die beiden eine bröckelnde Idylle, während Kate ihr erstes Kind erwartet. Was ist es, das sie ihm dort gesteht? Entkommt sie ihrer Vergangenheit? Immer tiefer führen diese Fragen ins labyrinthische Innere dieses Romans, der im Original bereits 1973 erschien.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 06.04.2024

Rezensentin Caroline O. Jebens kann kaum glauben, dass der Debütroman von Joy Williams erst jetzt, rund 50 Jahre nach Erstveröffentlichung, auf Deutsch erscheint. Denn in den USA gilt die Schriftstellerin, insbesondere ihrer Kurzgeschichten wegen, schon lange als Star, wie Jebens mit einem Verweis auf die lange Liste berühmter Fans klarmacht (darunter Truman Capote, Don DeLillo und Bret Easton Ellis). Und auch in ihrem Debütroman zeige Williams ihr herausragendes schriftstellerisches Talent, das für Jebens vor allem in ihrer ganz "eigentümlichen" Sprache liege: Nüchtern, abgeklärt, niemals melancholisch und doch einen Zug ins Transzendentale, Parabelhafte aufweisend, so die Kritikerin, erzähle Williams von einem jungen Paar, das gemeinsam in einem Wohnwagen an einem Waldrand lebt, in einer dystopischen Welt, in der der Sauerstoff knapp und das Leben trist ist - aber trotzdem besser als die missbrauchsgeprägte Kindheit der schwangeren Kate. Beklemmend erzähle der Roman von dieser Vergangenheit und von drohenden Katastrophen, Zeit zum "durchatmen" findet Jebens beim Lesen nicht. Umso eindrücklicher scheint ihr, wie Williams in der Einbindung scheinbar irrelevanter Nebenfiguren einen Balanceakt zwischen kollektiver US-amerikanischer Erfahrung - für die Kritikerin: das Gefangensein - und Vereinzelung meistert und dabei auch noch vom Verhältnis Mensch/Natur erzählt. Sehr treffend übersetzt sei das alles von Julia Wolf.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 07.03.2024

Toll, dass Joy Williams' Debütroman mehr als fünfzig Jahre nach seiner Erstveröffentlichung nun auf Deutsch vorliegt, freut sich Rezensent Martin Oehlen. Im Zentrum steht die Predigertochter Kate, die im Süden der USA im Wald lebt und schwanger ist. Als Vater kommen einige Männer in Frage. Leoparden und Bibelsprüche spielen eine Rolle, auch ihren Vater trifft Kate einmal. Freilich wird, vieles nicht auserzählt, , stellt Oehlen klar. Williams wechselt Zeitebenen und Stimmungen in Windeseile, auch die Realität selbst ist nicht allzu stabil in dieser Prosa, erklärt er. Viele tolle, großartig verdichtete Sätze findet der Rezensent in diesem Buch, die Übersetzerin Julia Wolf hat sie kongenial ins Deutsche übertragen. Eine Zeitreise in die 1970er, die sich unbedingt lohnt, so das Fazit.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 24.02.2024

Rezensent Felix Stephan findet erfrischend, dass sich in Joy Williams' Roman einmal nicht alles um das Trauma dreht, das mittlerweile die Gegenwartsliteratur dominiere. Und das, obwohl es dazu handlungstechnisch allen Anlass gebe: Denn der im Original bereits 1973 erschienene Roman erzähle vom Schicksal der jungen Kate, die nach dem Tod von Mutter, Bruder und Schwester mit ihrem Vater allein lebt, schließlich auch ihre große Liebe Grady verliert und sich fortan, wenn auch paralysiert, alleine durch Leben und Schwangerschaft schlägt. Der Unterschied zum "trauma plot" sei dabei allerdings, dass die Protagonistin keineswegs nur ein "Gefäß ihrer Verletzungen" ist, sondern Handlungsfähigkeit im Umgang mit den erlebten Schrecken besitzt, analysiert Stephan. Verliehen werde ihr diese durch den religiösen Glauben: die "Deutungshoheit" über die Bibel wendet der Kritiker gleichsam als eine Handlungshoheit im eigenen Leben, eine Freiheit zur Veränderung. Wie Joy Williams sich dieserart der großen Sinnfrage annimmt, ohne diese mit der klinischen Trauma-Diagnose überflüssig zu machen, findet der Kritiker toll. Erstaunlich, dass diese von den New York Times bereits früh als Schriftstellerin "ersten Ranges" identifizierte Autorin erst jetzt in Deutschland Anerkennung findet, meint er.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 23.02.2024

Rezensentin Manuela Reichart macht mit Joy Williams' "In der Gnade" eine echte "literarische Entdeckung". Obgleich bereits 1973 im Original erschienen, hat die Geschichte, welche die US-Amerikanerin in ihrem Debüt erzählt, nichts an Relevanz und Eindringlichkeit eingebüßt: eine junge Frau, die den traumatisierenden, einengenden Verhältnissen ihrer Herkunft zu entfliehen versucht, dabei immer wieder Grenzen überschreitet, ihre Freiheiten exzessiv auslebt, sich verliebt, schwanger wird, auf der Suche nach etwas - was, das weiß sie selbst nicht so genau. Dabei schafft es Williams, ihre Leserschaft immer wieder zu provozieren, etwa, wenn ihre Protagonistin die Schwangerschaft eher als Bürde wahrnimmt, denn als Geschenk. Williams erzählt davon auf eine wunderbar poetische, freie Weise und findet immer wieder ausdrucksstarke Bilder, die man nicht so schnell vergisst, lesen wir. Ein Roman von zeitloser trauriger Schönheit, so die angeregte Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 17.02.2024

Ursprünglich schon vor fünfzig Jahren erschienen, ist dieser Roman von Joy Williams  nach wie vor sehr aktuell, versichert Rezensent Wieland Freund. Im Mittelpunkt steht die Protagonistin Kate, die unter anderem ihre Herkunft als Pfarrerstochter und die ungewollte  Mutterschaft mit der Autorin teilt, sie unterliegt in Gestalt ihres Vaters wie auch ihres Freundes den Zwängen des Patriarchats, berichtet  Freund. Die heimlichen Stars sind aber die Tiere, die immer wieder  auftauchen - eine "wahre Menagerie" kommt da zum Vorschein, stellt der  Kritiker fest, dem das "Eingeständnis ihrer Kreatürlichkeit" der  Protagonistin gut gefällt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.02.2024

Dass Joy Williams hierzulande nahezu unbekannt ist, kann Kritikerin Sandra Kegel nicht nachvollziehen: Nach fünfzig Jahren liegt nun immerhin ihr Debüt auf Deutsch vor. Es geht darin um Kate, eine Pfarrerstochter, ihr Verhältnis zu ihrem kontrollwütigen religiösen Vater und die Geburt ihres Kindes, erfahren wir. Mit vielen Zeitsprüngen erzählt Williams eine unheilvolle Geschichte, die die Schattenseiten des American Dreams aufzeigt und kreiert für Kegel so einen ganz eigenen Stil des "dissoziativen Realismus". Eine Autorin, über deren, wenn auch späte, Entdeckung man nur froh sein kann, so die Rezensentin.
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