Naoíse Mac Sweeney

Der Westen

Die neue Geschichte einer alten Idee oder Warum die Vorstellung von der "westlichen Zivilisation" ein Mythos ist
Cover: Der Westen
Propyläen Verlag, Berlin 2023
ISBN 9783549100714
Gebunden, 528 Seiten, 34,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Jens Hagestedt und Norbert Juraschitz. Washington, Library of Congress. Mehr als ein Dutzend ehrwürdige Männer schauen von oben auf Naoíse Mac Sweeney herab - Moses, Homer und Herodot, Kolumbus, Michelangelo und Beethoven … Zusammen sechzehn Bronzebüsten, die die Entstehung der "westlichen Zivilisation"  repräsentieren sollen. Doch wo in dieser Erzählung, denkt sich die Historikerin und Archäologin, findet sie als Frau mit Einwanderungsgeschichte ihren Platz? Deshalb fasst Mac Sweeney den Entschluss, eine andere Geschichte des Westens zu schreiben. Darin tritt Herodot nicht als berühmter "Vater der Geschichtsschreibung" auf, sondern als Migrant, der aus der türkischen Provinz vor seinen Häschern flüchtet. Sie erzählt von einer mächtigen römischen Matriarchin und einem islamischen Gelehrten, einem griechischen Kreuzfahrer und einem Sklavenmädchen im neuen Amerika. Ihre faszinierende Erzählung zeigt, dass das Konzept des "Westens" erfunden wurde zur Rechtfertigung von Ausgrenzung und Rassismus - und bis heute genau dazu dient.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 22.02.2024

Mit Gewinn hat Kritiker Clemens Klünemann die Ausführungen der Archäologin Naoise Mac Sweeney zur (historischen) Idee "des Westens" gelesen: Die Irin hat, inspiriert vom sehr männlich geprägten Geistesgrößen-Kanon der Library of Congress, beschlossen, dieser viel beschworenen Erzählung vom einheitlichen, zusammengehörigen Westen etwas entgegenzusetzen. So einig ist der Westen ihr zufolge nicht und vor allem nicht frei von Ideologien, die auch im Kolonialismus kulminiert sind, erfahren wir. Sie stellt nun vierzehn Gegenerzählungen vor. Klünemann gefällt besonders, wie Mac Sweeney die Antike mithilfe der Renaissancephilosophin Tullia d'Aragona neu interpretiert, bei der Vorstellung von Edward Said als "subalterner" Stimme kann er aber nicht so ganz mitgehen. Alles in allem aber ein wichtiges Buch, auch, um sich davon zu überzeugen, dass der Westen immer wieder in der Lage war und ist, sich selbst zu reflektieren und zu verändern, denkt sich der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.12.2023

Rezensent Uwe Walter stört sich an der Parole des Buches der Altertumswissenschaftlerin Naoise Mac Sweeney. Wenn die Autorin antritt, dem "Westen" seine ideengeschichtliche Legitimierung zu nehmen, die laut Sweeney auf einem bestimmten Bild der Antike beruht, folgt Walter einer zwar in großen Teilen originellen, klugen und differenzierten Darstellung, die vom fünften vorchristlichen Jahrhundert bis ins Heute reicht, doch lässt Sweeneys "Agenda" mitunter Belege, Kontexte und Nachvollziehbarkeit vermissen, so die Kritik des Rezensenten. Die langfristigen Wirkungen der Antike auf den Weg des Westens sowie alles, was nur Möglichkeit blieb, werden laut Walter nicht immer sichtbar.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 12.12.2023

"Kaufen Sie dieses Buch", fordert Rezensent Arno Widmann die Leser auf. Die Klassische Archäologin Naoise Mac Sweeney zeigt dem Rezensenten, dass "Europa" eine Erfindung der westlichen Geschichtsschreibung ist, die die Geschichte Europas als "direkte Linie" von der athenischen zur modernen Demokratie darstellt. Ein "Mythos weißer Männer" ist diese Idee von Europa, erklärt Mac Sweeney laut Widmann anhand sehr lesenswerter Beispiele. Widmann lernt dank der Autorin historische Persönlichkeiten wie Nzinga von Angola kennen, die 1622 den portugiesischen Gouverneur traf, außerdem die Kurtisane und Dichterin Tullia d'Aragona und viele andere, die in der eurozentristischen Historie bisher nicht ihren verdienten Platz erhalten haben und doch großen Einfluss hatten. Gerne würde Widmann noch viel mehr berichten, leider hat er nicht mehr Platz zur Verfügung und kann nur noch einmal dringend an die Leserschaft appellieren: "Lesen Sie!"