Tijan Sila

Radio Sarajevo

Roman
Cover: Radio Sarajevo
Hanser Berlin, Berlin 2023
ISBN 9783446277267
Gebunden, 176 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

"Dies ist die Geschichte meiner Kindheit und meines Kriegs." Als im April 1992 der Krieg beginnt, ist Tijan Sila nur zehn Jahre alt, doch bis heute kann er sich an den Geruch von gezündetem Sprengstoff erinnern. Während Sarajevo in Flammen steht, wird aus dem Jungen, der er damals war, ein junger Mann. Er streift durch die Ruinen der ausgebombten Stadt und sammelt Dinge, die von den Geflohenen und Gestorbenen zurückgeblieben sind, um sie auf dem Schwarzmarkt gegen Essen zu tauschen. Er lernt zu überleben, und er akzeptiert die grausame neue Normalität, doch zu welchem Preis? Seine Geschichte ist eine Geschichte des Unerwarteten. Sie erzählt davon, wie Dichter zu Mördern werden und Mörder zu Helden. Sie erzählt von Menschen, denen jede Menschlichkeit jäh genommen wurde, und von den Spreißeln, die der Krieg im Hirn jedes Überlebenden hinterlässt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 30.09.2023

Im Jugoslawienkrieg muss der kindliche Erzähler von Tijan Silas neuem Roman unnatürlich früh erwachsen werden, erfahren wir von Rezensent Paul Jandl. Der junge Protagonist wächst in Sarajevo auf und ist etwa elf Jahre alt, als der Krieg ausbricht und die "große Apokalypse des Lärms" losgeht, die Sila, Jandl zu Folge, eindrucksvoll verdeutlicht. Der Kampf ums Überleben sorgt dafür, dass das Kind das Weinen verlernt, seine einzige Verbindung zur Außenwelt ist ein Radio, dessen unterschiedliche Frequenzen auch den Text in seiner Fragmentiertheit, seinem Fokus auf Impressionen, zu bestimmen scheinen, bemerkt Jandl. Er weiß, dass es manchmal heikel ist, wenn ein Autor die Perspektive eines Kindes einnimmt, um über einen selbst erlebten Krieg zu schreiben, hier gelingt es aber - durch kluges und unmittelbares Erzählen, lobt der Kritiker.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 14.09.2023

Insgesamt beeindruckt ist Rezensent Norbert Mappes-Niediek von Tijan Silas auf eigenem Erleben basierenden Buch über den Jugoslawienkrieg. Die Hauptfigur, der junge Tijan Silas, erlebt diesen als elf- bis dreizehnjähriger in Sarajevo, danach lebt er mit seinen Eltern in Deutschland. Die Ausnahmesituation des Krieges stellt die gewöhnliche Sicht auf die Welt auf den Kopf, meint Mappes-Niediek in Bezug auf die Erzählung. So zeichnet Silas laut Rezensent die Armen und die Außenseiter der bosnischen Gesellschaft als integer, während die dem Bildungsbürgertum angehörenden Eltern der Hauptfigur schlecht wegkommen. Schwer fällt es dem Sohn offensichtlich, den Eltern zu verzeihen und sich auch in ihr Leid einzufühlen, denkt sich der Kritiker. Das liest sich alles authentisch und lebensnah und zielt offensichtlich auf ein eher junges Publikum, führt er aus. Allerdings sind dem Autor Fehler unterlaufen (beim Kosovokrieg hat er sich gleich um 9 Jahre vertan), die Mappes-Niediek nur bei der 12-Jährigen Hauptfigur entschuldigen würde, nicht aber beim erwachsenen Autor.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 18.08.2023

Rezensentin Doris Akrap ist Fan von Tijan Sila. Dessen neuer, autobiografischer Roman über eine Kindheit in einem Sarajevoer Plattenbauiertel und ihr jähes Ende durch den Krieg 1992 überzeugt sie auf ganzer Linie. Besonders erscheint ihr die Perspektive des Neunjährigen, der traurig die Gewalt des Krieges an der Verrohung seiner Spielkameraden bemisst und daran, ob es noch Batterien gibt, damit er bei Licht auf dem Klo weiter Comics lesen kann. Stark erscheint ihr außerdem, wie Sila mit dem kleinen Ausschnitt der Lebenswelt seines Helden die ganze widerliche Ungeheuerlichkeit des Krieges zu erfassen und zu vermitteln vermag.