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Sarah Chaney

Bin ich normal?

Warum wir alle von dieser Frage besessen sind und wie sie Menschen abwertet und ausgrenzt
Cover: Bin ich normal?
Goldmann Verlag, München 2023
ISBN 9783442317059
Kartoniert, 352 Seiten, 18,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Nathalie Lemmens. Hat mein Körper eine normale Form? Ist es normal, Selbstgespräche zu führen? Selten Sex zu haben? Fragen wie diese bestimmen unseren Alltag, unsere Gefühle und Entscheidungen. Noch vor dem neunzehnten Jahrhundert wurde der aus der Mathematik stammende Begriff des Normalen nur selten mit menschlichem Verhalten in Verbindung gebracht: Dreiecke waren normal, nicht aber Menschen. Erst ab den 1830er-Jahren, mit dem Aufkommen der modernen Statistik und einer Vielzahl durchgeführter Verhaltens- und Sozialstudien, nahm in Europa und Nordamerika ein regelrechter Klassifizierungswahn - und mit ihm die obsessive Suche nach dem "normalen" Menschen - Fahrt auf. Die britische Historikerin Sarah Chaney legt die kulturelle, soziale und historische Verfasstheit des sogenannten Normalen offen und analysiert, wie der Begriff als machtpolitisches Instrument missbraucht wird, um Menschen systematisch abzuwerten, auszugrenzen und zu diskriminieren. Eine kluge wie unterhaltsame Geschichte der Normalität - und ein Appell, den Zeitgeist immer wieder kritisch zu hinterfragen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 08.05.2023

Sarah Chaneys Buch hilft Rezensent Klaus Walter, den "Neo-Normalismus" der heutigen Gesellschaft besser zu verstehen. Die britische Autorin untersucht einerseits detailliert, wie in historischen Schriften von Ärzten und Psychologen das (vermeintlich) Normale definiert wurde und sich folglich der Typus des "weißen Mittelschichtsakademikers" zum gesellschaftlichen Standard etablierte, gegen den alles andere abfiel, lesen wir. Zum anderen wirft sie aber auch einen Blick auf die Popkultur der Nachkriegszeit, die gerade das Anderssein zelebrierte und zum neuen "identitätspolitischen Credo" erhob, auch um sich von der Elterngeneration abzugrenzen, so der Kritiker. Die Konstruktion einer vermeintlichen Norm spielt heute immer noch eine große Rolle, überlegt Walter, vor allem im rechten politischen Spektrum, für dessen Selbstverständnis die Unterteilung in "Normal" und "Unnormal" grundlegend ist.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 27.04.2023

Rezensentin Birgit Schmid regt sich auf: Die Debatten um den Begriff der "Normalität" haben für sie schier absurde Ausmaße angenommen. Dass die Einteilung in normal und nicht normal auch gesellschaftlich mitbestimmt wird, kann sie nachvollziehen, das zeigt ihr auch Sarah Chaneys Buch, das als Erklärungsansatz die These vertritt, dass "normal" ein Begriff ist, der immer auch zur Ausgrenzung und Abwertung eben jener dient, die nicht darunter fallen. Von dieser Kürzestbeurteilung des Buches ausgehend fragt sich Schmidt dann, ob (statistische) Normwerte wie der BMI nicht auch Orientierung stiften können, während Chaney den Body-Mass-Index als unzureichend und normativ verteufelt. Die Kritikerin spricht ihre Position zum Buch zwar nicht explizit aus, ihrem Essay zur Verteidigung des Normalitätsbegriffs ist aber zu entnehmen, dass sie die Positionen der Historikerin Chaney insgesamt doch ablehnt.