Natasha Lance Rogoff

Muppets in Moskau

Die völlig verrückte Geschichte, wie die Sesamstraße nach Russland kam
Cover: Muppets in Moskau
Suhrkamp Verlag, Berlin 2023
ISBN 9783518473658
Kartoniert, 413 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Frank Sievers. Mehr als zehn Jahre lang erreichte die russische Ausgabe der Sesamstraße Millionen von Familien. Die Vision der Sendung: eine neue Realität für die Kinder und Enkelkinder des Landes zu entwerfen - zunächst auf dem Fernsehbildschirm und dann im wirklichen Leben. Natasha Lance Rogoff, die amerikanische Produzentin der Sendung, gibt einen Einblick hinter die Kulissen und erzählt eine turbulente Geschichte von Bombenanschlägen, dem Clash der Kulturen und der zarten Hoffnung, dass es so etwas wie Annäherung zwischen zwei Welten geben kann.Kurz nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion erwartet Natasha Lance Rogoff die Aufgabe ihres Lebens: Sie soll die ur-amerikanische Sesamstraße für das russische Fernsehen adaptieren. Dass es keine Produktion wie jede andere werden wird, zeigt sich bereits im Vorfeld: Der erste Investor entgeht nur knapp einem Bombenattentat, drei Fernsehmanager werden ermordet, und als endlich ein Produktionsbüro bezogen werden kann, wird es kurz darauf vom Militär besetzt. Schließlich sind da noch die Differenzen im russisch-amerikanischen Team: Filme, in denen Männer den Abwasch machen und Patchwork-Familien fröhliche Buchstabenlieder singen, kommen bei den russischen Kreativen nicht gut an - Schwermut und klassische Musik sollen zum Einsatz kommen. Es wird beherzt gestritten, und nur langsam nähern sich beide Seiten an. Am Ende entstehen aber Kulissen und Handpuppen, Filme und Musik, die amerikanische Vorgaben und russische Tradition verbinden. Die Sendung wird ein Riesenerfolg - bis sie von Putin-treuen Fernsehmanagern abgesetzt wird.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.02.2024

Rezensent Ulrich Schmid ist sehr angetan von Natasha Lance Rogoffs Buch über die Schaffung der russischen Version der Sesamstraße, an der Rogoff maßgeblich beteiligt war. Das Buch biete dabei tiefe Einblicke in die russische Gesellschaft und die damalige Zeit: Muppets durften nicht "schwarz" sein und auf gar keinen Fall homosexuell wirken, weil man glaubte, dadurch würde das Publikum abgeschreckt werden, so Schmid. Rogoff erzählt außerdem, dass ihre Produzenten ermordet wurden, weil sie in den Jelzin-Jahren für eine Regulierung des russischen Werbemarktes einstanden, erfahren wir. Dazu kam die damalige Wirtschaftskrise und ein Produktionsteam, dass aus der freudvollen amerikanischen Show eine wehmütige russische Kindersendung machen wollte, schreibt Schmid. Rogoff, so der Kritiker, offenbare in dem Buch auch, dass sie den russischen Kinder mit der Sesamstraße "kommunistische Verhaltensmuster" abtrainieren wollte. Ein spannendes, ab und zu höchstens "etwas geschwätziges" Buch, findet Schmid abschließend.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 26.01.2024

Rezensent Hans von Trotha freut sich über die Erinnerungen von Natasha Lance Rogoff an ein bemerkenswertes Experiment: Als Produzentin war die Autorin 1993 damit betraut, die "Sesamstraße" nach Russland zu exportieren und dort als Serie zu etablieren. Was sie dabei erlebte, ist für Trotha unterhaltsam und spannend zu lesen, eröffnet dem Rezensenten aber zugleich einen lehrreichen Blick auf die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse im Russland nach dem Kalten Krieg. Etwas störend erscheint ihm eine parallel zur historischen Erzählung im Band wiedergegebene  Liebesgeschichte. Die schafft unnötig Distanz zum historischen Geschehen, kritisiert er.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 18.11.2023

Äußerst aufschlussreich findet Rezensent Harald Staun Natasha Lance Rogoffs Buch, das die Produktionsgeschichte der russischen Version der Sesamstraße erzählt. Diese Sendung sollte auch nach dem Willen ihrer amerikanischen Erfinder bei ihrer Adaption für andere Märkte den lokalen Gegebenheiten angepasst werden, führt Staun aus. Rogoff hatte als Produzentin der russischen Ausgabe die Aufgabe, diese Adaption zu leisten, lernen wir, und sie musste sich dabei unter anderem mit der russischen Vorliebe für Schwermut herumschlagen, die beim Buchstaben "D" als erstes an "Depression" denkt. Es gab große Vorurteile gegen das Unternehmen, heißt es weiter, viele hielten die Sendung für Teil einer amerikanischen Propagandaunternehmung, außerdem war die Produktion von politischen Querelen begleitet. Selbst mit den ikonischen Puppen der Sendung konnten viele Mitglieder ihres Teams wenig anfangen, so Rogoff laut Staun, einige wollten lieber lokale Folklore wie etwa eine kinderfressende Hexe integrieren; andere wiederum wollten die russischen Muppets lieber gleich ins Ausland emigrieren lassen. Man einigte sich schließlich, zeichnet der Rezensent die Erinnerungen Rogoffs nach, auf kluge Kompromisse und tatsächlich entstanden drei Staffeln "Uliza Sesam". Eine solche der Modernisierung des eigenen Landes verschriebene Fernsehsendung kann man sich im heutigen Russland freilich nicht mehr vorstellen, so das ernüchternde Fazit.