Thomas Clerc

Interieur

Roman
Cover: Interieur
Matthes und Seitz Berlin, Berlin 2022
ISBN 9783751800907
Gebunden, 341 Seiten, 26,00 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Nicola Denis. Minutiös bis obsessiv und großartig selbstironisch beschreibt Thomas Clerc seine kleine Pariser Wohnung. Eigentlich sollte er lediglich ein Übergabeprotokoll verfassen, doch das Vorhaben entgleitet dem Literaturprofessor. Drei Jahre ist er beschäftigt, beginnt im Flur, dann folgen Badezimmer, Toilette, Küche, Wohnzimmer, Arbeitszimmer und Schlafzimmer. Raum für Raum, Gegenstand für Gegenstand, zuweilen Zentimeter um Zentimeter bildet er in diesem wie mit einer Handkamera aufgezeichneten Text ab. Dabei geraten immer auch größere Themen in den Blick: Der Schlüssel im Schlüsselloch der Wohnungstür ruft die Erinnerung wach, wie es ist, sich auszuschließen, und wirft Fragen nach dem Verhältnis von innen und außen auf. Ist die Wohnung selbst eigentlich das Äußere des Erzählers, eine zweite Haut, oder sein Inneres? Ist diese Unterscheidung überhaupt sinnvoll? Die Intimität und Ehrlichkeit von Interieur ziehen uns in diese Wohnung hinein und lassen uns kaum mehr hinaus. Hier begegnet jemand sich selbst, indem er sich ins eigene Interieur als scheinbar letzte Bastion ästhetischer Autonomie projiziert.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 26.01.2023

Völlig erschlagen ist Rezensent Christoph Vormweg zunächst von den 300 Seiten, die sich einzig und allein um die Wohnung von Thomas Clercs Erzähler drehen: Unendlich detailreich wird selbst das mikroskopisch kleine WC mit einer besonderen Sprache beschrieben, die statt dem unbestimmten Artikel ein/eine stets nur die Zahl 1 vorsieht. Obwohl wenig bis nichts passiert und die Erwartungen des Kritikers regelmäßig negiert werden, stellt sich für ihn irgendwann "eine innere Ruhe" bei der Lektüre ein. Detailarbeit, auch durch die Übersetzerin Nicola Denis, aber eine, für die es doch arg viel Geduld braucht, urteilt Vormweg.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.12.2022

Rezensent Cornelius Wüllenkemper blättert gerne durch Thomas Clercs eigenwilliges Schreibprojekt: eine penible schriftliche Vermessung seiner Wohnung in Paris mit all ihren (Haushalts-)Gegenständen - vom metallenen Schubladenschrank über das Abtropfgestell neben der Spüle bis hin zur Klobürste. Dabei sei das "Wohnquartier als erzählerisches Ordnungsprinzip" zwar nichts Neues in der französischen Literatur - der Kritiker denkt hier etwa an Xavier de Maistre oder Georges Perec -, aber spannend findet er den Ansatz des "konzeptuellen Schriftstellers" Clerc trotzdem: ein menschliches Dasein eben über die schnöde materielle Umgebung und nicht über psychologische Tauchgänge zu erschließen - "als wäre die 'Seele' nobler als 1 Steuerbescheid", zitiert Wüllenkemper den Autor. Unbestimmte Artikel derart durch Ziffern zu ersetzen, gehöre dabei zu der "offenkundigen Verschrobenheit" des Textes, die auch seine Stärke sei, erkennt der Kritiker an; trotzdem sorge das im Deutschen eher für Verwirrung. Auch die Übersetzung von Nicola Denis schwächele an manchen Stellen, meint er. Trotzdem ein lesenswerter Text, der für den Kritiker die Kraft der Aufladung von Gegenständen durch Literatur demonstriert.
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