Paul Feyerabend

Historische Wurzeln moderner Probleme

Vorlesung an der ETH Zürich 1985
Cover: Historische Wurzeln moderner Probleme
Suhrkamp Verlag, Berlin 2023
ISBN 9783518588055
Gebunden, 600 Seiten, 40,00 EUR

Klappentext

Im Sommersemester 1985 hält Paul Feyerabend eine Vorlesung an der ETH Zürich, in der er die These vertritt, dass wir viele Probleme der modernen Welt besser verstehen, wenn wir sie auf historische Wurzeln in der Geisteswelt der griechischen Antike zurückführen. Das überwiegend naturwissenschaftliche Publikum wird nicht enttäuscht. In gezielt antiprofessoraler Performance, gespickt mit brillanten Provokationen und anekdotischen Abschweifungen, die sein profundes Wissen offenbaren, schärft das enfant terrible der Wissenschaftsphilosophie seine berühmte Kritik am abendländischen Rationalismus.Besonders die Monopolstellung der wissenschaftlich-technischen Vernunft mit ihren Vorstellungen von Fortschritt, Wahrheit oder Objektivität nimmt er dabei ins Visier, als mitverantwortlich für die Schieflage der Welt. Dagegen empfiehlt Feyerabend einen erkenntnistheoretischen und politischen Pluralismus, um den "modernen Problemen" seiner Zeit beizukommen: der atomaren Bedrohung, der Zerstörung außereuropäischer Zivilisationen, den sozialen Verwerfungen und der sich anbahnenden ökologischen Katastrophe. Und heute? Eine furiose Reise in die 1980er Jahre, die unter anderem zeigt, dass nicht wenige Probleme von gestern noch immer auf der Agenda stehen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.03.2024

Rezensent Frieder Vogelmann empfiehlt einen vergleichenden Blick auf das Werk Foucaults beim Lesen von Paul Feyerabends Zürcher Vorlesung von 1985. Sehr unterhaltsam findet er Feyerabends Einlassungen zu Überbevölkerung, Umweltzerstörung und Aufrüstung, aber auch zu weniger brennenden Themen wie der Vielfalt der Meinungen. Enttäuscht scheint er über Feyerabends mangelnden Drive, wenn er auf kritische Einwände seiner Zuhörer antwortet, allerdings gehören zwei daraus folgende Diskussionen zum Besten im Buch, findet er. Dem Leser wünscht er Geduld, weil die "gewollte Unordnung" der Vorlesung mit allerhand Abschweifungen in der vorliegenden schriftlichen Form etwas ermüdend wirken kann, wie Vogelmann ahnt.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 27.01.2024

Rezensent Michael Köhler empfiehlt, Paul Feyerabends Vorlesungen von 1985 "gewissermaßen mit den Ohren" zu lesen. Denn bei den Vorlesungen über Wissenschaftsphilosophie an der ETH Zürich dürfte es sich wohl eher um "Lecture Performances" gehandelt haben, vermutet Köhler, wenn er an Feyerabends Ausbildung zum Opernsänger, den Einfluss starker Medikamente wegen einer Kriegsverletzung, den Wiener Dialekt und an seine plaudernde, interaktive Art denkt. Der dadurch sehr lockere Vortragsmodus an sich habe bereits großen Unterhaltungswert - auch wenn es zuweilen etwas ins Schwafeln abdriftet. Aber auch inhaltlich findet der Kritiker höchst spannend und oft auch überraschend zeitgemäß, worum es in den Vorlesungen des österreichisch-kalifornischen Physikers und Wissenschaftsphilosophen geht: So vertrat Feyerabend eine gerade nicht akademisch verquaste und regulierte Herangehensweise, sondern ein wilderes, freies Denken, dass auch beim Kaffeetrinken statt beim Bücherwälzen entzündet werden könne, wie Köhler wiedergibt. Auch Feyerabends Ausführungen zum Relativismus, zu Ressourcenschonung und indigenen Völkern findet der Kritiker spannend. Ein "tolles Stück" über Wissenschaftsgeschichte und ihrer Kritik, lobt Köhler.  

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 20.01.2024

Der Wissenschaftstheoretiker Paul Feyerabend mag sich mit seinen Thesen über ein methodologisches "anything goes" nicht durchgesetzt haben, so Rezensent Michael Hesse, unterhaltsam ist sein Schreiben allemal. Anders als Thomas S. Kuhn, der gleichfalls dafür plädierte, Wissenschaft nicht als eine lineare Abfolge immer schlauerer Theorien, sondern als ein Wechselspiel zwischen verschiedenen Paradigmen aufzufassen, schrieb Feyerabend laut Hesse immer in einem gut lesbaren Stil. Dabei war Feyerabend noch radikaler als Kuhn, da er eine Fixierung von Paradigmen grundsätzlich ablehnte und für einen methodischen Anarchismus plädierte, führt der Rezensent aus. Das liest sich für ihn nur auf den ersten Blick Querdenkernah, denn tatsächlich ging es Feyerabend darum, die Komplexität der Wissenschaft aufzuzeigen und offenzulegen, dass auch die Aufklärung intellektuell nur mit Wasser kochte, erklärt der Kritiker. Aus dieser Perspektive verteidigte er den Relativismus, fasst Hesse Feyerabends Position zusammen, und weist darauf hin, dass vieles aus der modernen Philosophie schon in Schriften aus der Antike angelegt ist. Liest sich auch im Licht aktueller Debatten gut, findet Hesse.