Lima Barreto

Das traurige Ende des Policarpo Quaresma

Roman
Cover: Das traurige Ende des Policarpo Quaresma
Ammann Verlag, Zürich 2001
ISBN 9783250104148
Gebunden, 320 Seiten, 21,90 EUR

Klappentext

Aus dem brasilianischen Portugiesisch übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Berthold Zilly. Lima Barretos Roman von 1915 erzählt die traurige Geschichte des Policarpo Quaresma, eines guten, ehrlichen Menschen und kleinen Beamten im Kriegsministerium, der unablässig davon träumt, Mittel und Wege zu finden, die wirtschaftliche und kulturelle Rückständigkeit seines Landes sowie die Unfähigkeit und Nachlässigkeit der Verantwortlichen in Regierung und Verwaltung zu überwinden. Er versenkt sich so sehr in seine Träume von der möglichen Größe des Vaterlandes, dass er seinen Kollegen zum Gespött wird, um schließlich in ein Irrenhaus eingewiesen zu werden.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.01.2002

Max Grosse spricht von einem "klassischen Dreigestirn", das nicht etwa den brasilianischen Karneval, sondern die brasilianische Literatur repräsentiert: Machado de Assis, Euclides da Cunhas und Lima Barreto, dessen 1911 erschienener Fortsetzungsroman nun in einer vorzüglichen Übersetzung durch Berthold Zilly vorliege. "Das traurige Ende des Policarpo Quaresma" bietet denn auch nichts, was man heutzutage mit Brasilien verbindet, warnt Grosse: keine Caipirinhas, Condombles oder Strände Rios. Stattdessen trister Vorstadtmief und ein bürokratisches Beamtenmilieu, das den Büchern Gogols entsprungen sein könnte. Die Hauptfigur ist ein Angestellter des Heereszeugamtes des Kriegsministeriums, den der Wahn der nationalen Größe Brasiliens gepackt hat. Das geht so weit, berichtet Grosse, dass Quaresma eine der Indianersprachen Brasiliens als Nationalsprache vorschlägt, was bei höheren Regierungsangestellten nicht auf Begeisterung stößt. Quaresma sei eine Art "Quijote-Figur", ein verbohrter Narr, den seine phantasielose Umgebung auflaufen lässt. Dafür gehöre ihm die volle Sympathie des Erzählers, schreibt Grosse.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 03.01.2002

Den Roman über das traurige Schicksal des Policarpo Quaresma, der in seiner naiven Annahme, mit Waffen Gutes zu erreichen, zum Militär geht, dort erkennt, dass er auf der falschen Fährte ist und am Ende wegen seines Protests gegen Exekutionen selbst ins Räderwerk militärischer Macht gerät, hält Thomas Strater für ein "Schlüsselwerk" der brasilianischen Literatur und zweifelsohne für das bedeutendste Werk von Alfonso Henriques de Lima Barreto. Der hatte das Werk 1911 zuerst als Fortsetzungsroman veröffentlicht, 1915 folgte die Buchpräsentation, weiß der Rezensent. In Brasilien ist es inzwischen Schullektüre und kürzlich verfilmt worden. Strater ist voll des Lobes für Autor und Werk, das er mit Gogols "Die toten Seelen" vergleicht. Ein großes Lob erntet auch der Übersetzer, Berthold Zilly, dem eine bestechend geschmeidige deutsche Fassung gelungen sei, die überdies mit einem Glossar, einer Zeittafel und einem Nachwort versehen ist. Bei aller Anerkennung rät der Rezensent aber dem Leser dennoch, sich möglichst vorbehaltslos an die Lektüre zu begeben, denn sonst, vermutet Strater, komme die Moral der Geschichte etwas belehrend daher, Und das wäre, findet der Rezensent, wirklich schade.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 25.10.2001

Für den Kritiker Benedikt Erenz ist der 1911 zunächst als Fortsetzungsroman in einer Tageszeitung erschiene brasilianische "Klassiker" ein "Panoptikum opportunistischer Schwätzer und blechbarocker Miles-gloriosus Gestalten, fanatischer Rodomonteure und erloschener Karrieristen, autistischer Kümmerlinge und fideler Geldmännchen". Der Zeithintergrund des "bitterkomischen Sittenspiegels" ist das Brasilien der Jahrhundertwende und im Zentrum des Romans steht die Figur des Major Policarpo Quaresma, erläutert der Rezensent. Der Major hält stur an einer nationalen Leitkultur fest, was schließlich ins Unglück führt, so liest man auf dem Umschlag; dies lässt Benedikt Erenz sogleich an Friedrich Merz oder Roland Koch denken. Der erste Teil des Romans handelt von der nationalen Identität Brasiliens, der zweite Teil hat das Elend des brasilianischen Landlebens der 1890er Jahre zum Thema und der dritte Teil des Romans, der den "Wirren des Marineputsches von 1893/94" gewidmet ist, lässt den Rezensenten an die spätere Gattung des lateinamerikanischen Diktatorenromans denken. Da der Kritiker es mit einem Klassiker zu tun hat, sieht er von einer Wertung des Buches ab, schließt aber mit einem wie er selbst schreibt "bedenkenswerten" Zitat aus dem Buch von de Lima Baretto: "Diesem Quaresma könnte es so gut gehen, aber er hat sich mit Büchern abgegeben...Daran liegt es!"

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 09.10.2001

Ein traurig-komischer Held, der sich naiv auf die Suche nach dem ursprünglichen Brasilien macht und überall aneckt - Policarpo Quaresma, der Protagonist, hat viel mit seinem Autor Lima Barreto gemein, schreibt Gerd Hammer. Auch der Mulatte Barreto sei ein Außenseiter der brasilianischen Gesellschaft gewesen, der vergeblich um Aufnahme in den Schriftstellerverband ersucht hätte, schließlich als kleiner Angestellter im Ministerium geschuftet hat und ziemlich tragisch in einer Nervenheilanstalt an Trunksucht starb. Barretos Satire auf die Mischgesellschaft Brasiliens, wo sich letztlich alles als Import aus Afrika und Europa herausstellt, gilt nach Gerd Hammer als wichtigstes Werk des Pré-Modernismo; es erschien bereits 1911 als Fortsetzungsroman und hat erst jetzt eine von Hammer gelobte vorzügliche Übersetzung ins Deutsche erfahren.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 18.08.2001

Trotz der traurigen Handlung vergnüglich zu lesen und eine gelungene Satire auf die gesellschaftlichen Mechanismen ist dieser brasilianischer Klassiker, findet der Rezensent Fritz Rudolf Fries. Dieser Roman gilt heute in seiner Heimat sogar als "Bibel der Nation" und das erstaunt Fries, wo doch das wiederkehrende Motiv der Erzählung das Scheitern ist. Lima Barreto beschreibt, wie ein kleiner brasilianischer Beamter um die Jahrhundertwende versucht, sich einen Reim auf die Welt und die Gedanken der Aufklärung zu machen und daran kaputt geht. Der Rezensent nennt das Buch "eine Entdeckung" und lobt ausdrücklich das Glossar und das Nachwort, das dem Leser die Rahmenbedingungen dieses Romans nahe bringt. So erlaubt sich Fries auch gleich eine Einordnung - seiner Einschätzung nach ist der Autor eine Art "brasilianischer Fontane".
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