Stanislaw Baranczak

Ethik und Poetik

Skizzen 1970-1978
Cover: Ethik und Poetik
Edition Faust, Frankfurt/Main 2023
ISBN 9783945400463
Broschiert, 416 Seiten, 28,00 EUR

Klappentext

Aus dem Polnischen von Jakub Gawlik und Mateusz Gawlik. Vorwort von Adam Zagajewski, Nachwort von Krzysztof Biedrzycki. Herausgegeben von Alexandru Bulucz, Ewa Czerwiakowski und Michael Krüger. Die ethische Integrität von Literatur scheint immer dann am stärksten gefährdet zu sein, wenn Schriftsteller in die Klauen der Geschichte geraten. Bald sollen sie sich für oder gegen das herrschende System entscheiden: entweder für Gehorsam oder für Widerstand: Selten gibt es eine weitere Alternative. In einem solchen Klima der Gefahr sind auch die Essays aus "Ethik und Poetik" entstanden. Stanisław Barańczak verfasste sie in den Jahren 1970 bis 1978. In Polen durften sie nicht erscheinen, in Frankreich schon. Sie sind das leidenschaftliche Zeugnis eines literarischen wie kritischen Ringens mit den Totalitarismen des 20. Jahrhunderts - eines Ringens also um die Literatur und deren potenzielle Rolle bei der Wiederherstellung eines ethischen Wertesystems. An Texten von Ossip Mandelstam und Dietrich Bonhoeffer, aber aber auch an solchen von Zeitgenossen und Freunden wie Czesław Miłosz, Miron Białoszewski, Wisława Szymborska, Zbigniew Herbert u.a.m. zeichnet Barańczak jene poet(h)ischen Überzeugungen nach, für die deren Autoren wirklich jeden Preis, jeden Lebenspreis, zu bezahlen bereit waren. "Was ist Poesie, wenn sie weder Völker Noch Menschen rettet? Eine Komplizenschaft amtlicher Lügen, Ein Singsang von Säufern, denen bald jemand die Kehle aufschlitzt, Ein Lesestückchen aus einem Mädchenzimmer."Czesław Miłosz

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 06.09.2023

Endlich, jubelt Rezensent Artur Becker, ist der Essayband "Ethik und Poetik" des polnischen "Multitalents" Stanislaw Barnaczak auch auf Deutsch erschienen. Wurde auch Zeit, meint Becker, vierzig Jahre sind seit seiner Erstveröffentlichung vergangen. Der Band entstand in der "grauen und unsicheren Zeit" des Realsozialismus in Polen, Baranczak war politisch in der kommunistischen Partei PZPR aktiv und Mitunterzeichner des "Briefs 59", lesen wir. Gleichzeitig war er aber auch ein junger, aufstrebender Dichter, ein wichtiger Vertreter der "Neuen Welle". Es war eine Zeit, in der "Poesie zur Rebellion" wurde, was sich für Becker in Baranczaks Essays und Gedichten widerspiegelt: "das dichterische Denken" wird hier zum Gegenwicht eines"dogmatischen Denkens". Die Essays haben seitdem nichts von ihrer Aktualität eingebüßt, versichert der Kritiker, im Gegenteil: gerade angesichts des überall erstarkenden Autoritarismus ist dieses Plädoyer für eine Balance zwischen "kritischem Denken" und Gefühl von großer Wichtigkeit, denkt sich der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.07.2023

Ausführlich und kenntnisreich erzählt Marta Kijowska das faszinierende Leben dieses wichtigen polnischen 68ers und verwebt die Erzählung mit den politischen und literarischen Kontexten, in denen er agierte. 68: Das war in Polen eine weitaus schmerzlichere Erfahrung als im Westen, es ist das Jahr, in dem die kommunistische Partei Tausende Juden aus Polen vertrieb. Barańczak fing zu diesem Zeitpunkt an zu dichten, schloss sich später auch der polnischen Arbeiterbewegung an, bekam die üblichen Verbote, emigrierte und ist nicht nur als Lyriker, sondern auch als Essayist maßstabsetzend, so die Rezensentin. Die vorliegenden Essays befassen sich mit der Frage, wie man unter Bedingungen des politischen Drucks als Dichter wahrhaftig bleiben kann, so die Rezensentin. Sie gelten heute in Polen als Standardwerke, auch der Essay über das "Zauberberg"-Gespann Naphta und Settembrini, bei dem sich Barańczak eindeutig auf die Seite Settembrinis schlage. Einen dritten Weg gebe es nicht. Kijowska hofft, dass sich auch mal ein Verlag findet, der eine breitere Auswahl von Gedichten Barańczaks übersetzt.
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