A. L. Kennedy

Ein makelloser Mann

Erzählungen
Cover: Ein makelloser Mann
Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2001
ISBN 9783803131638
Gebunden, 170 Seiten, 16,36 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Ingo Herzke. Elf gefährliche Begegnungen aus dem Innern der tragigkomischen Koexistenz der Geschlechter. Diese Erzählungen, fünf darunter sind Erstveröffentlichungen, handeln von den Fallen der Sexualität, der Gewalt hinter der Liebe, der Farce der Verführung, der Clownerie der Selbstliebe, der Demütigung hinter der Leidenschaft.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 09.03.2002

Auffällig häufig geht es in den Kurzgeschichten der mit ihrer längeren Erzählung "Gleißendes Unglück" in Deutschland bekannt gewordenen schottischen Autorin um Sperma - etwa, wenn in einer der Geschichten ein Austronaut in der Schwerelosigkeit masturbiert. Aber "detaillierte, oft skurrile Schilderungen körperlicher Vorgänge" sind überhaupt die Spezialität Kennedys, wie die Rezensentin Maike Albath meint. Zum albernen Selbstzweck wird das aber nicht, fügt sie sofort hinzu, im Gegenteil: die Autorin verfüge über "eine Sprache für seelische Schmerzen" und verstehe es, die großen Themen - von Gewalt bis zu religiösen Fragen - beim Sex als der "Spitze des Eisbergs" des Zwischenmenschlichen einzukreisen. Sie kennt dabei, so Albath, keine "Berührungsängste" und stellt die erstaunlichsten Verbindungen zwischen unglücklichem Begehren und "spirituellen Erfahrungen" her. Kein Wunder, dass es dabei immer wieder auch komisch zugeht. Den überaus positiven Eindruck, den der Band bei der Rezensentin hinterlassen hat, rundet die von Albath als ganz "hervorragend" befundene Übersetzung von Ingo Herzke ab.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 24.11.2001

Noch vor einem Jahr war A.L. Kennedy in Deutschland eine Unbekannte. Nun, nach vier übersetzten Büchern, ist sie ein Star, ist Christoph Bartmann überzeugt, der sich hell erfreut darüber zeigt, dass nun auch der 1997 in London erschienene Band mit Erzählungen der Autorin von Ingo Herzke "makellos" übersetzt wurde. In allen Erzählungen geht es um Sex, Begierde, Flucht aus der Normalität. Wenn Kennedy nicht so begnadet gut schreiben würde, hätten ihre Geschichten das Niveau von Frauenzeitschriften, meint der Rezensent. Ihre Sprache und ihre Art der Betrachtung aber verwandelten den Allerweltsstoff in traurig-wahre und komisch-schöne Begebenheiten voller Humor und Barmherzigkeit, schwärmt Bartmann.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 18.09.2001

Thomas David ist hin und weg! Da hat es einen Rezensenten richtig gepackt, soviel ist zu spüren, wenn er mit Wörter wie "Luzidität", "kristallin", "gleißend", "außerordentliche Präsenz" ein lichtmetaphorisch getränktes, verbales Feuerwerk zu Ehren dieser Autorin entzündet, von der auf deutsch drei neue Bücher vorliegen - ein neuer Roman, Erzählungen sowie ein kaum klassifizierbares Buch über den "Stierkampf".
1) A.L. Kennedy: "Einladung zum Tanz. Roman"
2) dies.: "Ein makelloser Mann. Erzählungen"
Thomas David feiert A.L. Kennedy als Autorin von außergewöhnlicher Sprachkraft, die es schafft, "ohne jede Spur von Sentimentalität" Momente des Glücks zu beschreiben, die auf das plötzliche Bewusstwerden und intensive Erleben der eigenen Existenz zurückzuführen sind - also keineswegs dem Klischee klein - oder großbürgerlichen Glücks im trauten Heim entsprechen. Kennedy führe ihre Figuren stets in Räume "unverstellter Alltäglichkeit" schreibt David, also Büros, Wohnungen, Fitnesscenter, in denen jähes Erwachen lauere: Momente des Schreckens würden in plötzliche Selbsterkenntnis und intensive Glücksgefühle umschlagen, wenn man die neuen Erzählungen der schottischen Autorin auf einen Nenner bringen wolle. Einen ähnlich gewaltsamen und fast kathartischen Moment beschreibt David aus ihrem Roman "Einladung zum Tanz", der in einer Kreuzigungsszene gipfelt, die dem Gepeinigten hilft, seine verloren geglaubte Liebe wiederzufinden.
3) dies.: "Stierkampf"
Auch in diesem Buch begibt sich Kennedy, so David, auf die Suche nach dem Gefühl äußerster Intensität, das sie beim Stierkampf vermutet und findet. Nun sollte man sich das Buch nicht als kulturhistorische Abhandlung des Stierkampfs vorstellen, sondern vielmehr als Selbstportrait der Autorin vor spanischer Kulisse. "Stierkampf" ist eigentlich ein Selbstportrait, behauptet David, und die Geschichte einer Selbstfindung, da die Autorin ihre Schreibblockade durch dieses Thema zu bezwingen hoffte. Laut David zieht Kennedy den gewagten Analogieschluss zwischen Stierkampf und Schreiben, erklärt beides zum "Blutsport", das nach ähnlichen Regeln und Stationen wie Angst, Schmerz, Freude, Tod, Transzendenz ablaufe. Wie der Stier fühle sich der Schriftsteller nackt und schutzlos, wenn es darum geht, dass er sich etwas abringen muss, erklärt David, und wie der Stierkampf vollziehe sich das Schrieben als Ritual in äußerster Konzentration. Bloß unblutiger.