Mieko Kawakami

All die Liebenden der Nacht

Roman
Cover: All die Liebenden der Nacht
DuMont Verlag, Köln 2023
ISBN 9783832182298
Gebunden, 260 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Aus dem Japanischen von Katja Busson. Fuyuko ist 34 Jahre alt, Korrekturleserin und einsam. Sie lebt für ihre Arbeit, die sie mit selbstausbeuterischer Gewissenhaftigkeit verrichtet. Einzig der Spaziergang, den sie regelmäßig durchs nächtlich erleuchtete Tokio unternimmt, bereitet ihr neben dem Beruf Freude. Sie hat sich in ihrem Einsiedlerinnenleben eingerichtet, bis sie eines Tages in den Spiegel sieht und feststellt, dass sich ihr ganzes Dasein in einem einzigen Wort zusammenfassen lässt: miserabel. In diesem Moment entscheidet sie, dass sich etwas ändern muss - und fasst einen folgenschweren Entschluss: Sie beginnt zu trinken. Was mit einem Feierabendbier beginnt, gerät allmählich außer Kontrolle, und bald verlässt Fuyuko das Haus nicht mehr ohne eine Thermoskanne Sake. Bisher bloß am Beckenrand wagt sie sich nun hinein ins Leben - und sinkt immer tiefer. Allein die zufällige Begegnung mit einem Mann namens Mitsutsuka bewahrt sie davor, unterzugehen. Mieko Kawakami zeichnet das Bild einer Frau, die erkennt, dass sie auf sich selbst hören muss, um von der Randfigur zur Protagonistin im eigenen Leben zu werden.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 13.09.2023

Rezensentin Lisa Berins begegnet in Mieko Kawakamis Roman der Zustand des "Weder-Vor-noch-Zurück-Kommens". Die Protagonistin Fuyuko ist Korrekturleserin, lebt in Tokio, hat keine wirklichen Freunde und ihr erster Sex war eine Vergewaltigung, resümiert Berins das bisherige Leben dieser Figur. Durch eine Begegnung mit der "schillernden Korrekturleserin Hijiri" kommt Fuyuko auf den Gedanken, ihr eigenes Leben sei "erbärmlich". Sie fängt an zu trinken und erhöht jeden Tag die Menge Alkohol, die ihr den erwünschten Vollrausch nach der Arbeit beschert: Fuyuko droht in einen Abgrund reinzufallen, erzählt Berins, bis sie den Lehrer Mitsutsuka kennen lernt. Kawakamis Buch bietet weder ein ein Happy End noch das genau Gegenteil - es erzählt von einer Frau, die einen unangepassten Weg geht, resümiert Berins, die Sympathie für diese unauffällige Protagonistin entwickelt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.08.2023

Dem dritten übersetzten Roman von Mieko Kawakami widmet sich Rezensent Steffen Gnam und trifft darin auf Motive, die er in Teilen schon aus anderen Büchern der Autorin kennt: Allen voran die Akzeptanz alternativer Lebensentwürfe, hier in der Beziehung der Protagonistin Fuyuko mit dem deutlich älteren Mitsutsuka, beide sehr stille, nachdenkliche Zeitgenossen. Fuyuko ist Korrektorin, den perfektionistischen Modus ihrer Arbeit überträgt sie lange Zeit auch auf ihr Leben, weiß Gnam, erst in der Entwicklung der Geschichte traut sie sich auch Fehler zu. Kawakami stellt in diesem Buch auch Geschlechter-, Klassen- und Arbeitsverhältnisse zur Debatte, bemerkt der Kritiker anerkennend, und schafft so nicht nur eine poetische Liebes-, sondern auch eine zu sich selbst findende Lebensgeschichte, die von der "Gemeinschaft der Einsamen in der Nacht" gestärkt wird, schließt er.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 19.07.2023

Rezensentin Christiane Lutz liest diesen frühen, im japanischen Original bereits 2011 erschienenen Roman von Mieko Kawakami im Vergleich zu Ottessa Moshfeghs "Mein Jahr der Ruhe und Entspannung". Moshfeghs Heldin knallte sich in den USA mit Beruhigungsmitteln zu, um ein Jahr zu schlafen - Kawakamis Heldin, die Fehlerleserin Fuyuko, beginnt in Tokio zu trinken, weil sie ihrer Einsamkeit und Mittelmäßigkeit überdrüssig ist, resümiert Lutz. In beiden Frauen erkennt die Kritikerin jene "Welterschöpfung", die viele Millenials prägt und in die Abkehr von der Welt drängt. Deutlich stiller aber als Moshfegh zeichnet Kawakami den Rückzug ihrer Heldin, die erst ein wenig Licht sieht, als sie beginnt, sich regelmäßig zu "kargen" Gesprächen mit Zufallsbekanntschaft Herrn Mitsutsuka zu treffen. Diesem frühen Roman Kawakamis mag es noch ein wenig an stilistischer Eleganz und Subtilität mangeln, räumt die Rezensentin ein. Aber das Gespür der Autorin für Poesie und Einsamkeit ist hier bereits unverkennbar, versichert sie.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 23.06.2023

Rezensentin Miriam Zeh fühlt sich eingeladen von Mieko Kawakami und schreitet durch deren Freundschaftsroman wie durch weite, helle Räume, in denen Ordnung und Geschmack herrschen, in denen jeder Satz, jedes Wort, jede Metapher gleich einem ausgesuchten und hochwertigen Möbelstück perfekt positioniert, funktionell und gleichzeitig von bestechender Schönheit ist. Ihre Geschichte ist die der zurückgezogenen Korrekturleserin Fuyuko, die auf der Suche ist nach einem Leben, das, zitiert Zeh, "wirkt wie ihr eigenes" und nicht nur aus Zitaten besteht. Als sie den rätselhaften Herrn Mitsutsuka kennenlernt, gerät ihr wohl sortierter Alltag in Unordnung. Doch ist es weniger der Mann, betont die Rezensentin, als andere Frauen - insbesondere eine neue Freundin, die Fuyuko nachhaltig beeinflussen. Kawakami erzählt davon in angenehm klarer, schlichter Sprache und mit dem nötigen Sinn für die Ambivalenzen einer (Frauen-)freundschaft. Ein feines Buch, voll Klugheit, Sorgfalt und Schönheit, so die Rezensentin.