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Annette Pehnt

Haus der Schildkröten

Roman
Cover: Haus der Schildkröten
Piper Verlag, München 2006
ISBN 9783492049382
Gebunden, 192 Seiten, 16,90 EUR

Klappentext

Die meisten kommen am Wochenende, gut frisierte Töchter und Söhne, Schwiegertöchter und Enkel mit geputzten Schuhen. Schuld, Scham, Fürsorge und Peinlichkeit treiben sie her ins Altersheim "Haus Ulmen", in das Leben zwischen Kirschkuchen und Hohem C. In "Haus Ulmen" herrschen eigene Spielregeln, vergeht die Zeit anders als in der Welt draußen. Hier, wo das Leben zerfasert, herrscht das endgültige Jetzt. Das spürt auch Ernst, der seinen Vater besucht, den Professor. Immer dienstags kommt er ins "Haus Ulmen", genau wie Regina. Überrascht, leidenschaftlich klammern die beiden sich aneinander.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 07.03.2007

Anette Pehnts "Haus der Schildkröten" sei ein Altersheim und ihre Protagonisten zwei Heimbewohner aus bürgerlichem Milieu mit ihren beiden Einzelkindern, die sie jeden Dienstag besuchen kämen. Und da Anette Pehnts Thema, so Rezensentin Petra Kohse, totale "Heillosigkeit" sei, hätten Tochter respektive Sohn ein nicht weniger trostloses Leben zu führen wie Papa respektive Mama im Altersheim. Zum Thema gehöre völlige Immunität in Sachen Verständigung mit den Eltern, und schließlich auch in der sich entwickelnden Beziehung der beiden Schicksalsgefährten. Annette Pehnt dokumentiere das erschreckende zwischenmenschliche Unvermögen zwar mit einer eleganten und witzigen "Rhetorik der Vergeblichkeit", doch ihrer Geschichte fehle die Wärme menschlichen Interesses. So aber erstarre alles in "kaltem Vollzug" und sei zudem vorhersehbar ausweglos.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.01.2007

Kein Vergnügen, dieses Buch, aber eben darum gelungen. Denn wie, fragt der Rezensent Wolfgang Schneider, sollte ein Roman, der sich ernsthaft mit dem Leben im Altersheim befasst, Wohlfühlliteratur werden können? Ums Altersheim geht es, aber auch um die Liebe zwischen Rita und Ernst, Kindern von Bewohnern des Heims "Haus Ulmen". Ernsts Vater war Professor und agiert im Heim noch immer wie einer, obwohl er längst alles vergessen hat. Ritas Mutter wahrt trotz Schlaganfall ihren Eigensinn. Aber auch die Kinder, beide um die vierzig, blicken auf ihre Leben eher zurück als voraus und finden sich beim Blick in den Spiegel kaum mehr begehrenswert. Annette Pehnt erzählt, ohne Verklärung und falschen Trost, wie es gelingt, einander dann doch liebend eines Besseren zu belehren. Nur sollte man sich davon nicht zu viel Trost versprechen, warnt der Rezensent, das Buch bleibt ein "Familienzerfallsroman". Und das Heim, das die beiden sich schaffen auf Malaysia, hat denn doch eine unheimliche Ähnlichkeit mit dem "Haus Ulmen".
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 08.11.2006

Annette Pehnts Roman über den Zwiespalt von Menschen, deren alte Eltern im Altersheim professioneller Pflege überlassen und die selbst einsam sind, lässt Angelika Overath ins Schwärmen geraten. Sie preist die psychologische Präzision und den feinen Blick für die "Abgründe der Liebe", die sie in den Geschichten von Ernst und Regina, die sich durch Zufall im Altersheim ihrer Eltern kennen lernen und die trotz Zuneigung nicht zueinander kommen, unter Beweis stellt. Begeistert hebt die Rezensentin die Hingabe hervor, mit der Pehnt die schrecklichen und schönen Details im Altersheim und in der Welt draußen schildert und mit der sie aus scheinbar nebensächlichen Alltagsbegebenheiten ganze Seelenpanoramen schafft.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 04.10.2006

Würdevoll, trotz aller Tristesse und Ausweglosigkeit des Themas, findet Jörg Magenau Annette Pehnts Roman "Haus der Schildkröten". Die Affäre zweier jüngerer Besucher eines trostlosen Altersheims, die sich angesichts des Verfalls, den sie dort erleben, von ihrer eigenen Lebendigkeit zu überzeugen suchen, scheitert daran, dass der einzige Berührungspunkt zwischen ihnen die Begegnung im Altersheim ist, von dem, wie Magenau berichtet, "wie von einem schwarzen Loch eine Sogkraft" ausgeht, dessen Gleichgültigkeit das Leben der Protagonisten und seine Sinnhaftigkeit bedroht. Obwohl Pehnts Roman kühl und nüchtern den deprimierenden Alltag eines Altersheims und seiner Bewohner schildert, bringe Pehnt es fertig, sich verblüffend genau ins "zerrüttete Bewusstsein" der Alten einzufühlen und dadurch die Würde der Heiminsassen zu wahren, lobt er. "Ein deprimierender Roman der leisesten Töne" ist Pehnt damit nach seiner Ansicht gelungen, die sich für ihn wieder einmal als "Spezialistin für die Randbezirke des Lebens" beweise.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 28.09.2006

Großartig findet Martin Krumbholz den schmalen Roman über die Abhängigkeitsverhältnisse zwischen alt gewordenen und hilfsbedürftigen Eltern und ihren Kindern: "Wir sind von unseren Eltern nicht wirklich emanzipiert", lautet für ihn die Quintessenz des Buches, und diese komplexe Tatsache gelte es "mannhaft", unter Zuhilfenahme von Humor, zu ertragen. Gut hat dem Rezensenten auch die Prosa von Annette Pehnt gefallen, die knapp und beiläufig die richtige Tonlage treffe und den Leser, ohne dass er es merke, in eine immer komplizierter werdende Geschichte hineinziehe. Es bleibt ein ungelöstes Rätsel, warum die jüngere Generation gegenüber ihren Eltern ein permanent schlechtes Gewissen hat, ihr Recht auf ein wie auch immer erfülltes Leben einzufordern. Pehnts Buch sei kein kritischer "Altersheimroman", sondern beschreibe "das prekäre Verhältnis der Generationen in einer Welt, die ihre intakten Fügungen verloren", beziehungsweise aufgegeben hat.
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