Richard Powers

Das Echo der Erinnerung

Roman
Cover: Das Echo der Erinnerung
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2006
ISBN 9783100590220
Gebunden, 528 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Manfred Allie und Gabriele Kempf-Allie. Kearney ist die geografische Mitte der USA - und die Mitte von Nirgendwo. Mark überschlägt sich mit dem Auto und fällt aus der Welt. Seine Schwester Karin erkennt er als Gestalt wieder, aber seinen Gefühlen bleibt sie fremd, er hält sie für eine feindliche Doppelgängerin. "Capgras" nennt der Psychologe diese Erkrankung, doch auch er wird in einem Taumel unaufgedeckter Wahrheiten und verschwiegener Geheimnisse mitgerissen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 27.01.2007

Man sei es von Richard Powers gewohnt, dass er Physik, Informatik oder Medizin literarisch so umzusetzen weiß, dass sich dem Leser die tiefliegenden "Imaginationen der Gesellschaft" offenbaren, erklärt der Rezensent Uwe Pralle. Im vorliegenden Roman um den am Capgras-Syndrom erkrankten Mark sei ihm dies jedoch nicht geglückt. Seine drei Erzählstränge - der Zug der Kraniche, der kanadische Kleinstadtkosmos, in dem Mark sich bewegt, und der vom Gehirn konstruierte "mentale Raum" - wollen sich für den Rezensenten zu keinem dynamischen Ganzen fügen. Was zum Teil daran liegt, vermutet der Rezensent, dass Powers gebetsmühlenartig die fatale Neigung des Gehirns darlegt, bei der Konstruktion des Weltbildes der Stimmigkeit den Vorzug vor der Wahrheit zu geben, und dabei - vergnüglich zwar, aber zu ausufernd - die "Rhapsodien der Hirnforschung" bemüht. Auch die Parallelisierung zwischen der Hirnkrankheit und den Folgeerscheinungen des 11. September findet der Rezensent eher schwachbrüstig, wenn nicht gar zweifelhaft.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 11.01.2007

Als nicht immer ganz gelungene Kreuzung von Hirnforschung und Gegenwartsroman beschreibt Rezensentin Tanya Lieske Richard Powers neues Buch, in dem es um "nichts Geringeres" als die Frage gehe, "wie sich das menschliche Bewusstsein konstituiert". Im Hirn eines der Protagonisten sei nach einem Autounfall eine winzige Verbindung gerissen, weshalb er nun niemanden mehr erkennen könne. An jenem Mark Schluter und seinem Neurologen spiele Richard Powers nun Fragen der Fragilität des Bewusstseins durch. Beim Lesen fühlte Lieske sich immer wieder wie ein "Gast in einem wissenschaftlichen Labor", sah zu, wie der Autor auch verschiedene andere Testpersonen in Umstände verwickelt, die er dann auf Ursache und Wirkung untersuche. Die Rezensentin beschreibt das Buch als "breiten, episch angelegten Roman mit viel Raum für Nebenhandlungen, biografische Einsprengsel, Abschweifungen und Exkurse". Bei allem Interesse und gelegentlicher Faszination für Powers Fragestellungen und Szenarios fällt der Rezensentin aber immer wieder ein Hang zur Redseligkeit negativ auf, weswegen das Buch aus ihrer Sicht oft Gefahr läuft, an seinen Ambitionen zu ersticken.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 06.12.2006

Komplex und "staunenswert brillant" findet Rezensent Christoph Schröder dieses Buch, das aus seiner Sicht Richard Powers "bislang bestes" ist. Es handelt sich Schröder zufolge um einen "Grenzgang zwischen Philosophie und Neurologie", verhandelt am Fall des Protagonisten Mark Schluter, der sich nach einem schweren Autounfall zunächst in einem Schwebezustand zwischen Leben und Tod befindet und nach seinem Erwachen einen Riss zwischen Emotion und Kognition erlebt - die Menschen ihm nicht mehr als sie selbst, sondern nur noch als Schauspieler empfindet, die ihm bekannte Personen täuschen echt nachzuahmen verstehen. Powers Held leidet in der Folge des erlittenen Schädel-Hirn-Traumas, wie uns der Rezensent wissen lässt, am sogenannten "Capgras-Syndrom", anhand dessen Powers den Leser nun in die Unendlichkeit der Grauzonen hinter der Schädelwand führe. "Ungemein spannend" findet Schröder, wie er in seinem Roman Wissenschaft und große Erzählkunst miteinander verknüpft, wie Powers klug, lehrreich und niemals dozierend seine Fallstudie episch verzweigt und zu großer Literatur ausbaut.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.12.2006

Peter Körte meint es eigentlich gut mit dem Autor. Richard Powers attestiert er "wunderbare Sätze", Detailhingabe und den Überblick eines souveränen Erzählers. Schade bloß, erklärt uns Körte sein Unbehagen mit diesem Roman, dass Powers es etwas zu gut meint mit dem Leser: Sätze wie Lebensweisheiten, die Provinz als Nabel der Welt, grob gestrickte Figuren und eine Absicht (Kunst, Leben und Wissenschaft zu einen), die der Rezensent für steinalt hält. Hätte Powers den Text nicht derart mit Bedeutung überladen, hätte er einfach eine kleine Geschichte aus der amerikanischen Provinz erzählt, der Rezensent wäre vielleicht zufrieden gewesen. Die ganz große Nummer aber traut er Powers nicht zu. Zu wenig Lakonie, zu wenig Entspanntheit und nicht die Schärfe der Beschreibung eines DeLillo. Und was das Buch an Spannung verspricht, sieht Körte durch den Übereifer und die Exkurswut des Autors "zerfasert", noch ehe es Früchte tragen kann.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 04.10.2006

Thomas Steinfeld kommt aus dem Staunen und Loben angesichts von Richard Powers' jüngstem Roman "Das Echo der Erinnerung" nicht heraus. Das Buch spielt im Süden Nebraskas, wo ein Mann mit dem Auto verunglückt und, nur knapp dem Tod entgangen, sein verlorenes Gedächtnis wiederzuerlangen versucht, fasst der Rezensent zusammen. Für ihn birgt der Roman zugleich ein neurologisches und philosophisches Werk, die mit vollendeten literarischen Mitteln erzählt werden, wie er schwärmt. Steinfeld preist die enorme Erzählkraft Powers' und die auch bei der Behandlung der großen Fragen über das Menschsein nie nachlassende Spannung, die der Roman jederzeit aufrechterhalte. Powers' größtes Verdienst ist es, dass er aus dieser Geschichte einer schwierigen Heilung keine Fallgeschichte macht, sondern außerordentlich anschaulich von der Zerbrechlichkeit des Ich erzählt, so der restlos hingerissene Rezensent.
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