Wendy Brown

Nihilistische Zeiten

Denken mit Max Weber
Cover: Nihilistische Zeiten
Suhrkamp Verlag, Berlin 2023
ISBN 9783518588031
Gebunden, 187 Seiten, 28,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Englischen von Christine Pries. Warum ist die Politik heute ein Laufsteg eitler Demagogen und die Universität ein ideologischer Kampfplatz? Und was ist dabei aus der Wahrheit geworden? In ihrem neuen Buch entdeckt Wendy Brown den modernen Nihilismus als Ursache dieser Probleme: Er entzieht allen Werten einschließlich der Wahrheit die Grundlage; er hyperpolitisiert das Wissen und reduziert die politische Sphäre auf die Zurschaustellung von Narzissmus. Der Nihilismus macht das Tiefgründige trivial, die Zukunft egal und die Korruption banal. Auf der Suche nach Lösungen wendet sich Brown Max Webers berühmten Vorlesungen über Wissenschaft und Politik als Beruf zu, die dieser am Ende des Ersten Weltkriegs hielt. Darin beklagt nämlich schon Weber selbst die Auswirkungen des Nihilismus auf das wissenschaftliche und politische Leben in der Moderne und fordert eine Wiederherstellung der Wahrheit in der Wissenschaft und der Integrität in der Politik. Im Anschluss an Weber plädiert Brown dafür, das Wissen aus der Hyperpolitisierung zu befreien, und denkt über neue Wege verantwortlichen politischen Handelns nach. Vor allem aber fordert sie die Linke auf, ihrer Verpflichtung zu kritischem Denken gerecht zu werden, und entwirft eine radikaldemokratische Vision, die eine charismatische Führung nicht scheut.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 28.11.2023

Für Rezensent Christian Marty bietet die Politikwissenschaftlerin Wendy Brown mit ihrem Buch über Max Weber als Guide aus dem um sich greifenden Nihilismus vor allem "Gefälligkeitswissenschaft" im Sinne Hans Blumenbergs. Indem die Autorin Webers Schriften "Politik als Beruf" und "Wissenschaft als Beruf" auf deren Ideen zur Verwirklichung von wissenschaftlich und politisch erörterten Werten hin abklopft, lässt sie Webers elitäres Wissenschafts- und Politikverständnis unter den Tisch fallen, moniert Marty. Browns optimistische Weber-Lektüre ist dem Rezensenten zu selektiv.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 17.10.2023

Rezensent Caspar Shaller kennt Wendy Browns Beschäftigung mit Max Weber. Browns Interpretationen von Webers Vorlesungen von 1917 und 1919 über Politik bzw. Wissenschaft als Beruf liest er mit Interesse. Leider können ihn die Ausführungen der US-Politologin nicht vollständig überzeugen. Ihr Versuch, Weber vor seinen Kritikern zu retten, verfängt laut Shaller nicht, da Brown ihre eigenen Grundannahmen nicht kritisch hinterfragt. Darüber hinaus fehlen dem Rezensenten in Browns Diskussion der beiden Vorlesungen wichtige Referenzen auf Chantal Mouffe bzw. Bruno Latour. Für Kenner Webers ist der Band damit "zu singulär", findet Shaller.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 12.10.2023

So ganz kann Nils Markwardt bei Browns als Buch publizierten "Tanner Lectures on Human Value" nicht mitgehen. Vor allem wird ihm nicht ganz klar, was die Autorin mit "Nihilismus" meint, das ist für ihn ein "Staubsaugerbegriff", der die nötige intellektuelle Genauigkeit vermissen lässt. Immerhin aber greift sie auf zwei berühmte Vorträge Max Webers über Wissenschaft als Beruf und Politik als Beruf zurück, und Markwardt liest Browns Ausführungen dann doch mit einigem Interesse. Mit ihrem Begriff des Charismas kann Markwardt nicht so viel anfangen. Welche linke Partei hätte nicht gern mehr Politiker wie Bernie Sanders oder Alexandria Ocasio-Cortez, fragt er allen Ernstes. Dann aber fügt er sich in Browns Plädoyer zur Mäßigung. Auch zu Webers Zeiten herrschte an den Unis eine immer schärfere Polarisierung, lernt er und ist am Ende einverstanden mit Browns aus ihrer Lektüre abgeleiteten Aufruf, aus den Hörsälen keine permanente Kampfarena zu machen.