Su Tiqqun

Zeugin und Täter

Zur Geschichte des Kunsthauses Tacheles in Berlin
Cover: Zeugin und Täter
Moloko Print, Schönebeck 2022
ISBN 9783948750930
Kartoniert, 248 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Anfang der Neunziger Jahre exponierte sich die wilde Vorhut der Berliner Creative Class auf herrenloser Flur. Das Kunsthaus Tacheles schrieb als Echokammer der 80er-Jahre und begehrtes Schmuddelkind des Berlin-Tourismus in der Ruine einer prachtvollen Kaufhauspassage 22 Jahre lang Kulturgeschichte, die niemanden unversehrt ließ. Es hat sich als Gesamtkunstwerk in die Erinnerung eingraviert und seine umstritttenen Meriten werden in Kürze aufgewärmt, wenn das Areal am Tacheles als nagelneues Luxusquartier noch einmal für Aufsehen sorgen wird. Seine "identitätsstiftende" Architektur hausiert mit dem Label des einstigen Tacheles, das von Lust, Kunst und Dramen geprägt war, insbesondere von skurrilen Tragödien, die traumatische Krater bei den Beteiligten hinterliessen und einen Mythos, der die Geschichte überschreiben soll. Seine Hege und Pflege bewässert die massentaugliche Überlieferung, die jedoch die brachialen Umbrüche der Neunziger Jahre ausklammert.

Als "Zeugin und Täter" erzählt Su Tiqqun von Widersprüchen, Irrtümern und Höhepunkten, Unzumutbarkeiten und Katastrophen im Tacheles, indem sie Wirklichkeit rekonstruiert und die sozialen Verwerfungen des DDR-Verschwindens thematisiert - gewappnet mit einer unbequemen Wahrheit, um die Geschichte der Tacheles-Ära zu erzählen zu können:

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 18.04.2023

Rezensent Jakob Hayner kennt die Geschichte des Tacheles, doch der Dokumentarroman der Ost-Berliner Autorin Su Tiqqun eröffnet ihm noch einmal neue Einblicke in diese Hochburg des Ost-Undergrounds, zu deren Mitbegründerinnen Su Tiqqun gehörte. Die Autorin erzählt von den frühen Tagen, als es hier "Kultur mit Wumms" gab, als Rammstein auftraten oder Birol Ünel. Doch es taten sich in diesem "Traumhaus des Kollekivs" immer auch Abgründe auf, wie Hayner erfährt, Selbstmorde und ungeklärte Todesfälle waren nicht selten. Furchtbar wurde es aber, als das Berlin-Marketing das Tacheles für sich entdeckte und die Stadt schließlich das Areal an Investoren verkaufte, die nun Luxuswohnungen darauf errichtet haben, von denen eine so viel kostet wie die Stadt für das gesamte Gelände bekommen hat, wie Hayner mit Bestürzung festhält.
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