Alain Claude Sulzer

Die Jugend ist ein fremdes Land

Cover: Die Jugend ist ein fremdes Land
Galiani Verlag, Berlin 2017
ISBN 9783869711508
Gebunden, 224 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Alain Claude Sulzer beschreibt eine ganz normale Jugend in einem ganz normalen Vorort. Ein Erinnerungsmosaik der 60er- und 70er-Jahre, bei dem Nostalgie und stilles Grauen nah beieinanderstehen. Tatort: Riehen. Ein Vorort von Basel nahe der deutschen Grenze. Eine Welt der zugezogenen Gardinen, in der niemand geschieden ist und Frauen, die Auto fahren, eine anrüchige Sensation. Hier wächst Alain Claude Sulzer auf, als einer von drei Söhnen einer französischsprachigen Mutter, die kaum Deutsch kann (und es zeitlebens nie lernen wird), und eines Vaters, dessen ganzer Stolz das formstrenge Avantgarde-Haus ist, das es bis in eine angesehene Architekturzeitschrift schafft. Dumm nur, dass das Flachdach nie richtig dicht ist und die Rest-Familie dem Clou der Inneneinrichtung, den schwarz-weißen Tapeten und schwarzen Spannteppichen, wenig abgewinnen kann. In kurzen Erinnerungsblitzen erzählt Sulzer seine Jugend. Da ist der Ballettunterricht, bei dem Alain einer der wenigen Jungen ist und aus dem er entfernt wird, als das Gerücht aufkommt, der russische Choreograf habe ein Auge auf ihn geworfen; oder Fräulein Zihlmann, die sich von Alains Vater gern zur Arbeit in die Stadt mitnehmen lässt - und dafür von der Mutter mit stillem Hass verfolgt und am Ende erfolgreich vertrieben wird; und schließlich die Ausflüge in die verheißungsvoll-zwielichtige Welt des Theaters und die gescheiterte Flucht nach Paris.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 30.11.2017

Wie wohltuend autobiografische "Skizzen" jenseits der Knausgard'schen Mitteilungswut sein können, entdeckt Rezensentin Ursula März in diesem schmalen Band des Schweizer Schriftstellers Alain Claude Sulzer. Sie blickt mit dem Autor zurück auf eine kaleidoskopartig geschilderte Adoleszenz im Basel der sechziger Jahre, erfährt, wie Sulzers Mutter, eine Französischschweizerin, obwohl unter Deutschschweizern lebend, kaum Deutsch sprach, erlebt nicht nur Sulzers schriftstellerischen Erweckungsmoment an der heimischen Schreibmaschine, sondern auch das Erwachen seines homosexuellen Begehrens beim Anblick einer "männlichen Aphrodite" und bewundert, wie sinnlich und zugleich zart und zurückhaltend der Autor von den "feinen Rissen" in seiner Jugend zu erzählen vermag. Das ist "kunstlose Kunst", schwärmt März.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 10.10.2017

Christoph Schröder warnt davor, Alain Claude Sulzers episodische Erinnerungen an eine Kindheit und Jugend in den fünfziger und sechziger Jahren in der Schweiz auf die leichte Schulter zu nehmen. Trotz aller Komik im Buch spürt Schröder den Riss im Ich des Erzählers, der in zwei unterschiedlichen Sprach- und Sozialisierungswelten aufwuchs, die Ängste und versteckten Triebe im Kind. Gut gefallen hat ihm die prinzipielle Offenheit der Erinnerungen, der Verzicht auf Chronologie und Pointe. Auch als Landes- und Epochenkunde kann er den Band empfehlen.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 29.09.2017

Durchaus große Kunst entdeckt Philipp Theisohn in Alain Claude Sulzers Kindheits- und Jugenderinnerungen. Sie liegt für ihn nicht zuletzt im Sprung vom Besonderen ins Allgemeine, von der eigenen Biografie ins genuin Schweizerische der 50er und 60er Jahre. Die genauen Beobachtungen Sulzers über die Funktion der Durchreiche etwa oder über das soziale Gefüge der Familie zwischen Auto, Arbeit, Migros und dem schwindenden Basler Patriziat eröffnen Theisohn immer auch den Blick auf die "Jugendzeit der modernen Schweiz", kitschfrei und ohne falsche Melancholie.