Martin Mosebach

Mogador

Roman
Cover: Mogador
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2016
ISBN 9783498042905
Gebunden, 368 Seiten, 22,95 EUR

Klappentext

Nicht immer wird ein Sprung aus dem Fenster zum Sprung in eine andere Welt. Aber als der junge, auf der Karriereleiter seiner Bank schon ziemlich hoch hinaufgelangte Patrick Elff nach einem Gespräch im Polizeipräsidium aus dem Fenster springt, ist das der Beginn einer gefährlichen Reise. Er hat betrogen, die Entdeckung steht bevor. Nun sucht er Hilfe bei einem mächtigen marokkanischen Finanzmann, der ihm noch einen Gefallen schuldet, und flieht nach Mogador. Doch auch in der Stadt an der marokkanischen Atlantikküste erweist sich das Untertauchen als schwierig. Um der Aufmerksamkeit der Polizei zu entgehen, mietet er sich nicht in einem Hotel, sondern im Haus der Patronin Khadija ein, einem Universum im kleinen, einer verborgenen Welt mit eigenen, weit jenseits des Normalen liegenden Gesetzen: Khadija ist Hure und Kupplerin, Geldverleiherin, Zauberin und Prophetin. Patrick, der sich selbst als einen erlebt, der mehr oder schon ziemlich hoch hinaufgelangte weniger unfreiwillig in seine Tat hineingeschliddert ist, stößt hier auf eine Frau, die mit ihrem Willen einen Kult bis zur Selbstvergötzung treibt. Zum zweiten Mal in kürzester Zeit übertritt er die eben noch unverrückbar scheinenden Grenzen seines Lebens, sieht die Geisterwelt, lernt Schrecken kennen, die irdische Strafen übersteigen

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 08.02.2017

In "Mogador" beweist sich Martin Mosebach einmal mehr als virtuoser Wortmaler, der Landschaften, Räume, Städte, Körper und Kleider so schildert, das vor dem Auge des Lesers die detailreichsten Bilder entstehen, Gerüche vorüber ziehen und Geräusche im Ohr klingen, als läge man selbst, wie der Romanheld, auf dem Boden des Hammam im marokkanischen Essaouira, bemerkt Rezensentin Beatrice von Matt. Seine opulenten Beschreibungen, wendet von Matt ein, bezahlt er allerdings mit teils überzeichneten, teils schemenhaften Figuren. Dass der Roman trotzdem zum interessanten und lohnenden Lesevergnügen wird, verdankt er seiner einsichtigen Modernität, wenn es um Körperlichkeit und Ehe geht, sowie einem nicht nur glaubwürdigen, sondern auch tief berührenden Ende, lobt die Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 15.10.2016

Für Paul Jandl ist Martin Mosebach der "Epiker unter den Beschreibungskünstlern", was ihm der Autor in seinem neuen Roman "Mogador" in ausschweifenden, "hyperrealistischen" Schilderungen von marokkanischen Straßenszenen oder Begegnungen einmal mehr beweist. Dass Mosebach sich für die eigenen orientalischen Träumereien mehr interessiert als für sozioökonomische Gegebenheiten in einem Dritte-Welt-Land, stört den Kritiker nicht. Auch, dass sich unter den zahlreichen "Protuberanzen der Schönheit" ein paar abgegriffene Bilder und Klischees tummeln, verzeiht Jandl. Denn wenn Mosebach dazu übergeht, die "Schönheit des Nicht-Schönen" zu feiern, etwa in der Schilderung von Bettlern oder rachitischen Zwergen, spürt der Kritiker eine Lust des Autors, die auch auf den Leser übergeht.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.09.2016

Rezensent Friedmar Apel nennt Martin Mosebach einen Beschreibungskünstler, bei dem Nebensachen zum Erlebnis werden. Als Schule der Aufmerksamkeit liest er Mosebachs Bücher also, ohne allerdings den ironischen Unterton zu überhören, den der Autor dem Leser mitgibt. Mosebachs neuen Roman über einen nicht ganz durschnittlichen Finanzjongleur mit philologischer Vorbildung geht Apel entsprechend aufmerksam an. Der Rezensent entdeckt so hinter meisterlichen Beschreibungen des Sichtbaren nicht nur Bezüge zur Affäre Strauss-Kahn, überraschende Wendungen und Exkurse zur maghrebinischen Kultur, märchenhaft und spannend, sondern auch Übersinnliches, alles laut Apel stilistisch glanzvoll, intelligent und unterhaltsam entworfen vom Autor. Für Apel eine Art neuer fantastischer Realismus.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 22.08.2016

Als opulent, aber auch überraschend und "selbstgenügsam" würdigt Judith von Sternburg Martin Mosebachs neuen Roman "Mogador". Gut, ein paar Stereotypen, auch Stammtischparolen in gediegenem Gewand muss die Kritikerin zwar überlesen, dann aber entfaltet sich ihr die ganze erzählerische Wucht Mosebachs, die sich hier insbesondere in feinsinnigen Spiegelepisoden zeigt. Dass der Autor etwa seinen trotz klassischer Bildung etwas tumben Finanzberater Patrick auf die aus prekären Verhältnissen stammende dämonische Analphabetin und Bordellbetreiberin Khadija treffen lässt, findet die Rezensentin ebenso "raffiniert" wie die zahlreichen Kamerabilder, die ihr wie ein "orientalisches Mäandern" erscheinen.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 20.08.2016

Ein bisschen rollt Tim Caspar Boehme schon mit den Augen, wenn er liest wie Martin Mosebach von Männern mit "Haut wie schokoladenbestäubtes Marzipan" schreibt oder bei der Schilderung der Hinterteile von Marokkanerinnen in "Altherrenfantasien" wütet. Darüber kann der Kritiker aber bald genauso schnell hinwegsehen wie über Mosebachs Manierismen, verfällt er doch schnell wieder der präzisen Psychologie, mit der der Autor etwa die Ehe seiner Protagonisten seziert und der sprachgewaltigen "Plastizität", die ihm geradezu den Körpergeruch der Figuren in die Nase treibt. Dass der Autor seine "sinnlich-intellektuelle" Erzählung über den unterschiedlichen Umgang mit dem Schicksal dann auch noch mit klugen gesellschaftlichen Beobachtungen und Motiven aus arabischen Märchen anreichert, stimmt Boehme schließlich doch uneingeschränkt glücklich.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 19.08.2016

Gleich zwei Neuerscheinungen von Martin Mosebach gilt es zu annoncieren, berichtet Burkhard Müller, wobei den Kritiker vor allem der Roman "Mogador" beeindruckt hat. Denn hier lernt er den Autor nicht nur erneut als "ausgezeichneten Reisenden" kennen, der seinen Helden Patrick nach Unterschlagungs- und Geldwäschevorwürfen nach Marokko fliehen lässt, sondern lernt auch Mosebachs Konservatismus schätzen. Anders als dem Reaktionär gehe es dem Konservativen nämlich nicht darum, die Zeit zurückzudrehen, sondern zu bewahren und vor allem genau zu betrachten, erklärt der Rezensent. Und das gelingt einmal mehr brillant, fährt Müller fort, der bei Mosebach nicht nur nachliest, dass es bei genauem Hinsehen in Marokko nicht schlechter ist als hier, sondern auch Bettler in "grellem" Schein und mit Einfühlungsvermögen und Sinn fürs Bizarre porträtierte Kupplerinnen trifft. Dass der Autor durch emotionale Teilnahme gelegentlich seine scharfe Beobachtungsgabe durchkreuzt, geht für Müller in Ordnung.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 18.08.2016

Martin Mosebachs neuester Roman "Mogador" ist sein bester bislang, lobt Ulrich Greiner, der auch schon die letzten großartig fand. Aber dieser Werk ist ein thrillerartiges Märchenbuch, wo "Wunder aus Wundern sprießen wie die Blumen eines Feuerwerks", schwärmt der Kritiker. Mogador, das ist der alte, portugiesische Name der marokkanischen Hafenstadt Essaouira, erklärt der Rezensent. In diese Stadt flüchtet der scheinbar spießige Patrick als krumme Geschäfte aufzufliegen drohen, die er für eine Düsseldorfer Bank getätigt hat, und dort, isoliert außer radebrechenden Gesprächen mit einem Marokkaner, blättert immer mehr von Patricks gesetzter Fassade ab und gibt den Blick auf einen märchenhaften Bösewicht frei, fasst Greiner zusammen. Immer wieder hat man das Gefühl, dass Mosebach bewusst abschweift, dass das ausschweifende orientalische Erzählen die gradlinige Handlung überlagert und Geschichten immer nur Anlass für weitere Geschichten sind, erklärt der Rezensent, der aber wie gebannt allen Windungen gefolgt ist.