Wladimir Sorokin

Doktor Garin

Roman
Cover: Doktor Garin
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2024
ISBN 9783462002867
Gebunden, 592 Seiten, 26,00 EUR

Klappentext

Aus dem Russischen von Dorothea Trottenberg. Ein groteskkomischer Roadtrip durch eine posthumane Welt des Chaos und des Krieges, in der es einen einzigen Gewinner gibt: die Liebe. Doktor Garin hat den "Schneesturm" überlebt und ist zehn Jahre später Chefarzt auf Titanfüßen von einer psychiatrischen Klinik im Altaigebirge. Hier residieren die sogenannten political beings - Donald, Wladimir, Emmanuel und Angela, Silvio, Shinzo, Boris und Justin - in Luxussuiten. Was sie alle verbindet: Sie essen, hüpfen, denken und sprechen mit dem Hinterteil. Und sind geplagt von komplexen Neurosen. Doktor Garin gelingt es, sie mit seiner speziellen Schocktherapie zu beruhigen. Er will die Menschheit heilen, ihre Zombifizierung verhindern in einer posthumanen Welt, in der es von künstlichen Wesen mit invalidem Körper und Geist nur so wimmelt. Dabei steht ihm seine Assistentin und Geliebte Mascha fest zur Seite. Bis erneut eine Atombombe fällt, das Sanatorium ausradiert wird und der Doktor und sein Team gigantische Bioroboter aktivieren müssen, um auf ihren Rücken zu fliehen. Eine Odyssee durch eine absurde Welt beginnt, die Garin und Mascha voneinander trennt …

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 11.04.2024

Vladimir Sorokin erweist sich laut Rezensentin Norma Schneider in seinem neuen Roman ein weiteres Mal als herausragender Gegenwartsdiagnostiker. Im Zentrum des im späten 21. Jahrhundert angesiedelten Romans steht der bereits aus Sorokins "Der Schneesturm" bekannte Doktor Garin, der inzwischen in einem Sanatorium arbeitet, das von ausrangierten Politikern frequentiert wird, die realen Vorbildern nachempfunden sind. Nach einem Atombombenangriff - ein recht alltägliches Vorkommnis in der Welt des Romans - muss er die Klinik aufgeben und irrt fortan, zeichnet Schneider nach, durch ein postapokalyptisches Russland, das von allerhand schrägen Gestalten wie etwa sogenannten Zottelorks bevölkert wird. Das von Dorothea Trottenberg sehr gut übersetzte Buch lässt die Vergangenheit in Gestalt zitierter alter Bücher in seine Zukunftsvision einbrechen und spart, schildert die Rezensentin, auch nicht an Fäkalhumor. Literarisch ist das Ergebnis nicht gar so verwegen wie einige ältere Arbeiten des Autors, meint Schneider, aber ein Könner ist Sorokin nach wie vor.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 29.02.2024

Doktor Platon Iljitsch Garin kennt man schon aus "Der Schneesturm", einem Roman Vladimir Sorokins aus dem Jahr 2010, erläutert Rezensent Guido Graf, inzwischen arbeitet er in einem Sanatorium und behandelt seine Patienten, ehemalige Politiker mit Namen wie Wladimir und Donald, mit einer Kur namens Hypermodernismus. Die beschriebene Welt ist laut Graf zunächst noch idyllisch, der Abwurf einer Atombombe ändert das radikal. Danach beginnt eine bizarre Odyssee auf der Suche nach Sicherheit. Wie stets bei Sorokin ist das alles in einem eigenartigen, hybriden Stil verfasst, der auch Anspielungen an Klassiker der russischen Literatur beinhaltet, so der Kritiker. Er beobachtet eine deutliche Nähe der grotesken Ereignisse, in die auch noch eine Liebesgeschichte hinein spielt, zur aktuellen Situation Russlands, und sieht in dem Chaos, das das Buch entfaltet, gar die Hoffnung auf Demokratie erblühen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.02.2024

Einer eigenwilligen, aber angenehm "unverzagten" Mischung aus Vergangenheit und Zukunft, Fantasy und Realismus, hoher Literatur und Trash begegnet Rezensentin Christiane Pöhlmann in Vladimir Sorokins neuem Roman. In seinem ganz eigenen Universum schickt der russische, im deutschen Exil lebende Schriftsteller in diesem zweiten Teil einer Trilogie seinen Protagonisten Dr. Garin, Arzt in einer Nervenheilanstalt, auf eine Abenteuerreise: Auf der Flucht vor einem Atomangriff auf die Anstalt geht es zu einer anarchistischen Bastion, einem altrussischen Gut oder zu einem Zirkus, zählt die Kritikerin auf, wobei der Protagonist die "bizarrsten Katastrophen" überlebt. Dabei beherrsche Sorokin die Kunst des Genremixes und liefere Beschreibungen der sibirischen Landschaft im Stile von Turgenjew, "würze" das alles aber mit einer guten Portion Tolkien, Bruce Willis und "Obszönitäten": zwischen Zottelorks und Biorobotern werde in einer Art "Hightech-Mittelalter" durchaus auch wild kopuliert und onaniert, warnt Pöhlmann. Dass das vermutlich auch provozieren soll, ordnet sie in ein Bestreben der "Demaskierung" russischer Machtausübung ein, an der diesem "hellsichtigen" Autor auch mit diesem Roman gelegen sei.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 12.02.2024

Ein so wichtiges wie erstaunliches Buch hat Rezensent Nils Minkmar da vor sich: Wladimir Sorokin kennt er schon als Autor, der die Realität Russlands gerade deshalb so gut einfängt, weil er mit allem immer maßlos übertreibt. So auch in diesem Roman, unter den Fittichen von Doktor Platon Garin kurieren sich allerhand Politiker im Altai-Gebirge aus - besonders Putin sticht als "Arsch mit Ohren" hervor, erfahren wir. Sorokin erzeugt dabei eine fantastisch-bizarre Welt voller Satire, aber auch voll Emotionen, so Minkmar, der in dieser "literarischen Achterbahnfahrt" die Zwiespältigkeit Russlands kennenlernt, aber vor allem das große schriftstellerische Talent des Autors bewundern kann.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 08.02.2024

Ein wilder Ritt ist Wladimir Sorokins neues Buch, so Rezensent Maximilian Mengeringhaus. Wir befinden uns laut Rezension in der Mitte des 21. Jahrhunderts, die Welt ist von Kriegen erschüttert, Russland ist zerfallen und der den Lesern bereits aus Sorokins Vorgängerroman bekannte Arzt Platon Iljitsch Garin pflegt in einem Sanatorium alternde Spitzenpolitiker. Zumindest bis, fährt Mengeringhaus fort, ein Krieg auch diese Insel der Ruhe zerstört und eine Reise durch chaotische, von seltsamen Kreaturen bevölkerte Landstriche beginnt. Diverse Zutaten von Hochkultur bis Trash verrührt Sorokin zu einem Gebräu, aus dem, beschreibt der Rezensent, die derben, grotesken Elemente besonders hervorstechen. Wer die Filme Terry Gilliams mag, legt Mengeringhaus abschließend nahe, der könnte auch dieses Buch mögen.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 03.02.2024

Rezensent Richard Kämmerlings amüsiert sich prächtig mit Vladimir Sorokins karnevalistischem Roman. Geschmacklosigkeiten und Derbheiten aller Art darf der Leser nicht fürchten, wenn er sich auf die Lektüre einlässt, warnt Kämmerlings. Wer keine Angst vor schwarzen Wunderknüppeln, Kot und Fürzen hat, kommt laut Rezensent allerdings in den Genuss von Sorokins "Spitting Image"-Kabinett, einer Rehaklinik im Altai für ausgemusterte Politiker von Merkel über Johnson bis Putin, der nur noch einen Satz geifert: "Ich wars nicht." Nur eine Abrechnung des Exil-Russen Sorokin? Dafür ist der Roman mit seinen vielfältigen Anleihen bei Rabelais, sowjetischer Lagerliteratur oder mittelalterlichen Aventiuren viel zu raffiniert, findet Kämmerlings.