Özge Inan

Natürlich kann man hier nicht leben

Roman
Cover: Natürlich kann man hier nicht leben
Piper Verlag, München 2023
ISBN 9783492071680
Gebunden, 240 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Nilay will los. Am liebsten noch heute Nacht, von Berlin nach Istanbul. Seit Wochen verfolgt sie mit ihren Eltern die Nachrichten vom Taksim-Platz: die Bilder der Proteste, das Rufen nach Freiheit. Selim und Hülya sind außer sich. Sie selbst waren Kinder in den Straßen Izmirs. Dann kam der Putsch, im September 1980. Es folgten Jahre der Willkür, doch sie glaubten an eine Zukunft in der Türkei. Schließlich hatten sie sich und fanden Wege des Widerstands. Dreißig Jahre später zieht es ihre Tochter in das Land, das sie hinter sich ließen, in der Hoffnung, anderswo frei zu sein. Özge İnan erzählt die Geschichte einer Familie, die nicht aufgibt. Eine Geschichte von Freundschaft und Verrat, von Liebe und Wut.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 27.12.2023

Rezensentin Ayca Balci bespricht drei Debütromane von deutschen Schriftstellerinnen, die man hierzulande unter dem Label "postmigrantische Literatur" fassen würde. Aber dagegen hat die Kritikerin einiges einzuwenden, erzählt doch eine jede der Autorinnen ihre eigene Geschichte. Dennoch macht Balci zunächst auf die Gemeinsamkeiten der Romane aufmerksam: Sowohl Nilufar Karkhiran Khozani als auch Özge Inan und Mina Hava erzählen vom Schicksal der Eltern und dem Gefühl, Sehnsucht nach einem Land zu empfinden, das sie aufgrund von Krieg oder Repressionen verlassen mussten. Karkhiran Khozani erzählt uns in "Terafik" von Psychologiestudentin Nilufar, die nach Diskriminierungserfahrungen in Deutschland erst in den Straßen von Teheran ihrem Vater näher kommt, Özge Inans fünfzehnjährige Heldin Nilay zieht es in die Türkei, obwohl ihre Eltern nach dem Militärputsch 1980 fliehen mussten und die Freiheit erst in Deutschland fanden, und Mina Hava lässt ihre Heldin Seka nach Bosnien reisen, um nicht nur das Schicksal ihrer zerbrochenen Familie zusammenzusetzen, sondern auch über die fast vergessenen Kriegsverbrechen des Bosnienkrieges zu recherchieren, resümiert die Rezensentin. Sie scheint alle drei Romane mit Gewinn gelesen zu haben und hofft, dass die Autorinnen auch dann noch verlegt werden, wenn sie keine Migrationsgeschichten mehr schreiben.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 26.08.2023

Über ein gelungenes Romandebüt freut sich Rezensent Tom Wohlfarth: Die Özge Inan, sonst auch als Journalistin tätig, erzählt die Geschichte des "Migrantenkinds" Nilay und ihrer Eltern Hülya und Selim, die 1980 den brutalen türkischen Militärputsch erleben, Verhaftungen, Verbote, Folter sind in diesen Jahren an der Tagesordnung, lernt Wohlfarth. Das Paar lernt sich 1990 in einer politischen Hochschulgruppe kennen, deren Arbeit nach wie vor von Repressionen erschwert wird, die die beiden letztendlich zur Flucht zwingen - dennoch vermag es Inan, auch Aspekte von Normalität in die Handlung einzuweben, lobt der Kritiker. Eine weitere Stärke ist für ihn, dass die Autorin und ihre Protagonistin nicht alle Fragen - Gehen oder Bleiben? Was können wir ausrichten? - beantworten, sondern Freiräume offenlassen, die trotz kleinerer Stilblüten zum eigenen Nachdenken anregen, wie er überzeugt schließt.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 10.08.2023

Rezensentin Tanya Lieske sagt es sehr freundlich, aber dieser Roman über eine Familie in Berlin und ihre Geschichte in der Türkei ist für sie misslungen. Zuviele Themen und vor allem zu viele Personen scheint Özge Inan in ihren Roman zu packen. Da gehts einerseits um die Gezi-Proteste in Istanbul 2013 und um die Jahre nach dem Militärputsch von 1980, in denen der Vater der Hauptfigur politisch verfolgt wurde, und die Mutter ihren Emanzipationsprozess abbrechen sah. Alles interessant, aber leider geht es nie mal in die Tiefe, bedauert Lieske, der hier einfach die "literarische Gestaltung" fehlt.