Jose Saramago

Der Doppelgänger

Roman
Cover: Der Doppelgänger
Rowohlt Verlag, Reinbek 2004
ISBN 9783498063733
Gebunden, 384 Seiten, 22,90 EUR

Klappentext

Aus dem Portugiesischen von Marianne Gareis. Ein Mann sieht sich plötzllich mit einem perfekten Double seiner selbst konfrontiert. Dieses Ereignis wirft ihn völlig aus der Bahn und verändert sein Leben von Grund auf.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 13.11.2004

Hans-Peter Kunisch ist enttäuscht. Über die Qualitäten des Nobelpreisträgers Saramago müsse nicht gestritten werden, und auch der Stoff, den er sich für seinen neuesten Roman ausgesucht habe, die paranoide Suche eines Mannes nach seinem Doppelgänger, sei klassisch und viel versprechend. Doch löse Saramago die Erwartungen nicht ein. Der entscheidende Kritikpunkt des Rezensenten ist die Tatsache, dass Saramago versuche, ein minuziöses Porträt eines unauffälligen Wahns zu zeichnen, dann aber an einem entscheidenden Punkt keine Erklärung liefert: Der Protagonist versucht, sein Projekt der Suche um jeden Preis geheim zu halten, ohne dass dafür ein einziger nachvollziehbarer Grund genannt würde. Ein zweiter Kritikpunkt ist die "stilistische Unentschiedenheit" des Autors, meint der Rezensent. Nachdem es sich zu Beginn um eine Geschichte mit ironischen Andeutungen handele, würde später daraus eher Unterhaltungsliteratur, die am Ende zur Komödie gerate. Das Fazit des Rezensenten lautet dementsprechend: Der Autor habe sich "in einer ausgeklügelten, aber wenig überzeugenden Konstruktion verirrt".
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 05.10.2004

Rezensent Hans T. Siepe ist entweder ein Fan, der die Bonmots seines Meisters auswendig kennt, oder aber er hat ein Saramago-Zitatenlexikon in der Schublade. Wenn er gerade nicht Samaragos Weltweisheiten wiedergibt, hält Siepe die Erzählung eines Geschichtslehrers, der durch einen Film die Existenz eines mit ihm identischen Mannes in der gleichen Stadt entdeckt, für das "vielleicht persönlichste" Buch des Autors. Dabei geht es nicht nur um Identität und Verlorenheit, es wird auch immer wieder auf den Prozess des Erzählens selbst verwiesen, so der faszinierte Rezensent. In den achtzehn etwa gleich bemessenen Abschnitten werde meist nicht zwischen Erzählerstimme und wörtlicher Rede unterschieden, die Sprache sei gewohnt "barock-labyrinthisch". Das Thema des Romans findet sich laut Siepe auch in der "narrativen Architektur" wieder, indem Passagen wiederholt und gespiegelt werden. Nach einem geruhsamen Anfang nimmt das Buch Fahrt auf und wird dann "immer spannender", verspricht Siepe und prophezeit: "Wer einmal den Einstieg gefunden hat, wird das Buch nicht mehr aus den Händen legen." Lob geht zudem an die Übersetzerin, die - wie schon in "Das Zentrum" - "den Ton Saramagos" gefunden hat.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.08.2004

Peter Körte ist ratlos und frustriert. Warum nur hat Jose Saramago seine schöne Idee - Durchschnittsmensch trifft Doppelgänger, und die Grenzen ihrer Identitäten lösen sich auf - in einem derart dickflüssigen Erzählsirup ertränkt? Wie ist zu erklären, dass es sich bei der umständlichen Art des Erzählers offenbar nicht um ein ein "Mißgeschick" handelt, sondern um "ein Programm, das Saramago mit hohem artifiziellem Aufwand auf Kosten der Geschichte umsetzt"? Denn die Geschichte hatte "Potenzial" und brauchte, so Körte, einen Autor, "der es ausschöpft; der die Spiegeleffekte inszeniert, den Albtraum und das Abenteuer des Ich-Verlusts, der den Notausgang aus dem Spiegelkabinett findet oder sich am Ende in ihm Verirrt". Saramago aber war da nicht der Richtige - kein Abenteuer, keine Spannung. Stattdessen ein Erzähler, der agiert "wie ein Conferencier, der auf die falsche Veranstaltung geraten ist", der zäh palavert und "auf die Herausforderung, vom Einbruch des Außergewöhnlichen in ein erstickend banales Leben zu erzählen, ... mit Banalität" antwortet. Saramago macht sich Sorgen um die "Erosion des Ichs", hat Körte anderswo gelesen. Aber warum erzählt er dann nicht davon? Und wenn's nur eine Weltverschwörungsgeschichte ist. Anstatt einer spannungsfreien Stilübung.
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