Nicole Seifert

"Einige Herren sagten etwas dazu"

Die Autorinnen der Gruppe 47
Cover: "Einige Herren sagten etwas dazu"
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2024
ISBN 9783462003536
Gebunden, 352 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Nicole Seifert erzählt die Geschichte der Gruppe 47 aus einer neuen Perspektive: der der Frauen. Ihr Ergebnis kommt einer Sensation gleich. "Einige Herren sagten etwas dazu" macht es zwingend, die deutsche Gegenwartsliteratur neu zu denken, die literarische Landschaft neu zu ordnen.Es waren viel mehr Autorinnen bei den berühmt-berüchtigten Treffen der Gruppe 47 als Ingeborg Bachmann und Ilse Aichinger, aber sie sind in Vergessenheit geraten, sie fielen aus der Geschichte heraus, wurden meist gar nicht miterzählt und wenn doch, dann nicht als Autorinnen ihrer Texte, sondern als begehrenswerte Körper oder als tragische Wesen. Nicole Seifert erzählt von den Erfahrungen der Autorinnen bei der Gruppe 47, von ihrem Leben in den Fünfziger- und Sechzigerjahren in der BRD und von ihren Werken. Ein Buch, das sofort große Lektürelust entfacht. Schriftstellerinnen wie Gisela Elsner und Gabriele Wohmann müssen neu gelesen, Schriftstellerinnen wie Ruth Rehmann, Helga M. Novak und Barbara König neu entdeckt werden.  Ein ganz neuer Blick auf die Gruppe 47 und die Nachkriegsliteratur, der uns bis in die Gegenwart führt. 

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 20.03.2024

Rezensentin Julia Hubernagel kann bei der Lektüre von Nicole Seiferts Buch über die Frauen in der Gruppe 47 kaum fassen, was für ein engstirniger, patriarchaler und zum Teil geradezu niederträchtiger Kreis das war. Empört liest sie, dass Autorinnen meist entweder ignoriert oder runtergemacht wurden. "Biografisch" war ein Lieblingsvorwurf gegen die Texte von Autorinnen. Die Herren selbst durften dagegen Schlüsselromane produzieren, in denen sie ihre Kriegserfahrungen aufarbeiteten oder ihre Affären mit Kolleginnen, bemerkt die empörte Kritikerin. Sie ist froh, dass Autorin Nicole Seifert mit diesem Buch Autorinnen wie Griseldis Fleming, Gisela Elsner oder Ilse Schneider-Lengyel wieder bekannt macht.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 19.02.2024

Über ein kluges und entlarvendes Buch der Literaturwissenschaftlerin Nicole Seifert darf sich Rezensent Paul Jandl freuen: Sie hat sich der Frauen der Gruppe 47 angenommen, der wohl wichtigsten literarischen Institution im Nachkriegsdeutschland. Nicht nur, dass die Männer dabei in erschreckender Überzahl auftreten, lernt Jandl, die Autorinnen werden auch noch mit Sprüchen bedacht, die sich lesen wie ein "Lexikon lüstern verbrämter Misogynie." Schriftstellerinnen von Gisela Elsner bis Ilse Schneider-Lengyel mussten sich Beleidigungen und Klischees anhören, über die man heute nur noch staunen kann, so der Rezensent: Von "Hexe" bis "Schlange" ist alles dabei, und das sind noch nicht einmal die schlimmsten Zuschreibungen. Nicht nur Hans Werner Richter, "Patriarch der deutschen Nachkriegsliteratur", war nicht in der Lage, hier zwischen literarischem Talent und körperlichen Merkmalen zu unterscheiden, liest Jandl bei Seifert, und freut sich, dass einige Namen wie Renate Rasp oder Barbara König durch Seiferts Buch mit diesem Buch dem Vergessen entrissen werden.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 13.02.2024

Nicole Seiferts Buch widmet sich, führt Rezensentin Meike Feßmann aus, den Autorinnen der Gruppe 47, die in der Mehrzahl im Schatten ihrer männlichen Kollegen standen. Zu den Vergessenen zählt etwa Ilse Schneider-Lengyel, eine Künstlerin und Schriftstellerin, die in der Frühphase der Gruppe eminent wichtig war. Seifert ordnet die Art und Weise, wie Schriftstellerinnen aus der Literaturgeschichte herausgeschrieben wurden, in die gesellschaftlichen Verhältnisse einer Zeit ein, die Frauen nur sehr zögerlich gleiche Rechte gewährte. Zwangsläufig geraten dabei auch die Männer, die sich oftmals trotz Durchschnittsbegabung durchsetzen konnten, in Seiferts Blick, fährt die Rezensentin fort. Geschickt findet Feßmann, wie Seifert sexistische Zitate männlicher Autoren und Äußerungen von Frauen, die nicht auf ihr Äußeres reduziert werden wollen, gegeneinander montiert. Feßmann vergleicht das besprochene Buch mit anderen Arbeiten über die Gruppe 47 und hebt hervor, dass Seiferts größte Stärke weniger die Archivarbeit als die Perspektivierung ist. Insgesamt läuft die Argumentation darauf hinaus, erläutert Feßmann, dass die Schriftstellerinnen von Anfang an keine Chance gehabt hatten, weil sie nicht ernst genommen und bestenfalls als Dekoration akzeptiert wurden. Abschließend weist Feßmann mit Seifert auf zwei Autorinnen hin, die das Spiel der Gruppe 47 nicht mitspielten und ihren eigenen Weg gingen: Helga M. Novak und Gisela Elsner.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 03.02.2024

Rezensentin Mara Delius vermisst in Nicole Seiferts feministischer Literaturgeschichte am Beispiel der Gruppe 47 eine Analyse der Ästhetik der in Frage stehenden Texte. Was genau Autorinnen wie Gabriele Wohmann, Gisela Elsner oder Renate Rasp zu den männlich dominierten Gruppenlesungen und -diskussionen beigetragen haben, bleibt laut Delius leider im Dunkeln. Allerdings gefällt ihr das Buch gut als quellennahe Porträtsammlung über "verdrängte" Schriftstellerinnen wie etwa auch die Gastgeberin des Hauses am Bannwaldsee, Ilse Schneider-Lengyel. Als solche scheint ihr das Buch Pionierarbeit zu leisten, am stärksten dann, wenn Seifert die Frauen über ihr Empfinden sprechen lässt angesichts der männlichen Kritik.