Andreas Maier

Das Haus

Roman
Cover: Das Haus
Suhrkamp Verlag, Berlin 2011
ISBN 9783518422663
Gebunden, 200 Seiten, 17,95 EUR

Klappentext

Am Beginn dieses Lebens ist Herbst, und Enten schwimmen auf dem Bad Nauheimer Teich. Der Erzähler erinnert sich an ein Paradies, ein Leben ganz ohne Menschen und Zwänge. Die ersten drei Jahre verlebt er bei seiner Urgroßmutter. Aber dann kommt der Einzug in das große, neue Haus der Familie, das dort gebaut worden ist, wo vormals die Apfelbäume standen. Das leere Haus wird zum Lebenszentrum des Kindes. Auf der Flucht vor dem grellen Küchenlicht des gemeinsamen Abendessens werden die unteren Regionen, die Kellerräume mit ihren Ölbrennern und Tankanlagen, zu seiner abgründigen Heimat. Das Kind spricht lange nicht, nimmt keinen Kontakt zu seiner Umwelt auf, wird zu Ärzten gebracht. Später fliegt der Keller als Raumschiff Enterprise in den Wetterauer Himmel, und der ältere Bruder ist der Kommandant. Während die Schwester, laut wie die Posaunen von Jericho, die Wände des Hauses zum Erzittern bringt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 24.02.2012

In "Das Haus",dem zweiten Teil der Wetterau-Romane von Andreas Maier, liest Astrid Kaminski etwas über den Ich-Erzähler, Andreas, über das titelgebende Haus seiner Kindheit und über die Widrigkeiten, die sich ihm, in Form von missgünstigen Mitschülern oder Umgehungsstraßen, in den Weg stellen. Dabei verliert Kaminski allerdings schnell die "Lust am lesenden Imaginieren" und empfindet die wiederkehrenden Motive als monoton. Die Rezensentin lobt zwar den Ansatz, die kindliche Erfahrungswelt zwischen eigenem Erleben und elterlicher Deutung heraufzubeschwören, aber das dabei entstandene Mischwesen aus Autor und Romanfigur ist ihr zu "holzschnittartig" und "eindimensional". Trotzdem geht die Rezensentin davon aus, dass die Hessensaga zum "literarischen Deutschlandbild beitragen" werde - schon ihrer Ambition wegen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 04.02.2012

"Einzigartig" findet Rezensent Rainer Moritz nach dem ersten nun auch den zweiten vorliegenden Roman dieses auf insgesamt elf Bücher angelegten Zyklus, in dem der 1967 geborene Autor seine eigene Biografie - und hier seine problembehaftete Kindheit - "ins Zentrum" rücke und sich auf die Suche nach einer abgelegten Form von Einfachheit begebe. Keine Chronologie entscheidender Lebenswegstationen habe der Autor dabei im Sinn, sondern eine, wie der Rezensent Maier zitiert, "früheste Seelenlandschaft", die auch das literarisch überzeugend rekonstruiere, was der bloßen Erinnerung allein nicht mehr entnehmbar sei, etwa das "Fühlen und Tasten eines Kindes" in dessen eigenem Erfahrungsraum. Nicht zuletzt, findet der beglückte Rezensent, liegt mit "Das Haus" aber auch ein "Roman der deutschen Provinz" in den 70er Jahren vor, deren anscheinend geordnete Bahnen von den zeitgleich stattfindenen Revolten in den Großstädten kaum berührt werden.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 19.01.2012

Auf elf Bände hat Andreas Maier seine hessische Familiensaga angelegt, nun da der zweite Band vorliegt, sieht Rezensent Adam Soboczynski dem Projekt voller Zuversicht entgegen. Denn wie Andreas Maier hier von seinem Alter Ego, dem kleinen "Problem-Andreas", der lieber nichts mit anderen Menschen zu tun haben will, erzählt, das haut Soboyznski um. Wenn Maier von diesem Kind schreibt, das sich der Vergesellschaftung zu entziehen versucht, macht er nicht nur in seinem Stil "höherer Naivität" augenfällig, wie künstlich und paradox Gesellschaft ist, schwärmt der Rezensent. Maier greife damit auch die alte deutsche Verstiegenheit auf, nach der die innere Erlebniswelt bedeutender sei als die "Prosa der Verhältnisse", wie Soboczynski Hegel zitiert. Dass für Maier zum Schluss nicht nur das Grauen von außen kommt, sondern auch das hübsche Nachbarmädchen, freut den Rezensenten deshalb sehr.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 07.01.2012

Eingenommen ist Jörg Magenau von Andreas Maiers autobiografisch gefärbtem neuen Roman. "Das Haus" ist für ihn ein Kindheitsroman, der sich in seinen Augen von den zahllosen Familien-, Erinnerungs- und Provinzromanen der letzten Jahre deutlich abhebt. Das Verhalten des kindlichen Ichs, um das der Roman kreist, ließe sich nach Magenau als autistische Störung beschreiben, wobei er hervor hebt, dass Literatur kein "psychiatrisches Gutachten" ist. Viel wichtiger erscheint ihm ohnehin, wie Maier das Empfinden dieses Kindes erfasst. Und das gelingt dem Autor nach Magenaus Dafürhalten überzeugend. Im Kern handelt das Buch für ihn von der Sehnsucht nach dem Urzustand des Geborgenseins und vom diffusen Gefühl, "in der Welt zu sein". Das Fazit des Rezensenten: ein "großes Buch".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.12.2011

Rezensentin Sandra Kegel freut sich, einen neuen Teil aus Andreas Maiers auf elf Teile angelegten Familiensaga aus der Wetterau in den Händen zu halten. In dem Roman "Das Haus" folgt sie dem vermutlich autobiografischen, hypersensiblen Ich-Erzähler Andi auf der Suche nach seiner verlorenen Kindheit in den Siebziger Jahren. Die Kritikerin liest die ergreifende Schilderung eines Martyriums, welches mit dem Umzug in ein neues Haus beginnt, der ihn von seiner liebevollen Urgroßmutter Else trennt, und sich in einer qualvollen Außenseiterposition in der Schule fortsetzt. Dabei, so Kegel, entfalte die Geschichte ihre "fatale" psychologische Spannung gerade dadurch, dass es keine bösartigen Widersacher wie etwa in "Frühlings Erwachen" und anderen Jugenddramen gebe, sondern sich Eltern und Psychologen vielmehr um das verschlossene Kind bemühen. Glaubwürdig, mit "sanfter Ironie" und voller Liebe zum Detail erzähle Maier von einer traumatischen Kindheit und den Versuchen, die einstige, nur in Anekdoten überlieferte frühkindliche Unbeschwertheit zurückzugewinnen.
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