Susan Neiman

Links ist nicht woke

Cover: Links ist nicht woke
Hanser Berlin, Berlin 2023
ISBN 9783446278028
Gebunden, 176 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Christiana Goldmann. Seit sie denken kann, ist Susan Neiman erklärte Linke. Doch seit wann ist die Linke woke? In ihrer Streitschrift untersucht sie, wie zeitgenössische Stimmen, die sich als links bezeichnen, ausgerechnet die Überzeugungen aufgegeben haben, die für den linken Standpunkt entscheidend sind: ein Bekenntnis zum Universalismus, der Glaube an die Möglichkeit des Fortschritts und die klare Unterscheidung zwischen Macht und Gerechtigkeit. Als Philosophin überprüft sie dabei die identitätspolitische Kritik an der Aufklärung als rassistisch, kolonialistisch, eurozentristisch und stellt fest: Die heutige Linke beraubt sich selbst der Konzepte, die für den Widerstand gegen den weltweiten Rechtsruck dringend gebraucht werden.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 12.09.2023

Susan Neimanns Buch ist die Kritik einer links sozialisierten Autorin an der gegenwärtigen Linken, so Rezensent Thomas Ribi. Genauer gesagt, führt er aus, an der Tendenz der Linken, Identitätspolitik auf Kosten emanzipativer Kämpfe zu betreiben. Ribi verteidigt Neimann gegen Kritik, die seiner Meinung nach nur die Richtigkeit ihrer Thesen bestätigt: anstatt ihre Thesen zu widerlegen werde schlicht die Existenz des Problems geleugnet. Neu sind Neimanns Thesen nicht, konzediert Ribi, dem es allerdings gut gefällt, dass die Autorin mit ihnen die Aufklärung verteidigt. Ihr Buch zeigt auf, so der Rezensent, dass eben diese Aufklärung nach wie vor zentral ist für ein Denken, das der Zukunft zugewandt ist.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 26.08.2023

Als "Buch ohne Gegenstand" bezeichnet Rezensent Till Schmidt den Rundumschlag der Philosophin Susan Neiman gegen die von ihr beobachtete Konjuktur der Identitätspoltik, die sie mit dem Kampfbegriff "woke" kennzeichnet, ohne genauer zu definieren, was er bedeutet und welche Akteure sich dahinter verbergen. Die linken Prinzipien von "Universalität, Gerechtigkeit und Fortschritt" sieht sie verletzt, aber auch hier kann sie Schmidt keine Begründung für ihre Annahmne zeigen. Zudem vermischt sie ihm zufolge deutsche und amerikanische Diskurse, die von Foucault und Schmitt "indoktriniert" seien - auch hier ohne Begründung, wie Schmidt bedauert. Einzig ihrer Forderung, man müsse die Philosophen der Aufklärung in all ihrer Ambivalenz neu lesen, kann sich der Kritiker anschließen. Ansonsten ist das Buch für ihn "leider vollkommen missglückt."

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 23.08.2023

Die Philosophin Susan Neiman verteidigt in ihrem Buch die Aufklärung gegen die Kritik aus der "woke"-Bewegung, erklärt Rezensent Harry Nutt. Es sei, lege Neiman in ihrem Buch dar, inzwischen gängig, den Universalismus und andere Ideen der Aufklärung als "Taschenspielertricks" zu betrachten, die eurozentristische und kolonialistische Tendenzen verschleiern sollen. Neiman hält dagegen, so Nutt: die Aufklärer seien die ersten gewesen, die Kritik am Kolonialismus übten. Michel Foucault, Neiman zu Folge eine Galionsfigur der "Woken", hält sie in seiner "Ablehnung des Universalismus" und "jeglichen Fortschritts" hingegen für reaktionär, erklärt der Rezensent. Auf die Schriften Thomas Pikettys verweisend, betont die Autorin laut Kritiker, wie wichtig die Durchdringung sozioökonomischer Verhältnisse sei, die "woken" Positionen im Gegensatz zu linken fehle, und dazu führe, dass sich das Streben nach Veränderung auf "die Feier der Grenze und der Identität" verlagere. Nutt jedenfalls liest diese Verteidigung von Rousseau, Diderot und Kant durchaus mit Gewinn.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.08.2023

Rezensentin Marianna Lieder findet bei Susan Neiman nichts Neues zum Thema Wokeness. Neimans Annahme, Wokeness sei immer mehr Sache der Rechten, wird im Band zudem nicht näher erläutert, beklagt Lieder, der Antagonismus zwischen Philosophie und rechter Theorie, den Neiman aufmacht, ebensowenig. So gekonnt die Autorin argumentiert, wenn sie das Denken der Aufklärung verteidigt, so fragwürdig und "witzlos" werden ihre Ideen, wenn sie Heidegger, Carl Schmitt und Foucault als neue alte Säulenheilige der akademischen Linken darstellt, die das woke Denken "kolonisieren", findet die Rezensentin. Dass sich Foucault auf Kant berief, ist Neiman offenbar entgangen, so Lieder.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.08.2023

Bittersüß findet Rezensent Jens-Christian Rabe die Lektüre des Buches von Susan Neiman. Was die ehemalige Yale-Professorin und Leiterin des Einstein-Forums hier gegen die "eigenen Leute" einer aufgeklärten Linken ins Feld führt, hört sich für Rabe wie eine Kampfansage an. Neiman kritisiert laut Rabe das Überbordwerfen linker Kernideen, während beflissen mit Adorno und Foucault und der Postmoderne gegen Diskriminierung gestritten wird. So stark Rabe Neimans Feldzug gegen die Aufklärungskritik findet, so sehr beschleicht ihn Unbehagen, wenn die Autorin sich als "Fangirl" der Aufklärung inszeniert und rechte Standpunkte gegen die postmoderne Philosphie übernimmt. Auch das Kleinmachen der "Ohnmachtserfahrungen von Marginalisierten" riskiert die Autorin damit, warnt Rabe.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 22.08.2023

Rezensent Nils Schniederjann freut sich, dass die Philosophin Susan Neiman die Ideale der Aufklärung gegen die Angriffe woker Aktivisten verteidigt. Letztere verstehen sich, legt der Rezensent im Anschluss an Neiman dar, als links und progressiv, ihre Kritik am Universalismus rücke sie jedoch in die Nähe der Rechten. Gut findet Schniederjann, dass Neiman nicht einfach auf die 68er schimpft, wie schlichtere woke-kritische Geister es tun, sondern sich an konkreten philosophischen Positionen wie etwa der Michel Foucaults abarbeitet. Dessen vermeintliche Herrschaftskritik verhindert, laut Schniederjann das Argument, fortschrittliche Politik. Manchmal differenziert Neimann zu wenig, räumt der Rezensent ein, und einwandfrei durchargumentiert ist ihre Position ebenfalls nicht immer, aber immerhin formuliere die Autorin im Gegensatz zu ihren Kontrahenten klar und prägnant, was auch die Möglichkeit des Widerspruchs impliziere.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 19.08.2023

"Vollmundigkeit mit einem frappierenden Kohärenzmangel" findet Rezensentin Novina Göhlsdorf beim neuen Buch der Philosophin Susan Neiman vor, in dem die US-Amerikanerin zum Rundumschlag gegen das ansetzt, was sie als "woke" Linke bezeichnet und das angeblich die "wahren" universal-fortschrittsorientierten Linken bedroht. Wen genau sie damit meint, bleibt für Göhlsdorf aber unklar; es geht gegen Identitätspolitik, gegen Selbstermächtigung, aber ohne genau zu benennen, von wem diese vermeintliche Gefahr ausgehen soll. Als ihre Vorväter macht Neiman die Theorien Foucaults und Schmitts aus, was die Kritikerin nicht recht nachvollziehen kann. Auch kann Göhlsdorf ihr einige peinliche Fehler nachweisen: in Deutschland gibt es beispielsweise 14 Monate Elterngeld, nicht 16. In der Kritikerin wächst das starke Gefühl, es gehe der Autorin nicht um eine sachliche Auseinandersetzung, sondern um Lust an der Provokation. Somit ist das Buch ein Negativbeispiel für den streitlustigen Diskurs der Gegenwart, resümiert sie.