Louis-Ferdinand Celine

Krieg

Roman
Cover: Krieg
Rowohlt Verlag, Hamburg 2023
ISBN 9783498003562
Gebunden, 192 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Hinrich Schmidt-Henkel. Mit einem Vorwort von Niklas Bender. Flandern im Herbst 1914. Gleich zu Beginn des Kriegs wird der junge Soldat Ferdinand  schwer verwundet. Unter furchtbaren Bedingungen operiert, kommt er halb tot ins Militärkrankenhaus, wo eine Krankenschwester ihn pflegt, die ihn sexuell so anzieht wie er umgekehrt sie. Das Rauschen im Ohr raubt Ferdinand den Schlaf, viel schlimmer aber sind die Bilder im Kopf. Zurück im Leben, freundet er sich mit dem Zuhälter Bébert an und gibt sich zügellosem Vergnügen hin. Er überlistet den Tod, befreit sich von dem Schicksal, das ihm bestimmt war.  Die betäubende Gleichzeitigkeit von Kriegsgrauen, Naturschönheit, menschlicher Verrohung, Zynismus und Liebessehnsucht macht die Einzigartigkeit dieses Buches aus. Ein unvergesslicher Roman über die Hölle, die die Menschen sich gegenseitig bereiten.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 22.11.2023

In einer perfekten Edition, so Martin Oehlen, liegt dieser im Nachlass Louis-Ferdinand Célines gefundene Roman hier vor, freut sich Rezensent Martin Oehlen. Das Vorwort Niklas Benders zeichnet, lernen wir, die Überlieferungsgeschichte dieses ursprünglich wohl 1934 verfassten Textes nach und verweist außerdem sowohl auf Célines literarisches Können als auch auf den Antisemitismus des Nazi-Sympathisanten. In dem Roman steht allerdings, so Oehlen, klar der Schrecken des Krieges im Zentrum, der sich in eine allgemeine Verrohung aller Weltwahrnehmung sowie in eine konstitutive Unruhe übersetzt. Die von Hinrich Schmidt-Henkel verantwortete Übersetzung bringt laut Rezensent die Derbheit der Sprache Célines perfekt zum Ausdruck.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 25.09.2023

Über einen echten Sensationsfund darf sich Rezensent Paul Jandl freuen: Der höchst umstrittene Autor Céline hatte behauptet, die Manuskripte seien am Kriegsende von der Résistance, die ihn gehasst habe, gestohlen worden, zerstört wurden sie allerdings nicht. Ausgerechnet ein Widerständler hat die Schriften aufbewahrt, lesen wir. Jetzt erscheint der Roman "Krieg" aus dem Nachlass der Autoren-Witwe. Es geht um die Erfahrungen Célines an der Front im Ersten Weltkrieg, eine Geschichte von Gewalt, von der ersten bis zur letzten Seite, konstatiert der Rezensent. Im Regen aus Trümmern und Kugeln, erleidet er eine Kopfverletzung, dazu kommt eine sadistische Krankenschwester, die ihm das Leben schwermacht, so Jandl. Insgesamt findet der Kritiker hier eine "Soziologie des Ausnahmezustands" vor, in der der Autor keine Rücksicht auf die Gemüter seiner Leserschaft nimmt, der Stil, ebenso gnadenlos übersetzt von Hinrich Schmidt-Henkel, ist gewohnt radikal-expressionistisch und fängt die Katastrophe des Krieges in ihrer ganzen Bösartigkeit ein. Jandl ist schon gespannt auf die deutsche Übersetzung weiterer Nachlassfunde.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 18.09.2023

Rezensent Dirk Fuhrig fällt vor allem die "rücksichtslose Bissigkeit" dieses wiederentdeckten Manuskripts von Louis Ferdinand-Céline auf. Erzählt werden die Kriegserlebnisse des Soldaten Ferdinand, eine Figur, die an Céline selbst angelehnt ist, wie der Rezensent weiß. Dieser Ferdinand erzählt seine Geschichte mit "gewitzter Boshaftigkeit", verspottet dabei die von Kriegsbegeisterung verblendete Gesellschaft, so der Rezensent. Aber ist das ein Anti-Kriegs-Roman? fragt sich Fuhrig. Es ist kompliziert: Céline unterläuft mit seinem Spott, aber vor allem mit den drastischen Schilderungen der Gräuel das "hohle Pathos der Kriegsbegeisterung". Angesichts der Tatsache, dass Céline Antisemit und Vichy-Unterstützer war, fällt es aber schwer von einem pazifistischen Werk zu sprechen, meint Fuhrig. Auf jeden Fall entwickelt sich aus den Schilderungen keine humanistische Position, alles bleibt im subjektiven Bereich von Ferdinands Erleben, so der Kritiker. Die Übersetzung von Hinrich Schmidt-Henkel ist wieder einmal herausragend, lobt Fuhrig, und vor allem angesichts der rohen Sprache, die auch einige Obszönitäten und Argot-Ausdrücke enthält, eine beachtliche Leistung.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 13.09.2023

Fast feierlich liest sich die Besprechung des Medienwissenschaftlers Andreas Bernard, und er lässt zunächst mal keinen Zweifel daran, dass er dieses Fragment für meisterhaft hält, bevor die Sache um einiges komplizierter wird. Der Auseinandersetzung mit Célines krassem Antisemitismus - der in diesem Werk offenbar aber keine Rolle zu spielen scheint - will der Rezensent keineswegs ausweichen, aber er weigert sich, die heute oft eingeforderte Kongruenz von Kunst und Moral als ein echtes Kriterium zur Lektüre Célines anzuerkennen. Denn was Céline hier vorführe, seien "Granatsplitter im Bewusstseinsstrom", sie müssten als "kunstvolle Herstellung einer Rede ohne souveränen Sprecher gelesen" werden, Céline vollbringt hier gerade die Dissoziation von Subjekt und Text, so Bernard, dem vor diesem Hintergrund die Forderung nach Kongruenz nachgerade banal erscheint. Er erinnert viel mehr an Adorno, der forderte, dass Kunst durch Kunst, nicht durch Moral überzeuge.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 12.09.2023

Gut, dass dieser Roman aus dem Nachlass Louis-Ferdinand Célines nun auf deutsch vorliegt, findet Rezensent Maximilian Mengeringhaus. Das Buch handelt von einem Soldaten, der im Ersten Weltkrieg im Lazarett landet, dort eine zynische Einstellung zum Leben erlernt und diese anschließend hemmungslos auslebt. Der Antisemit Céline war zweifellos gleichzeitig ein Genie und eine unerträgliche Gestalt, so der Rezensent. Das nun erschienene Buch ist für ihn ein Schlüssel zum Werk, weil es zeigt, wie der Horror des Weltkriegs den Menschenhass des Autoren befeuert. Auch die Übersetzung Hinrich Schmidt-Henkels und das Vorwort Niklas Benders werden von Mengeringhaus gelobt.