Alexandra Senfft

Schweigen tut weh

Eine deutsche Familiengeschichte
Cover: Schweigen tut weh
Claassen Verlag, Berlin 2007
ISBN 9783546004008
Gebunden, 351 Seiten, 19,95 EUR

Klappentext

Der SA-Mann Hanns Ludin war Hitlers Gesandter in der Slowakei und in dieser Position verantwortlich für Judendeportationen. 1947 wurde er als Kriegsverbrecher hingerichtet. Über seine Rolle im Zweiten Weltkrieg streiten seine Nachkommen bis heute und fühlen sich hin- und hergerissen zwischen Schuld und Loyalität. Einfühlsam und mutig beschreibt Alexandra Senfft, wie die geliebte Großmutter die Legende vom "guten Nazi" kultiviert hat und ihre Kinder und Enkel seine wahre Rolle verdrängt haben. Im Mittelpunkt ihres Buches steht das Leben ihrer Mutter, einer außergewöhnlichen Frau des linken Hamburger Nachkriegs-Establishments, die vordergründig an Depression und Sucht zerbricht, tatsächlich aber an der Unfähigkeit, um den Vater zu trauern.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 19.01.2008

Mit viel Lob versieht Rezensentin Sabine Vogel diese Rekonstruktion einer Familiengeschichte, deren traumatische Basis ihrer Information zufolge das innerfamiliäre Schweigekartell über die Nazi-Vergangenheit des 1947 als Kriegsverbrecher hingerichteten Großvaters Hanns Ludin ist. Die Autorin und Enkelin dieses Mannes, der Gesandter des NS-Staates in der Slowakei war, rekonstruiere anhand von Briefen und Dokumenten und durch Gespräche mit Familienmitgliedern zunächst die Umstände, unter denen ihre Mutter aufgewachsen sei, um daraus Schlüsse auch auf die Umstände ihrer eigenen Kindheit zu ziehen. Daraus entsteht für die Rezensentin ein sehr dichtes und intensives Drei-Frauen-Porträt, mit bedrückenden Wiederholungen in der jeweils folgenden Generation. Zwar hätte sich die Rezensentin gelegentlich die Erweiterung des "Tunnelblicks" von den drei Frauengenerationen auf andere Familienmitglieder gewünscht, und außerdem mehr Informationen über die Rolle von Ludin in der Slowakei sinnvoll gefunden. Trotzdem ist dieses Buch für sie als Studie über die psychosozialen Auswirkungen der Nazizeit bis heute ebenso beklemmend wie exemplarisch.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 25.06.2007

Dem Buch allein scheint Eva Menasse nicht genug zuzutrauen. Zwar nennt sie es, "trotz einiger Längen", "klug und sensibel" und räumt ein, es müsse für die Autorin Alexandra Senfft wohl recht anstrengend gewesen sein, es zu verfassen. Als "deutsche Chiffre für späte Aufarbeitung" funktioniert diese Geschichte um die Verstrickungen eines Familienoberhaupts im Nationalsozialismus und deren Verleugnung durch die Familie laut Menasse allerdings nur in Verbindung mit Malte Ludins (ein Onkel der Autorin) Dokumentarfilm "2 oder 3 Dinge, die ich von ihm weiß". So erst brächten die Rechercheleistung und die "offene Konfrontation" der Autorin Licht in die verdrängte Familiengeschichte.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 10.05.2007

Natürlich sei diese Erzählweise gerade Mode und ein Bestsellerrezept, schreibt Rezensentin Susanne Mayer. Das Buch hat ihr trotzdem sehr gefallen. Im Zentrum steht als "fleischgewordenes Unglück" die Mutter der Autorin, die sich das Leben genommen hat und Tochter von Hitlers Statthalter in der Slowakei gewesen ist. Immer wieder spürt die Rezensentin, wie auch die Autorin mit "den Tentakeln" dieser Geschichte ringt, was wohl wesentlich zu Authentizität und Sog dieses Buchs beigetragen hat. Auch überzeugt sie die Verfolgung des weiblichen und unterdrückten Diskurses der Familie, die Deutung der Stille im familiären Diskurs als Spur der Gewalt. Immer wieder spürt sie in der Familliengeschichte, dem Überleben der Frauen nach der Hinrichtung des Vaters als Kriegsverbrecher, wie eine Welt der Widersprüche ihre Fussangeln der Befangenheit bis in die Gegenwart ausgelegt hat. Insgesamt hat sie selten eine Darstellung gelesen, in der Persönliches und Historisches sich überzeugender gegenseitig erhellten. Nur wenn die Autorin allzu distanzlos über ihre heillos unglückliche Mutter schreibt, mag ihr die Rezensentin nicht immer folgen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 11.04.2007

Antje Schrupp hat zwei Bücher gelesen, in denen die Autorinnen die verschwiegene und tabuisierte Geschichte ihrer Familien im Nationalsozialismus schildern. In "Schweigen tut weh" stehen die mit dem 1947 hingerichteten Nazi Hanns Ludin verheiratete Großmutter Erla Ludin und die Mutter im Mittelpunkt. An Alexandra Senffts Buch stören die Rezensentin die rückhaltlose und allzu sehr in die Einzelheiten gehenden Schilderungen der unglücklichen Mutter, der sie sämtliche Verfehlungen gegenüber ihren Kindern vorhält. Schrupp beschleicht das Gefühl, dass es der Autorin mehr um eine "Abrechnung" mit der Mutter, als um ein aus der persönlichen Familiengeschichte heraus entwickeltes Kapitel der Geschichte geht, und das findet sie schlicht nicht besonders fesselnd.