Andreas Heinz

Das kolonialisierte Gehirn und die Wege der Revolte

Cover: Das kolonialisierte Gehirn und die Wege der Revolte
Suhrkamp Verlag, Berlin 2023
ISBN 9783518300039
Kartoniert, 324 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Das moderne Verständnis von Hirnfunktionen und psychischen Erkrankungen ist tief geprägt durch die Projektion kolonialer Hierarchien auf das Gehirn: Vermeintlich höheren Hirnzentren und Funktionen wird die Aufsicht über die angeblich primitiven Triebe und Lüste zugeschrieben. Psychische Erkrankungen wurden lange als Verlust dieser herrschaftlichen Kontrolle verstanden und die Betroffenen wurden Machttechniken ausgeliefert, die aus den Kolonien reimportiert wurden. Andreas Heinz rekonstruiert die Geschichte der Revolten gegen diese rassistischen Konstruktionen wie auch der Gegenbewegungen. Lassen sich noch bis in gegenwärtige Formen achtsamer Selbstdisziplin Spuren der verinnerlichten Hierarchien des kolonialisierten Gehirns finden?

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 18.11.2023

Gerne lässt sich Rezensent Michael Hagner vom Psychiatrie-Professor Andreas Heinz über dessen Konzept des "kolonialisierten Gehirns" aufklären, eine Metapher, die bedeutet, dass die Entwicklung der Psychiatrie und ihrer Verständnisprozesse vom Gehirn eng mit politischen Bedingungen verknüpft waren: So gilt lange Zeit die Annahme einer hierarchischen Organisation im Hirn, die Hirnrinde, rational ausgerichtet, soll sich den Subkortex mit seiner vermeintlichen Wildheit untertan machen. Dass dieser Fehlschluss zu gefährlichen Pathologisierungen führen kann, zeigt sich spätestens im Nationalsozialismus, so Hagner, der betont, dass es dem Autor aber nicht darum gehe, diese Zeit ein weiteres Mal auszuleuchten, sondern die historischen Voraussetzungen für die Entwicklung der Psychiatrie nach dem Zweiten Weltkrieg offenzulegen. Dabei sind für den Autor Bestrebungen der Antipsychiatrie-Bewegung zentral, die die Bedeutung soziokultureller Umstände bei psychischen Krankheiten in den Mittelpunkt rückte. Heinz betone darauf aufbauend, wie wichtig es sei, die verschiedensten Faktoren von Biologie bis Gesellschaft im Blick zu behalten, um den PatientInnen gerecht zu werden. Ein kluger und anregender Exkurs in das Thema, schließt der Kritiker.
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